„Leb wohl, geliebte Austria, es war so wunderschön, so schön! Beim nächsten Mal, beim nächsten Mal, werden wir uns wieder sehen …! Dies skandierten die über 1.000 mitgereisten violetten Schlachtenbummler gestern Abend im mit 25.000 Besuchern gut gefüllten und zwischenzeitlich muksmäuschenstill gewordenen Maksimir-Stadion zu Zagreb / Agram in der 85. Spielminute. Was war geschehen? Nun, der Vorabend zum 22. August – an jenem Tag anno 1894 wurde der Vienna Cricket and Football-Club, aus dem 1911 die Wiener Austria hervorgegangen war – gegründet und die Urväter dieses Vereins hätten mit ihren Urururenkerl wohl eine riesengroße Freude gehabt, denn es war wieder einmal die Austria, die gestern Abend mit einem großen Europapokal-Abend glänzte, die sich ihrer Tugenden besonn und die neben der nicht immer geglückten spielerischen Linie auch ein heroisches Kämpferherz an den Tag (Abend) legte, so dass zu guter letzt dieser tolle Teilerfolg dabei herausgekommen war.
Bildtext: Die Väter des 0 : 1! Tomas Jun (links) herzt Marin Leovac, der ob seines ersten Tores für die Austria schier aus dem Häuschen war. Nach Spielschluss schnappte er sich kurzerhand den Matchball als Andenken. Foto: GEPA
Die Wiener, die im Vorfeld dieser Play-Off-Begegnungen zur UEFA Champions League-Gruppenphase 2013/14 als krasser Außenseiter gehandhabt wurden – der Serien-Meister aus dem stolzen Kroatien lächelte nur milde bei Bekanntgabe des Gegners, man war sich stets über das Hinwegkommen über das violette Wien sicher – bestraften Dinamo für ihren an den Tag gelegten Hochmut, die halbe Miete ist bezahlt und ein großartiger Teilerfolg somit in trockenen Tüchern.
Zum Spiel:
Es kribbelte im weiten Rund, als die Champions-League-Hymne abgespielt wurde und bis auf Tomas Jun, der mit AC Sparta Praha bereits in der Gruppen-Phase stand, dort auch als mehrmaliger Torschütze erfolgreich war, betraten sämtliche Austrianer gestern Abend internationales Neuland in ihrer Karriere. Das gesteckte Ziel der Wiener, erstmals in der Vereinsgeschichte in die Gruppenphase zu gelangen, wurde gelebt und alle im Verein arbeitenten bisher für den Erfolg. So begann auch die erste Spielhälfte. Die Veilchen standen tief, hielten mit vereinten Kräften dagegen und versuchten von Anbeginn an den erwarteten Angriffswirbel Dinamos zu unterbinden. Die Stimmung im Stadion war gut, lautstark und intensiv. Mit Fortdauer der Partie, so nach 15 Minuten etwa, wurde es jedoch immer ruhiger und auch die ganz in weiß gekleideten Wiener Violetten spürten, dass sie sich ruhig ein bisserl mehr zutrauen könnten. Dinamo hatte in der ersten Halbzeit mehr vom Spiel, war aktiver, jedoch nicht unbedingt gefährlicher. Die Partie spielte sich meist im Mittelfeld ab und sieht man von den letzten 5 Minuten vor der Pause ab – Dinamo hatte drei Eckbälle in Serie, die Austrianer schwammen zu diesem Zeitpunkt gehörig in ihrem 16-Meter-Raum umher und Heinz Lindner im Tor hatte sämtliche Hände voll zu tun – ging der torlose Halbzeitstand durchaus in Ordnung.
Als der englische Referee Howard Webb zur zweiten Hälfte bat, bot sich ein komplett anderes Bild. Plötzlich agierte nur mehr der Gast aus Wien, Weiß gewann die Oberhand auf Grün und die Schwarz gekleideten Dinamos liefen meist hinterher. Als Tomas Jun, der eine perfekte Hereingabe von Philipp Hosiner von rechts erhielt, mit einem Haken in Rückwärtslage geraten jedoch noch an Kapitän Josip Simunic hängen geblieben war, wollte der Gast einfach mehr. So verlief auch das Spiel. In der 68. Minute schlug die Sternstunde von Marin Leovac. Der in Jajce geborene und mit einer Zagreberin verheiratete Bosnier, seit 2011 österreichischer Staatsbürger, scorte sein erstes Tor für die Austria. Daniel Royer wirbelte zwei Dinamos durcheinander, der Ball gelangt zu Jun, der weiterlaufen lässt auf den links heranbrausenden späteren Torschützen, der wiederum aus spitzem Winkel voll abzieht – TOR für den FAK! Der 20jährige Oliver Zelenika im Gehäuse Dinamo Zagrebs rechnete mit einer Hereingabe und berechnete somit das Leder falsch. Riesenfreude nicht nur bei der gesamten Austria-Familie, sondern allen voran beim Torschützen, der nur aufgrund einer internationalen Gelb-Rot-Sperre von Markus Suttner (erhalten beim isländischen Rückspiel gegen Hafnarfjördur) in die Start-Formation gerückt war. Unter Ex-Coach Karl Daxbacher feierte er sein internationales Debüt im November 2009 an der Weser gegen den SV Werder Bremen. Damals schon beim 0 : 2 gelang ihm eine überaus gute Partie. Doch zurück zu gestern Abend.
In der 71. Minute dezimierte sich der Gastgeber selbst. Ante Rukavina, kurz zuvor für Duje Cop ins Spiel gekommen, ging auf einen hohen Ball, erreichte diesen nicht, zog sein gestrecktes Bein allerdings auch nicht zurück und traf Kaja Rogulj seitlich voll in die Lendengegend. Schiedsrichter Webb, der unmittelbar daneben stand, konnte gar nicht anders und zückte die Rote Karte. Mit nur mehr 9 Feldspielern sollte es für Dinamo noch schlimmer kommen. 4 Minuten später, man schrieb die 75. Spielminute, das 0 : 2. Fabian Koch rannte am rechten Flügel entlang, bugsierte von dort das Leder gekonnt in den Rücken der kroatischen Abwehrreihen und in der Spielfeldmitte gut 20 Meter vor dem Tor düste Marko Stankovic heran, der aus vollem Lauf herrlich darauf los donnert und die Kugel im Netz versenkt. TOOOR !!!
Man rieb sich die Augen der Ungläubigkeit ob dieses Spielstandes, nachdem die riesengroße Freude gewichen war. Stankovic wurde von seinen Kollegen beinahe erdrückt. Und als auch noch Hosiner eine gute Einschussmöglichkeit, jedoch bei Zeiten daran gehindert wurde, zum 0 : 3 vorfand, war vielen im Stadion klar, dass es das für diesen Abend gewesen war. Zahlreiche Dinamo Zagreb-Anhänger zogen weit vor Spielschluss ab und erlebten somit nicht mehr die 5minütige Nachspielzeit, in der die Austria wacker stand und Heinz Lindner noch zweimal auf seinem Posten war.
Der Jubel war groß, als diese Hinspielbegegnung durch den unauffällig und guten Referee Howard Webb beendet wurde. Austria-Trainer Nenad Bjelica trat jedoch auch gleich auf die Euphorie-Bremse, als er meinte, dass man noch nichts erreicht hätte und es beim Rückspiel am kommenden Dienstag in Wien noch einmal vollster Konzentration bedarf, um das große Vereins-Ziel auch zu erreichen.
Diesen doch unerwarteten Teil-Erfolg darf sich das Wiener Team allerdings auf seine Fahnen heften und wird nun alles daran setzen, dass am 27. August 2013 um 22.30 Uhr neuerlich ein violettes Kapitel in der über 100jährigen Klubgeschichte der Wiener Austria geschrieben wird und die Ost-Tribüne lautstark und geschlossen in den Favoritner und Wiener Nachthimmel trällern kann: „So ein Tag, so wunderschön wie heute …!“
http://de.uefa.com/uefachampionsleague/index.html
Weitere Superlativen zum Spiel:
14 : 6 Torschüsse für Dinamo
6 : 4 Ecken für Dinamo
58 : 42 Prozent Ballbesitz für Dinamo – jedoch 0 : 2 an Toren für die Austria.
Die Wiener Austria schied im Europapokal noch nie aus, nachdem man bereits das Hinspiel gewonnen hatte. An 14 der letzten 16 Europapokal-Abende gab es mindestens ein Tor der Veilchen zu bejubeln. Und – last, but not least – Dinamo war bis gestern Abend ungeschlagen: 8 Siege und 2 Remis standen auf der Habenseite der bisherigen Saison.
Negativer Höhepunkt: In der Nacht nach dem Spiel wurde der Trainer Krunoslav Jurcic gefeuert. Der FAK sorgte somit ungewollt für die Beendigung des Dienstverhältnisses des quirligen Dinamo-Trainers.
Weitere Fotos zum Spiel:
www.austria80.com/Fotos201314CLQ4ZagrebA130821.htm