Oued Awlitis 001 Meteorit. Foto:  © NHM Wien, Ludovic Ferrière
Oued Awlitis 001 Meteorit. Foto: © NHM Wien, Ludovic Ferrière

Ein europäisches Forscherteam entdeckte im Mondmeteoriten Oued Awlitis 001 ein neues Hochdruck-Mineral namens Donwilhelmsit [CaAl4Si2O11], das eine wichtige Rolle bei plattentektonischen Prozessen im Erdinneren spielt.

Nicht nur die 382 Kilogramm Mond-Gesteine, die durch die US-amerikanischen Apollo-Missionen, und die insgesamt 301 Gramm, die bei den sowjetischen Luna-Weltraummissionen von Robotern aufgesammelt wurden, sondern insbesondere auch Mondmeteorite liefern wichtige Hinweise zur Entstehung und Entwicklung des Mondes.

Wenn sich Einschlagskrater auf dem Mond bilden, werden Gesteine von der Mondoberfläche in den Weltraum geschleudert, und einige wenige davon landen später als Mondmeteorite auf der Erde. Bei diesen Einschlägen treten extrem hohe Temperaturen und Drucke auf, und in mikroskopisch kleinen Bereichen innerhalb des geschockten Mondgesteins bilden sich Schmelztaschen oder Schmelzadern. Diese winzigen Schmelzzonen sind von großer Bedeutung für die Forschung, weil dort für den Bruchteil einer Sekunde jene Druck- und Temperaturbedingungen aufgetreten sind, die im Inneren der Erde herrschen. In diesen natürlichen Schmelztiegeln bilden sich Minerale, die ansonsten unerreichbar im Erdinneren verborgen sind.

 Dr. Ferrière & Oued Awlitis 001 Meteorit. Foto:  © NHM Wien, Kurt Kracher
Dr. Ferrière & Oued Awlitis 001 Meteorit. Foto: © NHM Wien, Kurt Kracher

Minerale wie Wadsleyit, Ringwoodit und Bridgmanit bilden große Teile des Erdmantels und wurden zuerst durch Hochdruckexperimente synthetisiert und später als natürliche Minerale in Meteoriten gefunden.

Das neue Mineral Donwilhelmsit besteht aus Kalzium-, Aluminium-, Silizium- und Sauerstoffatomen und ist damit das erste Hochdruckmineral in Meteoriten mit Bedeutung für terrestrische Sedimente, die in sogenannten Subduktionszonen in große Erdtiefen verfrachtet wurden.

Gefunden wurde Donwilhelmsit in winzigen Schmelzzonen des Mondmeteoriten Oued Awlitis 001. Dieser 2014 in der West-Sahara entdeckte Mondmeteorit hat chemische Ähnlichkeiten mit den Gesteinen unserer Kontinente. Sedimente dieser Kontinente werden durch Wind und Flüsse in die Ozeane getragen und durch plattentektonische Prozesse zusammen mit der dichten ozeanischen Kruste tief in den Erdmantel hinabgezogen. Ab einer Tiefe von 460 bis 700 km wandeln sich die Minerale durch hohe Druck- und Temperaturbedingungen in dieser Tiefe in dichtere Minerale um. So auch der neu entdeckte Donwilhelmsit. Im Gesteinszyklus der Erde ist Donwilhelmsit wichtig für den Transport kontinentaler Sedimente durch die Übergangszone des Erdmantels (460 bis 700 km Tiefe).

Über das neue Mineral Donwilhelmsit berichteten heute in der Fachzeitschrift „American Mineralogist“ Jörg Fritz (vom Zentrum für Rieskrater und Impaktforschung Nördlingen, Germany) und die Kollegen*innen vom Museum für Naturkunde Berlin, dem Naturhistorischen Museum Wien, dem Physikalischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, dem Helmholtz-Zentrum GFZ Potsdam, dem Naturhistorischen Museum Oslo, der Universität von Manchester und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Berlin. Diese paneuropäische Zusammenarbeit war nötig, um Material vom Mondmeteoriten zu bekommen, das neue Mineral zu entdecken, die wissenschaftliche Bedeutung zu verstehen, und die Kristallstruktur der winzigen, nur ein Tausendstel Millimeter breiten Kristalle genau zu bestimmen.

 Donwilhelmsit Kristalle im Elektronmikroskop. Foto:  © Museum für Naturkunde Berlin, Ansgar Greshake
Donwilhelmsit Kristalle im Elektronmikroskop. Foto: © Museum für Naturkunde Berlin, Ansgar Greshake

Mariana Klemantova nutzte die technisch anspruchsvolle Methode der 3D-Elektronen-Streuung (3DED), zusammen mit einem speziell entwickelten Computerprogramm, um zum ersten Mal die Kristallstruktur eines außerirdischen Minerals genau zu entschlüsseln. Das neue Mineral wurde nach dem amerikanischen Mondforscher Don E. Wilhelms benannt. Er arbeitete bei den Apollo-Missionen mit, die erste Gesteine vom Mond zur Erde brachten.

Das untersuchte Fragment des Meteoriten Oued Awlitis 001 wurde 2015 vom Naturhistorischen Museum Wien im Rahmen einer von Ludovic Ferrière, dem Kurator der Meteoritensammlung, organisierten Crowdfunding-Aktion „Helfen Sie uns, den Mond zu bekommen!“ angekauft. Aktuell ist ein 31,58 g Stück dieses Meteoriten im Meteoritensaal Nummer 5 des NHM Wien ausgestellt.

Obwohl täglich rund hundert Tonnen außerirdischen Materials unseren Planeten erreichen, schafft es nur ein verschwindend kleiner Teil als Meteorit auf die Erdoberfläche. Entsprechend begehrt sind die Steine bei Forscher*innen ebenso wie bei Sammler*innen. Früher wurden die Steine nur gefunden, wenn ihr Fall beobachtet wurde oder sie per Zufall entdeckt wurden.

Meteoriten fallen zwar gleichmäßig überall auf die Erde, trotzdem gibt es Orte, an denen sie häufiger zu finden sind als an anderen. Während sie in unseren Breiten recht schnell verwittern, können sie in trockenen Gegenden wie den nordafrikanischen Wüsten und im Eis der Antarktis Jahrtausende überdauern. Hier werden sie in so großer Zahl gesammelt, dass sie nur eine Nummer bekommen – im Gegensatz zu den sonst üblichen Namen der Fundorte. Die genauen Regeln der Namensgebung wurden von der Meteoritical Society, einer internationalen Fachgesellschaft, aufgestellt.

Viele Meteoriten sind steinerne Zeugen des frühen Sonnensystems – und von entsprechender Relevanz für die Wissenschaft. Solche Stücke, die mögliche Lebens-Vorformen enthalten könnten, kommen gar nicht in den kommerziellen Handel. Ihr virtueller Wert ist astronomisch, der Preis aber unbestimmbar. Bei dem im Internet, auf Börsen oder in Auktionshäusern real gehandelten Material ist die Preisspanne extrem hoch: zwischen wenigen Cent pro Gramm bis hin zu vielen Hundert Euro ist alles möglich. Entscheidend ist die Seltenheit eines Stücks, aber auch sein ästhetischer Reiz.

Das Hauptexemplar des Meteoriten Oued Awlitis 001 wurde von einem Privatsammler erworben. „Für das NHM Wien ist es schwierig, die weltgrößte Schausammlung noch weiter zu vergrößern.“, betont Ludovic Ferrière, „doch wenn die Stücke an Privatsammler gehen, sind sie meist für die Wissenschaft verloren“.

Quelle: NHM / Naturhistorisches Museum Wien

Lesen Sie noch mehr Interessantes und Lehrreiches von und über das Naturhistorische Museum bei uns bitte hier;

www.nhm-wien.ac.at

 

 

Back to Top