Wie erfolgreich Impfungen und Impfprogramme sein könn(t)en, zeigt sich am Beispiel der Masern. Vor Einführung der Impfung in den 1960er Jahren starben jährlich etwa 2,6 Millionen Personen an den Folgen dieser Infektionskrankheit. 2016 waren es dank Impfung erstmals weniger als 100.000. Dennoch könnte sie bereits ausgerottet sein, wenn die weltweite Durchimpfungsrate hoch genug wäre. Das gilt auch für die EU und Österreich. Ein Problem, das es auch bei anderen Impfungen gibt. Genau darauf macht neben der WHO auch das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in der European Immunization Week von 23. bis 29. April 2018 aufmerksam. Der Verein zur Förderung der Impfaufklärung (VFI) wünscht sich auch in Österreich eine Reihe von Maßnahmen, um die Durchimpfungsraten weiter zu verbessern.
Beispiel Masern
2017 wurden in Österreich 95 Masernfälle gemeldet. Und das, obwohl die kombinierte Masern-Mumps-Röteln-Impfung im Gratis-Kinderimpfprogramm enthalten ist und jeder Erwachsene, der nicht oder nicht ausreichend geimpft ist, dies gratis nachholen kann. Um die Masern langfristig hintanhalten zu können, braucht es eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent mit zwei Dosen. Diese ist derzeit nicht erreicht. Mit Hilfe eines aufwendigen mathematischen Simulationsmodells, in das Daten aus verschiedenen Quellen eingearbeitet wurden, konnte 2016 errechnet werden, dass unter anderem in der Altersgruppe der zwei- bis fünfjährigen Kinder nur 92 Prozent geimpft waren, weitere 10 Prozent davon nur mit einer Impfdosis. Auch in anderen Altersgruppen wurden Impflücken gefunden. Mit diesem Know-how können und wurden auch bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet. Den Erfolg wird man in den nächsten Jahren beurteilen können.
Elektronischer Impfpass dringend benötigt
Anhand dieses Beispiels sieht man, wie kompliziert es sein kann, Durchimpfungsraten zu errechnen und Impflücken zu erkennen. Bei anderen impfpräventablen Krankheiten liegen dazu kaum Daten vor. Die errechneten Durchimpfungsraten bei Influenza werden beispielsweise nur anhand der abgegebenen Impfdosen der Hersteller geschätzt. Um, wie bei Masern, gezielte Maßnahmen einleiten zu können, braucht es aber fundierte Daten. „Diese können nur durch die Einführung eines elektronischen Impfpasses gewährleistet werden. Zumindest aber brauchen wir die Eintragung der Impfungen in die Elektronische Krankheitsakte (ELGA)“, fordert Dr. Christiane Körner, Präsidentin des VFI.
Schulimpfprogramm verbessern
Eine weitere Maßnahme könnte am Schulimpfprogramm ansetzen. Dieses setzt Teile des Gratis-Kinder-Impfkonzepts um, in dem viele wichtige Impfungen enthalten sind, die im Kindesalter laut Impfplan empfohlen sind. Die genaue Vorgangsweise dabei kann jedoch von Bundesland zu Bundesland und sogar von Schule zu Schule variieren. „Das kann an manchen Schulen auch zu Lasten der Qualität gehen“, befürchtet Körner. „Besser wäre eine bundesweite Vereinheitlichung des Schulimpfsystems und der Impfstrategien in Schulen mit dem Ziel einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Impfungen für alle Kinder zu gewährleisten.“ Verbesserungspotenzial gäbe es ihrer Meinung nach aber noch bei einem weiteren Punkt des Schulimpfgrammes. Dieser betrifft die aktiven Einverständniserklärungen, die Eltern abgeben müssen, damit die Impfungen überhaupt durchgeführt werden können. „In anderen Ländern gibt es die umgekehrte Regelung, nach der Eltern der Impfung ihrer Kinder ausdrücklich widersprechen müssen“, erläutert Körner. „Verschiedene Daten weisen darauf hin, dass so die Durchimpfungsraten weiter gesteigert werden könnten. Daher könnte das auch für Österreich eine gute Option sein.“
Unterstützung für Ärzte und Patienten
Das ECDC hat bereits 2012 drei Punkte aufs Tapet gebracht, um den Patienten den Weg zum Erhalt nicht nur der Masern-, sondern aller notwendigen Impfungen, zu erleichtern. Dazu gehört auch eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Laut ECDC notwendig wären ausführliche Gespräche, in denen Eltern und Patienten ihre Bedenken und Sorgen äußern können und auf die der Arzt dann individuell eingehen kann. „Dazu braucht es aber die geeigneten Rahmenbedingungen“, so Körner. Ebenfalls festgestellt wurde, dass Ärzte oft zu wenig Zeit für derartige Gespräche haben. „Eine mögliche Abhilfe wäre, wenn Impfungen und Impfgespräche abseits der sonstigen Arztbesuche stattfinden würden, in denen es ja meist primär um ein anderes Gesundheitsproblem der Patienten geht. Impfungen könnten ja auch am Arbeitsplatz durch Betriebsärzte oder andere speziell dafür zuständige Ärzte verabreicht werden, Informationen und Impfstoffe gibt es in jeder Apotheke“, so die VFI-Präsidentin. Auf diese Art und Weise bliebe mehr Zeit für das ärztliche Gespräch rund um die Impfung selbst und gleichzeitig wäre es auch für die Patienten leichter, an die Impfungen zu gelangen. Ein Aspekt, der übrigens auch vom ECDC ins Treffen geführt wird.
Der dritte Punkt, der vom ECDC vorgeschlagen wird, betrifft den Fokus der Impfdiskussionen: Wesentlich sei hier das Thema Schutz durch Impfung, sowohl der eigene als auch der von anderen. Dieses müsste adäquat transportiert werden. „Hier benötigen wir zusätzliche Unterstützung durch die öffentliche Hand“, betont Körner. „Glaubwürdig ist eine Information dann, wenn sie aus glaubwürdiger Quelle kommt. Das sind einerseits staatliche Institutionen und andererseits Ärzte und Apotheker. Wir brauchen also mehr Impfkampagnen, die vom Gesundheitsministerium oder den Ländern finanziert werden sowie Unterstützung für das Gesundheitspersonal in Form von Weiterbildungsmaßnahmen.“
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