Das ewig blühende Grün der Hütteldorfer, oder aber die als immer wieder kehrende Stehaufmanderl bekannten kleinen „Veigerln“ der Wiener Austria – wer behält diesmal im 315. Wiener „Bruder-Kampf“ die Oberhand? So einmal mehr die Ausgangslage gestern Nachmittag zum Abschluss der 13. Bundesliga-Runde der Spielzeit 2015/16.
13. Spieltag tipico-Bundesliga / Sonntag, 25. Oktober 2015, 16.30 Uhr / Ernst Happel-Stadion, 32.200 Besucher;
Dass es sich im größten Stadion Österreichs um ein RAPID-Heimspiel handeln würde, war bereits von weitem klar. Gezählte 5 Austrianer, die als solche auch zu erkennen waren, wurden im Zeitraum zwischen Anmarsch zum Eingang und dem Warten auf den Einlass gezählt. Sehr nett auch die Herrschaften bei der Karten-Ausgabe, die stets „Viel Spaß“ wünschen. Wie kann man „viel Spaß“ empfinden, wenn das Team des Herzens, noch dazu im Derby, verlieren sollte?
Vor Anpfiff gab es die obligatorischen Luftballons in den RAPID-Farben Grün und Weiß gehalten, die beim Einmarsch beider Teams gen Himmel, der Blau und Weiß trug, sanft entflogen. RAPID erwies sich auch als schlechter Gastgeber, eröffnete doch der Heim-Verein durch Kapitän Steffen Hofmann und Matej Jelic die Partie.
Der Unterschied zwischen einem ausverkauften Länderspiel der erfolgreichen österreichischen Fußball-Nationalmanschaft vor knapp 50.000 Besuchern und gut 30.000 Zuschauern bei einem RAPID-Spiel ist jener, dass man dann, wenn die RAPID kickt, den Sitznachbar nicht mehr versteht, so dermaßen hoch ist der Lärmpegel der nun in der Wiener Leopoldstadt beheimateten Hütteldorfer Fußballanhänger.
Als man aufgefordert wird, mitzuhüpfen, weil man sonst als Austrianer gelte, sprang das ganze Stadion. „Veilchen-Fans, wo seid (ward) ihr?“ Unglaublich für jemanden, dem die Geschichte am Herzen liegt und der weiß, dass der Wiener Prater jahrzehntelang die Heimstätte der Austria war. Heutzutage fährt man zu einem Auswärtsspiel und die Aufteilung zwischen Grün und Violett liegt bei etwa 80 zu 20 Prozent. Die Veilchen blühen vermutlich im heimischen Wohnzimmer oder aber im Viola-Pub, welches gestern ab 14 Uhr seine Pforten für die TV-Konsumentation der Anhänger geöffnet hielt. Ein Auswärtsspiel im fernen Ländle in Altach im Kollektiv im Viola-Pub zu verfolgen, einverstanden, aber ein großes Wiener Derby als Austrianer nicht zu besuchen, lediglich weil der Prater in der Zeit von 2014 bis 2016 aufgrund des Neubaus des Hanappi-Stadions die Heimstätte der Grünen ist, schickt sich für einen echten Fan absolut nicht.
Die Stimmung war, wie immer, wenn die RAPID spielt, dementsprechend und gestern eben noch intensiver, weil es der Spielplan so wollte, dass Derby-Time war. Dabei tauchte immer wieder die Frage auf, warum sich bis dato noch kein Violetter fand, der den Lila Schweinskopf mit Fadenkreuz – das geschlossene Fadenkreuz ist laut Genfer Abkommen genau genommen verboten – aus der grünen Heimkurve entwenden konnte. Seit gut 15 Jahren kommt diese Schwenkfahne stets bei Derbys zum Einsatz.
Die Partie wogt hin und her, wobei man von RAPID aufgrund der letzten Ergebnisse in der Meisterschaft nicht mehr erwarten durfte, anhand der euphorisierenden Spiele in der Europa-League jedoch mehr erwarten konnte. Die Austria stand hinten gut und wusste stets geschickt, stechende Nadelstiche in der grünen Hälfte zu setzen. Das Eckball-Verhältnis von 2 : 3 in der ersten Halbzeit ließ ein ausgeglichenes Spiel schlussfolgern.
Weiters war zu beobachten, dass die Austria ihrem Ruf als Nobel-Klub stets auch gerne optisch nachkommt. Trainer Thorsten Fink coachte im Feinen Zwirn die Seinen lautstark und wild gestikulierend, wie es eben sein Art ist. Sein Pendant Zoran „Zoko“ Barisic stand im Trainings-Pforterl an der Seiten-Linie und schmetterte diesbezüglich seine Anweisungen in Richtung Spielfeld. Weiters fiel auf, dass Fink die Outbälle abfing und diese auch den RAPIDlern zuwarf, wie es eben unter Sportsmännern üblich sein sollte. Herr Barisic zog es vor, den Ball, wenn ein Out-Einwurf für die Austria anstand, „net amoil zu ignorieren“, von abstoppen und zuspielen demnach ganz zu schweigen.
Mit 0 : 0 ging es in die Pause.
Was zu Beginn der zweiten Halbzeit auf Seiten der Grünen Fans veranstaltet wurde, muss als geschmacklos bezeichnet werden. „TOD UND HASS DEM FAK“ auf einem schwarzen Transparent mit weißen Balken dem „Stadt-Bruder“ zu wünschen und zu lobpreisen, erinnert an die biblische Gestalt Kain, der seinen Bruder Abel erschlug. Etwas akustisch zu verbreiten, auf T-Shirt und Schals zu tragen ist eine Sache, ein meterlanges Transparent optisch und TV-gerecht, auch und wenn es nur für den Bruchteil von wenigen Minuten ist, zu präsentieren, eine andere. In Zeiten wie diesen, wo nur wenige Meter vom Stadion entfernt in der Dusika-Halle zahlloseFlüchtlinge untergebracht sind, die vor Mord und Totschlag ihre Heimat verlassen und ihr ganzes Hab und Gut zurückgelassen hatten, ist so ein „Leitspruch“ mehr als nur unangebracht und schlichtweg dumm!
Weiters wurde der Austria-Kapitän Torhüter Robert Almer, der nach einer Aktion nicht sofort den Ball wieder ins Spielfeld verfrachtet hatte, von der ganzen Kurve wüst beschimpft. Hier wäre RAPID-Moderator Andy Marek gefragt gewesen, der bekantlich auch als ÖFB-Stadion-Moderator aktiv ist, einzuschreiten und seine Schäfchen sanft darauf hinzuweisen, dass es sich bei aller Rivalität immerhin um den Österreichischen Nationalteamkeeper handelt. Aber gegenseitigern Respekt gibt es heutzutage ohnehin keinen mehr, warum sollte dieser also gerade im Fußballsport ein Revival feiern?
Steffen Hofmann war gestern auch mit von der Partie, aber das Spiel des Würzburgers war unwürzig. Vielmehr suchte der RAPID-Kapitän gerne den Dialog mit Referee Harald Lechner, was meist in Monologen endete. Dieser Umstand wiederum heizte die Stimung im Stadion weiter auf und das gesamte Schimpf-Repertoire, das der Deutsche Duden hergibt, wurde auf den Rängen verwendet.
Löblich ist der RAPID-Anhang allerdings dann zu erwähnen, wenn der Gegner das 0 : 1 macht. Als die Austria in Führung geht, war der Jubel der 20 Prozent dementsprechend, die kurz darauf sofort einsetzenden Anfeuerrungsrufe für die RAPIDler, die ausgleichen sollten, perfekt und lautstark intoniert.
Dass daraus dann der Ausgleich passierte, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, Fakt ist aber, dass das Tor zum 1 : 1 sehenswert und tadellos vorgetragen war. Nun, ein 1 : 1 im „Bruder-Kampf“ wäre wohl für alle Beteiligten ganz okay, wäre da nicht die Austria gewesen, die, man konnte es vernehmen, den 115. Derby-Sieg in der Geschichte unbedingt haben wollte. Das 1 : 2 aus Sicht RAPIDs fiel gegen Ende der Spielzeit, in der so genannten RAPID-Viertelstunde, die den Grünen gestern kein Glück gebracht hatte. Auch dieser Treffer war – objektiv betrachtet – herrlich insziniert und perfekt erzielt.
Herr Marek war bei der Verkündung des 1 : 2 lediglich leise zu vernehmen und man gewann den Anschein, dass der Träger des „Silbernen Ehrenzeichens der Gemeinde Wien“ in diesem Moment gerne ein Packerl Taschentücher bei sich gewusst hätte.
Wien stand gestern still, aber die Uhren der zahlreichen Wiener Kirchtürme gingen und gehen auch nach diesen 90 Minuten munter weiter. In der Derbybilanz 2015/16 steht es nun 1 : 1 (RAPID gewann das Hinspiel auswärts mit 5 : 2, die Austria revanchierte sich gestern, detto auswärts, mit 2 : 1) und im Frühjahr geht es diesbezüglich natürlich weiter. Ein Derby zu verlieren ist nie schön und es tut gehörig weh. Dennoch und bei aller Rivalität sollte man nie vergessen, dass beide Vereine sich anziehen und brauchen und dass gerade die Tradition dieses „Bruder-Kampfes“ eine der längsten in der Geschichte des Fußballsports weltweit ist. Ein Faktum mehr, auf den die ganze Stadt Wien mit Fug und Recht stolz sein kann.
Detailierte Spielberichte bitte hier:
www.skrapid.at
www.austria.wien
Alle Fotos: oepb.at