Die spielentscheidende Szene: Hans Gröss (rechts) zieht ab und sekundenspäter zappelt das Leder in den Inter-Maschen. Links: Andrea Mandorlini, sowie rechts (Nr. 3) Giuseppe Baresi. Foto: privat
Die spielentscheidende Szene: Hans Gröss (rechts) zieht ab und Sekunden später zappelt das Leder in den Inter-Maschen. Links: Andrea Mandorlini, sowie rechts (Nr. 3) Giuseppe Baresi. Foto: oepb

Der fußballerische Spitzensport in der drittgrößten Stadt Österreichs, Linz an der Donau, lag jahrzehntelang im Argen. Die als „Bündelung der Kräfte“ per 21. Mai 1997 stolz verkaufte Fusion, als der LASK und der FC Linz (vormals SK VÖEST Linz) verschmolzen wurden, war im Nachhinein betrachtet ein geschickter Schachzug des FC Linz-Präsidenten Franz Grad.

Er verschacherte die „Konkurs-Masse“ um gutes Geld an den damaligen LASK-Präsidenten Wolfgang Rieger, hatte gemäß eigener Aussage somit „eine Sorge weniger“ und so wurde gewissermaßen aus zwei Kranken lediglich ein lange Darniederliegender fabriziert.

Der LASK konnte aus der Liquidierung des FC Linz sehr lange weder sportlich noch wirtschaftlich Kaital schlagen und kam viele Jahre hindurch einfach nicht auf Touren, stieg in diesen zurückliegenden 22 Jahren vom Oberhaus sogar bis in die Regionalliga / 3. Leistungsstufe ab und kehrte nach dem Oberhaus-Abstieg 2011 erst wieder 2017 in die Bundesliga zurück. Den SK VÖEST gibt es nicht mehr, er lebt lediglich in der Erinnerung und in großen Teilen der Anhängerschaft des FC Blau-Weiß Linz, derzeit 2. Bundesliga, weiter.

Dass in Linz jedoch einmal ein sehr guter Fußball gespielt wurde und dass sehr wohl beide Klubs, nämlich der SK VÖEST Linz und der Linzer ASK im Konzert der Großen mitgegeigt hatten, lässt sich nicht von der Hand weisen, ist aber heute lediglich Bestandteil für Geschichten und Geschichts-Bücher.

Wie hier an anderer Stelle bereits publiziert, hatten die „Koksler“ des SK VÖEST ihre internationale Sternstunde im September 1974 vor 26.000 Zuschauern und dem 0 : 0 gegen das Star-Aufgebot des CF Barcelona. Der ewige Rivale LASK, die im Volksmund genannten „Landstraßler“, zog 11 Jahre später nach und konnte im Rahmen des UEFA-Cups 1985/86, 2. Runde / Hinspiel Inter Mailand im Linzer Stadion auf der Gugl mit 1 : 0 (Pausenstand 0 : 0) vor 18.500 Zeitzeugen in die Knie zwingen. Die Euphorie damals um die Schwarz-Weißen war enorm.

Medienempfang am Vorabend im OÖ-Presseclub. Inter-Prädisdent Ernesto Pellegrini empfängt von LASK-Präsident Komm.-Rat Rudolf Trauner kleine Erinnerungsstücke. Foto: oepb.at
Medienempfang am Vorabend im OÖ-Presseclub. Inter-Präsident Ernesto Pellegrini (links) empfängt von LASK-Präsident Komm.-Rat Rudolf Trauner kleine Erinnerungsstücke. Foto: oepb

Mit Kommerzialrat Rudolf Trauner als Präsident leitete ein Mann der Wirtschaft die Geschicke dieses – seines – Vereins. Der gleichzeitige Präsident der OÖ-Handelskammer (heutige Wirtschaftskammer) war zwar als eiserner Sparmeister bekannt, dennoch gelang es ihm, mit kaufmännischer List und Tücke, eine schlagkräftige Truppe auf die Beinen zu stellen, die in Österreich hinter den beiden Wiener Großklubs Austria und RAPID jahrelang die dritte Kraft im Lande war. Von 1984 bis 1987 qualifizierte man sich en suite für den UEFA-Cup und hatte auch im Intertoto-Sommer-Bewerb stets gute Auf- und Antritte zu verzeichnen. Mit Johann „Janos“ Kondert verfügte der LASK auch über einen Trainer, der dort damals wirklich hingepasst hatte. Kurios war, dass Kondert im Sommer 1987 zum Rivalen VÖEST wechselte und gleich im ersten Jahr mit den Werkssportlern in die 2. Bundesliga abstieg. Mit dem LASK jedoch qualifizierte sich Kondert viermal in Serie für den internationalen UEFA-Cup-Bewerb und verzeichnete hier ebenso seine Sternstunde am Mittwoch, 23. Oktober 1985 gegen Internazionale Milano.

In der aktuellen Meisterschaft nach dem 14. Spieltag lag der LASK am 21. Oktober 1985 nach einem 2 : 0-Auswärtserfolg beim GAK an vierter Stelle – hinter RAPID, Austria und dem SK VÖEST. Und obwohl man am 11. Oktober des gleichen Jahres anhand des Stadt-Derbys gegen VÖEST mit 1 : 2 verlor, war die Aufbruchstimmung, gerade um dieses Inter-Match ungebrochen groß. Wurde doch in jenen Tagen im Oktober die Verpflichtung des Edel-Zanglers Felix Gasselich bekannt gegeben. Dieser war gegen Inter jedoch noch nicht spielberechtigt. Ebenso nicht mit dabei war Stamm- und angehender ÖFB-Teamtorhüter Klaus Lindenberger, der verletzungsbedingt beim Hinspiel in Linz zuschauen musste.

Und so stemmten sich Hubert Wimmer im Tor, Christian Lehermayr, Klaus Dantlinger, Siegfried Paseka, Dietmar Grüneis, Erwin Höld, Wolfgang Nagl, Gerald Piesinger, Karl Meister, Johann Gröss und Max Hagmayr den Inter-Granden Walter Zenga (Torhüter), Riccardo Ferri, Giuseppe Bergomi, Fulvio Collovati, Pietro Fanna, Enrico Cucchi, Marco Tardelli, Giuseppe Baresi, Andrea Mandorlini, Karl-Heinz Rummenigge und Alessandro Altobelli entgegen.

Bild 3_LASK gg Inter_1985Auch dem heutigen Geschichten-Erzähler bot der damalige Tag nicht nur eine Sternstunde, sondern es war vielmehr auch eine Art Feuertaufe, durfte er doch seinen ersten erlebten Fußball-Bericht abliefern, der in der oberösterreichischen Wochenzeitung KremstalBote seinen publizistischen Niederschlag fand.

Und so erinnert man sich heute gerne zurück, dass man das Linzer Stadion als 15jähriger zwar kannte wie die eigene Westentasche, man an jenem Abend jedoch in Bereiche und Katakomben vordringen konnte, die bis dato unerreichbar schienen. Der Gang zur Presse-Tribüne beispielsweise war schon interessant genug, stolperte man dabei doch an zahlreichen oberösterreichischen Größen aus Wirtschaft und Politik vorbei, die man bisher lediglich aus Funk und Fernsehen kannte.

Ein kurzes Gespräch mit Carlos Lima alias „Chico“ ergab, dass es ihm gut gehen würde, er sehr gerne heute auch einlaufen wolle und er dem LASK natürlich alle Daumen drücke. Chico, die brasilianische Perle, war 1964/65 maßgeblich am gewonnenen Double (Meisterschaft und Cup) des LASK beteiligt gewesen. Dies war Mitte der 1960er Jahre insofern eine Novität, da der LASK der erste Österreichische Fußball-Meister war, der aus den Bundesländern kam. Bis zu jenem Jahr kam der Champion stets aus Wien. Chico war – selbst damals schon – von Krankheit und Einsamkeit gezeichnet.

Er war völlig verarmt und hatte sein ganzes Geld heim nach Brasilien zur Familie gesandt. Ihm verblieb wenig bis nichts. Lediglich das Plaudern über alte Zeiten ließen seine müden Augen leuchten und erstrahlen und als er dem 15jährigen Jung-Spund ein Autogramm geben konnte, war er fröhlich und für einen kurzen Augenblick – zumindest erweckte dies den Anschein – glücklich.

Nach diesem kurzen Ausritt in die Vergangenheit ging es weiter auf den zugewiesenen reservierten Platz. Dort saßen bereits zahlreiche italienische Journalisten, die allesamt kleine Olivetti-Kofferschreibmaschinen mit dabei hatten. Das lautstarke mit den Fingern in die Tasten-Gehämmere und wild durcheinander Gemurmle kann man sich wohl vorstellen.

Der LASK war heiß! Heiß auf die Partie und noch heißer auf den Gegner. Herbert Prohaska, von 1980 bis 1982 Regisseur im Inter-Dress, ließ anhand eines Zeitungs-Interviews im „Corriere dello Sport“ verlautbaren, „dass die Linzer Dilettanten sind!“ Rums, das hatte gesessen. Auch dem 23jährigen Schlussmann Hubert Wimmer räumte der „Schneckerl“ aufgrund des jungen Alters Nervosität und somit wenig Chancen ein. Aber, es kam alles anders …

Und so begann um 19 Uhr jener Fußball-Abend, der – bis heute – der erfolgreichste in der 111jährigen Geschichte des Linzer ASK ist

Die Gugl war voll! Kopf an Kopf reihten sich die Zuschauer-Massen beim Blick auf die Ränge. Egal ob im Sitzplatz-Bereich, oder aber auf der großen Steh-Terrasse, die Leute strömten auch noch nach Spielbeginn in Richtung Stadion. Und der Platzsprecher wurde nicht müde, die Besucher in die unteren Stehplatz-Regionen zu ordern und zum Nachrücken zu animieren, da von hinten immer noch zahlreiche Anhänger dazu kamen.

Der LASK bot das Spiel des Lebens. Über weite Strecken wurde die Partie nicht nur offen gehalten, man zwang auch Walter Zenga im Inter-Tor mehrmals dazu, sich auszuzeichnen. Die Landstraßler erwiesen sich als durchaus ebenbürtiger Gegner. Und der Deutsche Rummenigge scheiterte in der ersten Halbzeit dreimal an Wimmer, der mit Reflexen und Paraden seinen Mann im Linzer Gehäuse stellte. Die guten und nicht ungefährlichen Weitschüsse von Wolfgang Nagl und Johann Gröss sollten erste Vorboten auf die zweite Spielhälfte sein.

Alessandro Altobelli (am Ball) machte in Linz gegen Siegfried Paseka (links) keinen Stich. Rechts hinten: Hans Gröss sowie Guiseppe Bergomi. Foto: privat
Kapitän Alessandro Altobelli (am Ball) machte in Linz gegen Siegfried Paseka (links) keinen Stich. Rechts hinten: Hans Gröss sowie Guiseppe Bergomi. Foto: oepb

Und ab 20 Uhr sollte der LASK wohl seine beste internationale Halbzeit spielen, die es bisher in der damals 77jährigen Vereinsgeschichte gegeben hatte. Die Zuschauer kamen aus dem Staunen nicht heraus, denn ihre Linzer Schwarz-Weißen schnürten das Schwarz-Blaue italienische Star-Ensemble in deren Hälfte regelrecht ein, kontrollierten besonnen und ruhig die Begegnung und brachten die Inter-Abwehr mehrmals gehörig ins Schwimmen. Cucci und Ferri schlugen die Bälle des öfteren nur mehr unkontrolliert aus dem Gefahrenbereich und Inter wankte auf der Gugl. Aber noch stand die Null. Das Linzer Angriffsfurioso ging munter weiter und der belgische Referee Alphonse Constantin musste für Inter zweimal Gelb zücken. In diese letztendlich spielentscheidende Drangperiode hinein näherte sich die 80. Spielminute. Die Gugl war zwar nicht restlos ausverkauft, aber dennoch hielten die knapp 19.000 Zuschauer ihren Atem an. Die Hundertschaft Italiener, platziert auf der Sitzplatztribüne, war nicht zu vernehmen und das Raunen durch das altehrwürdige Beton-Oval ging munter weiter.

Und dann nahm die Sensation ihren Lauf: Gerald Piesinger setzt von rechts ideal Hans Gröss ein, der verkehrt zum Tor steht. Der Pressbaumer dreht sich um die eigene Achse, lässt Bergomi hinter sich und auch Baresi sowie Mandorlini kommen zu spät. Sein strammer Schuss von der Strafraumgrenze aus saust rechts in das Inter-Gehäuse und lässt Walter Zenga keine Chance – Tor für den LASK zum 1 : 0!

Der Jubel war unbeschreiblich und eigentlich untypisch für den LASK-Anhänger, der stets als Nörgler und Suderant bekannt war. Aber an jenem Abend gab es an den Heimischen nichts auszusetzen und die Gugl wurde bis in ihre Grundmauern erschüttert.

Die Antwort von Inter folgte auf dem Fuß und es gab in den letzten 10 Minuten noch rollende Angriffe auf das Linzer Tor. Die Abwehr um Libero Lehermayr, Dantlinger und Paseka stand allerdings felsenfest und so endete dieser geschichtsträchtige Abend des 23. Oktober 1985 um 20.50 Uhr in einem schwarz-weißen Jubel-Meer. Die Zuschauer wollten nicht nach Hause gehen und feierten ihre Helden munter weiter. Allen voran Hans Gröss, als Leihgabe von RAPID im Sommer fix verpflichtet, genoss das Bad in der Menge. Es sollte für den pointierten Stimmen-Imitator das Tor seiner Fußballer-Laufbahn gewesen sein.

Und auch die Prominenz war aus dem Häuschen:

Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck: „Der LASK präsentierte sich in Superform und hat durchaus Chancen aufzusteigen. Überragend Torhüter Wimmer.“

LH-Stellvertreter Hofrat Gerhard Possart:Der LASK in Bestform – so gut wie noch nie! Einmalig!

Bürgermeister Prof. Hugo Schanovsky: „Der LASK hat ein hervorragendes Spiel geliefert, Inter wurde in Linz das Zittern gelehrt.“

Präsident Komm.-Rat Rudolf Trauner: „Eine großartige Kulisse. Der LASK bot eine Partie, die dieses Linzer Oval noch nicht gesehen hat. Es war ein Freudentag für uns.“

Präsidiums-Mitglied Komm.-Rat Ferdinand Richter:Ich finde keine Worte. Gegen eine solche Weltklassemannschaft so zu spielen! Ich gratuliere dem Team zu ihrem größten Erfolg in der Geschichte!“

Die italienischen Journalisten auf der Presse-Tribüne, die auf der Tartanbahn aufgebaut war, telefonierten unmittelbar nach Spielschluss wild gestikulierend anhand der aufgestellten Festnetz-Apparate nach Italien und diktierten den Spielbericht in die diversen Zeitungs-Redaktionen. Eine diesbezügliche Pressekonferenz, wie heute allerorts bekannt, nach dem Spiel gab es damals nicht, die Spieler und Betreuer wurden quasi von der Dusche heraus direkt vor das Mikrophon und die Schreibblöcke gebeten. So waren überall auf der Laufbahn des Linzer Stadions mehr oder weniger große Menschentrauben zu sehen und jeder der schreibenden Zunft haschte nach ein paar Wort-Spenden der Aktiven. Am diesbezüglich längsten zum Handkuss kam Kalle Rummenigge, der irgendwann später dann sichtlich genervt, die letzten Tartanbahn-Interviews einfach abbrach und zum Mannschaftsbus stapfte. Über den Ausgang der OÖ-Landessportschule entschwand das pompöse Inter-Gefährt in der Nacht und bugsierte die Stars hinunter ins Hotel am Schillerpark.

In der Meisterschaft wurde vom LASK einige Tage später RAPID in Linz empfangen. Das 0 : 0 verfolgten 11.500 Besucher. Und zum Rückspiel nach Mailand fuhr sogar die 80jährige Großmutter von Klaus Lindenberger, Frau Leopoldine, im Fan-Bus mit und sah das spielerische Enkerl zum ersten Mal live. Der LASK lief dort allerdings in ein Debakel und Inter nahm grimmige Revanche an der erlittenen Hinspiel-Niederlage. Alessandro Altobelli traf dreimal, Inter schlug den LASK mit 4 : 0 und war eine Runde weiter.

Quelle: oepb

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