Die Grippewelle ist angerollt: Beinahe 20.000 Grippemeldungen wurden in der letzten Woche in Wien verzeichnet und das zu einem Zeitpunkt, zu dem in den vergangenen Jahren von Influenza noch sehr wenig zu spüren war. Im neuen Jahr ist es zu einer weiteren Steigerung gekommen. Obwohl es wie heuer fast jedes Jahr eine Influenzawelle gibt, sträuben sich viele Menschen gegen eine Impfung. Oft auch aus Gründen, die wissenschaftlich längst widerlegt sind. Allgemeinmediziner Dr. Erwin Rebhandl erklärt, was an den gängigen Mythen tatsächlich dran ist:
Wer sich impfen lässt, erkrankt erst recht an Influenza:
Das kann definitiv nicht passieren, da die in Österreich verwendeten Grippeimpfstoffe inaktiviert sind. D.h. sie enthalten keine vollständigen Viren mehr, sondern nur einzelne Bestandteile, gegen die das Immunsystem Antikörper bildet und später im Kampf gegen die Influenza-Viren schnell und effektiv reagiert. Aus Studien ist jedoch bekannt, dass es nach der Impfung zu Symptomen ähnlich einer leichten Erkältung wie Muskelschmerzen, Kopfschmerzen oder leichtem Fieber kommen kann. Diese sind aber um ein Vielfaches schwächer ausgeprägt als bei einer wirklichen Erkrankung. Interessantes Detail: Auch bei Personen, die mit Placebo geimpft wurden, traten Erkältungssymptome wie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und leichtes Fieber mit der gleichen Häufigkeit auf.
Richtig ist, dass es an der Einstichstelle zu leichten Rötungen, Schwellungen und Muskelschmerzen durch die Impfung kommen kann. Diese sind ein Zeichen dafür, dass der Körper auf die fremde Substanz reagiert. Diese Symptome vergehen jedoch nach kurzer Zeit wieder.
Die Impfung wirkt nicht, schließlich werden auch geimpfte Menschen krank:
Generell ist die Impfung sehr gut wirksam und senkt das Infektionsrisiko bei gesunden Erwachsenen um etwa 70 bis 90 Prozent. In Ausnahmefällen kann vorkommen, dass auch geimpfte Personen krank werden. In der Regel hat dies eine von vier Ursachen.
– Es handelt sich um einen grippalen Infekt: Dieser ist im Regelfall harmlos und hat mit der „echten“ Grippe, der Influenza, nichts zu tun. Daher hilft die Influenza-Impfung auch nicht.
– Die Ansteckung ist vor oder kurz nach der Impfung passiert. Da es etwa zwei Wochen dauert, um den Impfschutz vollständig aufzubauen, ist in dieser Zeit eine Ansteckung möglich.
– Das Virus, dem jemand ausgesetzt war, weicht stark von jenen ab, die in der aktuellen Impfung enthalten sind. Das kommt nur selten vor, da die Impfstoffzusammensetzung auf einer wissenschaftlichen Vorhersage der WHO beruht. Basis ist die zu erwartende Virenzirkulation. In manchen Saisonen verläuft sie jedoch anders als prognostiziert, die herkömmlichen Impfstoffe wirken dann nicht so gut. Alle bisherigen Daten dieser Saison in Österreich zeigen allerdings, dass der diesjährige Impfstoff die zirkulierenden Stämme sehr gut abdeckt.
– Die Impfung wirkt nicht bei jedem Menschen gleich gut. Bei älteren Personen wird das Ansteckungsrisiko durch die Impfung etwas weniger stark reduziert als bei jüngeren. Trotzdem ist Impfen der beste Schutz.
Sollte einer dieser Fälle tatsächlich auftreten, verläuft die Erkrankung aber fast immer milder als bei nicht geimpften Personen.
Wer im Vorjahr an Influenza erkrankt ist oder geimpft war, kann sich die Impfung heuer ersparen:
Auch das ist ein Irrtum. Die Influenza-Viren ändern sich laufend, daher müssen die Impfstoffe jede Saison neu angepasst werden. Außerdem lässt der Schutz durch die Impfung im Laufe der Zeit nach und muss jährlich aufgefrischt werden.
Die „echte“ Grippe verläuft ähnlich wie eine schwere Erkältung und ist somit harmlos:
Stimmt nicht. Im Gegensatz zu einer Erkältung kann eine echte Grippe im Ernstfall sogar lebensbedrohlich sein. Besonders gefährlich sind Superinfektionen, also zusätzliche (bakterielle) Infektionen, die dadurch entstehen können, dass das Immunsystem mit der Bekämpfung der Influenzaviren beschäftigt ist. Auf diese Art und Weise kann es z.B. zu einer schweren Lungenentzündung kommen. Besonders für ältere Menschen und Risikopersonen mit chronischen Erkrankungen kann die echte Grippe sehr gefährlich werden. In der Saison 2014/15 sind mehr Menschen an den Folgen einer Influenza verstorben als auf Österreichs Straßen.
Man muss sich nur dann impfen lassen, wenn Menschen in der eigenen Umgebung an Influenza erkranken:
Das ist der falsche Weg, da es zwei Wochen dauert, um den vollen Impfschutz aufzubauen.
Allergiker sollten sich lieber nicht impfen lassen:
Grundsätzlich können Allergiker gegen Influenza geimpft werden. Einzige Ausnahme: Personen mit einer schweren Hühnereiweißallergie sollten streng überwacht werden, um einen allergischen Schock im Ernstfall sofort behandeln zu können. Studien zufolge kommen aber auch bei diesen Personen schwere allergische Reaktionen gleich selten vor wie bei Personen ohne Hühnereiweißallergie.
Die Grippeimpfung schwächt das Immunsystem und man wird für andere Atemwegserkrankungen anfälliger:
Nach heutigem Stand der Wissenschaft besteht kein Zusammenhang zwischen einer Influenzaimpfung und anderen Atemwegserkrankungen. Impfungen stellen generell für das Immunsystem keine Belastung dar.
Influenza ist nur für ältere Menschen gefährlich:
Influenza kann grundsätzlich jeden treffen und mitunter auch langwierig und komplikationsreich verlaufen. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, also vorwiegend durch Husten und Niesen. Kinder, Schwangere, ältere Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten sind besonders gefährdet, Komplikationen zu erleiden. Für sie ist die Impfung besonders wichtig. Ebenfalls impfen lassen sollten sich jene, die in engem Kontakt mit Personen aus den genannten Risikogruppen stehen. Auch das trägt zu deren Schutz bei.
Antibiotika helfen gegen Influenza:
Antibiotika nützen nur bei bakteriellen Infektionen. Influenza ist aber eine Erkrankung, die durch Viren ausgelöst wird. Dennoch werden oft Antibiotika verschrieben. Durch übermäßigen Antibiotikaeinsatz entwickeln leider Bakterien immer mehr Resistenzen und Antibiotika wirken dann bei jenen Menschen nicht mehr, die sie wirklich brauchen. Wer sich gegen Influenza impfen lässt, tut indirekt also auch etwas gegen die gefürchtete Antibiotikaresistenz. Außerdem können sogenannte antivirale Medikamente die Erkrankung abmildern, sofern sie rechtzeitig eingenommen werden.
Nach November ist es zu spät für eine Impfung:
Der beste Zeitraum für eine Impfung ist die Zeit von Oktober bis November, da die Grippesaison normalerweise erst im Jänner oder Februar richtig beginnt. Aber manchmal kommt eine Grippewelle schon früher, ebenso wie heuer schon im Dezember. Auch am Beginn einer Grippewelle, ist es noch immer nicht zu spät, sich impfen zu lassen. Selbst wenn der Impfschutz noch nicht vollständig aufgebaut ist, fallen bei einer Infektion die Symptome meist deutlichgeringer aus. Und manchmal gibt es zwei Grippewellen mit verschiedenen Stämmen hintereinander. Daher lohnt es sich auf jeden Fall auch noch nach dem Jahreswechsel impfen zu gehen.