Dagmar Dagny Servaes (* 1894, † 1961) war in den Jahren 1926 bis 1937 die Buhlschaft im Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Foto: Alexander Binder

Im Laufe von über 100 Jahren Salzburger Festspiele gibt es unzählige Episoden, Geschichten, G´schichterln und Erzählungen, die hier niederzuschreiben wahrlich den Rahmen sprengen würden. Nichtsdestotrotz haben wir zwei Überlieferungen davon herausgepickt, die wir Ihnen hiermit näherbringen möchten. Max Reinhardt würde dies sicherlich sehr freuen.

Räuber, Mörder, Kindsverderber, gehen nur zu Doktor Sperber

Sage mir keiner, es hätte nach dem Krieg in Wien 1945 keinen zweiten Dr. Sperber gegeben, Sperber II hieß Dr. Michael Stern und war beinahe so legendär wie das Original. Auch für ihn gab es einen Werbespruch, der freilich von Karl Farkas stammte und von diesem in einer „Simpl“-Conférence verbreitet wurde:

„Bleibst Du gern dem Häfen fern, nimm Dir nur den Doktor Stern.“

In Juristenkreisen hieß es mit dem Hinweis auf die Privilegien, die Dr. Stern beim Besuch von Strafgefangenen im „Grauen Haus“ genoss, dass in Österreich vielleicht alle Bürger, nicht aber alle Anwälte vor dem Gesetz gleich wären. Die Bevorzugung des Staranwalts bestand auch außerhalb der Gerichtsmauern, etwa im Feinkostgeschäft Julius Meinl am Graben, das – wenn der berühmte Strafverteidiger einkaufen wollte – seinetwegen schon um 6 Uhr aufgesperrt wurde.

Um ein Privileg ganz anderer Art bemühte sich der gewiefte Jurist, als er eines Morgens den nicht minder legendären Burgtheaterdirektor Ernst Haeussermann anrief. Haeussermann, der damals Max Reinhardts traditionell ausverkaufte „Jedermann“-Inszenierung für die Salzburger Festspiele betreute, war Nachtmensch und infolgedessen Langschläfer. Keiner hätte es je gewagt, ihn vor 10 Uhr zu belästigen. Nur einer: der Morgenmensch Dr. Michael Stern, den man schon in seiner Kanzlei antreffen konnte, wenn Haeussermann noch durch das Wiener Nachtleben streunte.

Dennoch läutete eines sehr frühen Sommermorgens das Telefon in der Wiener Wohnung des Theaterprinzipals. Haeussermann wankte schlaftrunken zum Apparat. Es war knapp nach 5 Uhr früh. Das Burgtheater musste brennen, anders war eine Störung zu dieser Stunde nicht erklärbar.

Doch der Grund des Anrufes war ein ganz anderer. „Hier spricht Dr. Stern“, verkündete die verdächtig munter klingende Stimme am anderen Ende der Leitung. Haeussermann ließ sich in einen nahen Fauteuil fallen und lauschte im Halbschlaf den brillant gesetzten Worten des Strafverteidigers.

„Mein lieber Hofrat Haeussermann“, hob der alte Stern an, „ich lasse gerade mein Leben Revue passieren. Und da fällt mir ein, dass wir uns jetzt schon seit so vielen Jahren kennen. Da hab ich mir gedacht, es wäre doch nett, wir würden uns Du sagen.“

Haeussermann war gerührt, fühlte sich geehrt – nur eines konnte er sich beim besten Willen nicht erklären: Warum, um alles in der Welt, musste die Verbrüderung ausgerechnet am Telefon erfolgen. Und vor allem: zu dieser für ihn unmöglichen Stunde!

Wie auch immer, sie riefen einander „Servus Ernstl“ und „Servus Michael“ zu, und als Haeusserann endlich den Hörer auflegen wollte, um die gestörte Nachtrufe wieder aufnehmen zu können, fügte der alte Stern noch schnell an: „Ach ja, lieber Ernstl! Weil wir grade so nett miteinander plaudern, hätt ich eine Frage an Dich: Hast Du noch zwei Karten für den „Jedermann“ am nächsten Sonntag?“

Von Georg Markus – aus „Die Enkel der Tante Jolesch“ – ISBN 3-423-20837-6, erschienen bei dtv.

www.dtv.de

Buhlschaft Dagny Servaes

Dagmar Servaes war in den Jahren 1926 bis 1937 die Buhlschaft im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. Heinz Marecek erinnert in seinem Programm „Das ist ein Theater!“ an folgende Geschichte:

„Einer der wunderbaren Gründe warum ich Schauspieler geworden bin, war mitunter auch jener, dass man immer auch über Kollegen lustige Dinge erfuhr, die quasi in grauer Vorzeit an diesem oder jenem Haus passiert sind. Meist waren dies Erzählungen über große Meister ihres Faches und über Schauspieler, die allesamt einen wohlklingenden Namen hatten. Eine Geschichte ist überliefert, die an einen Schauspieler erinnert, wo heute kein Mensch mehr weiß, was aus ihm geworden ist und welche Rollen er früher einmal gespielt hat. Und dennoch kennen fast alle noch seinen Namen: Kaliwoda.“

Der kleine Schauspieler Kaliwoda war ein unscheinbarer Chargen-Darsteller an der Josefstadt. Seine Rollen waren so klein wie er und dennoch hatte er sich mit einem Satz in die „Goldene Chronik der Josefstadt“ gespielt. Und das kam so:

Dagny Servaes war zu ihrer Zeit berühmt, und das nicht erst seit ihrer Rolle als Buhlschaft. Sie galt als großartige Schauspielerin und als noch großartigere Inhaberin eines herrlich üppigen Dekolletés, von dem die Zeitzeugen behaupteten, wenn sich die Dagny im „Jedermann“ als Buhlschaft über den Tisch beugte, dann hätte der Domplatz zu leuchten begonnen.

Zurück aus Salzburg in Wien an der Josefstadt betrat die Dagny Servaes das Konversationszimmer. Der kleine Kaliwoda sprang auf und bot ihr mit den Worten „Bitte Majestät, wenn Sie Platz nehmen möchten!“ seinen Sessel an. Als die Dagny das Zimmer verließ, lief Kaliwoda voraus und öffnete ihr die Tür mit den Worten: „Bitte, Majestät, wenn Sie weiterkommen möchten!“ Dagny Servaes sah ihn dabei immer nur ganz verstört an.

Als sie zur Bühne wollte eilte Kaliwoda wieder voraus, riss das Bühnentürl auf und sagte: „Bitte, Majestät, wenn Sie eintreten möchten!“ Und da dies den ganzen lieben langen Tag so dahinging, wurde die arme Dagny Servaes immer nervöser und verstörter und fuhr ihren kleinen Kavalier schroff an:

„Sagen Sie Kaliwoda, was ist denn das Dummes, warum sagen Sie denn immer Majestät zu mir?“ 

Darauf riss sich der kleine Kaliwoda die Kappe vom Kopf, verbeugte sich und erwiderte untertänigst: „Majestät – Sie san für mi die Duttelkönigin!“

Und mit diesem Sätzlein wurde Kaliwoda unsterblich …

Quelle: Redaktion www.oepb.at

www.salzburgerfestspiele.at

Back to Top