Bewusstseinsbildung für das Impfen auf höchster Ebene: Das macht die WHO im Rahmen der World Immunization Week alljährlich in der letzten Aprilwoche. So auch dieses Jahr, und zwar aus gutem Grund: Denn je höher die Durchimpfungsraten, desto mehr schwere, aber eigentlich impfpräventable Erkrankungen und Todesfälle könnten vermieden werden.
In Österreich gibt es breite Impfempfehlungen, ein gut etabliertes Kinderimpfkonzept, aber leiderkeine Kostenübernahme für wichtige Impfungen im Erwachsenenbereich. Somit sind die Durchimpfungsraten bei vielen Impfungen zu niedrig. Aus Sicht der impfstoffherstellenden Industrie sind die Ursachen dafür vielfältig. Auch für Notfälle (z.B. wie bei Masernausbrüchen) ist das Gesundheitssystem nicht optimal gerüstet. Der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) legt daher nun ein 7-Punkte-Papier vor, das die Politik auffordert, gemeinsam mit allen beteiligten Institutionen inklusive Einbindung der Hersteller diese Mängel zu beheben und das österreichische Impfwesen zum Wohle der Bevölkerung zu optimieren.
Ein Zurückkehren der Masern, jährlich im Schnitt mehr als 1.000 Grippetote und wieder steigende FSME-Fallzahlen. Das ist die aktuelle Situation in Österreich. Gegen alle drei Erkrankungen sowie gegen viele weitere gibt es Impfstoffe. Sie müssten nur in noch höherem Maße eingesetzt werden, um die Situation zu verbessern. Mittlerweile fordern viele wichtige Stellen im Gesundheitsbereich, zum Beispiel die österreichische Ärztekammer, das Österreichische Hebammengremium und die Österreichische Krebshilfe, Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsraten und auch eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal. Anlässlich der bevorstehenden World Immunization Week (24.-30.4.) zeigt der ÖVIH mit seinem Nationalen Aktionsplan Impfen auf, was aus seiner Sicht dafür notwendig ist:
.) Definition von gesundheitspolitischen Zielen und Monitoring
Der erste Schritt aus Sicht des ÖVIH sind genau definierte Ziele hinsichtlich der Durchimpfungsraten zu allen im Österreichischen Impfplan vorgesehenen Impfungen. Darauf aufbauend müssten die tatsächlichen Durchimpfungsraten jetzt und in regelmäßigen Abständen erhoben werden, um festzustellen, wo noch Handlungsbedarf besteht. „Momentan gibt es nur Schätzungen der Hersteller basierend auf abgegebenen Impfstoffdosen beziehungsweise Marktforschungen. Sinnvoll wäre es aber, die Durchimpfungsraten tatsächlich österreichweit zu erfassen, zum Beispiel mit Hilfe des geplanten elektronischen Impfpasses beziehungsweise bis zur Einführung mit Meinungsforschung oder anderen Methoden.“, erläutert Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH.
.) Regelmäßige Erhebung der Impf-Einstellungen der Bevölkerung
Um sinnvolle Maßnahmen setzen zu können, muss man auch die Einstellung der ÖsterreicherInnen zu den einzelnen Impfungen kennen. Der ÖVIH fordert dazu daher regelmäßige Erhebungen von öffentlicher Seite. „Als Industrie haben wir bereits einen ersten Schritt gesetzt und zu mehreren Impfungen Daten erheben lassen, die wir im Rahmen der World Immunization Week veröffentlichen werden. Zukünftig muss dies aber von der öffentlichen Hand gemacht werden.“, so Gallo-Daniel.
.) Elektronischer Impfpass für alle Altersgruppen
Der elektronische Impfpass ist ja bereits geplant und wird auch erhebliche Verbesserungen für das Impfwesen bringen. Aus Perspektive des ÖVIH ist wichtig, dass alle Altersgruppen und alle Impfdaten damit zentral erfasst werden, einzelne Subgruppen aber auch anonymisiert auswertbar sind. Der elektronische Impfpass sollte außerdem eine Erleichterung für die Ärztin beziehungsweise den Arzt bringen, was personalisierte Impfempfehlungen betrifft.
.) Strategische Bedarfsplanung
Da die Produktion von Impfstoffen sehr komplex ist, kann sie bis zu zwei Jahre lang dauern. Gallo-Daniel: „Das bedeutet in der Praxis, dass die Hersteller frühzeitig über den notwendigen Bedarf informiert und in die Impfstrategien der gesundheitspolitischen Entscheidungsträger eingebunden werden müssen. Eine regelmäßige und rechtzeitige Abstimmung zwischen Politik und Industrie ist unbedingt erforderlich.“
.) Beschaffungssystem optimieren
Momentan existiert in Österreich ein zweigeteiltes Beschaffungssystem: Die Impfstoffe für das Kinderimpfkonzept werden via Ausschreibung nach dem Billigstbieterprinzip eingekauft, es kommt nur ein Anbieter zum Zug. Solche Ausschreibungen untergraben Innovationen und gefährden die Versorgungssicherheit. Für die Erwachsenenimpfstoffe gibt es auf der anderen Seite gar keine definierten Bedarfsmengen, da sie nicht von der öffentlichen Hand finanziert werden. „Sinnvoll wäre, wenn beide Bereiche zwischen Herstellern und Industrie koordiniert würden und es so rechtzeitig definierte Impfstoffmengen gäbe, die auch verpflichtet abgenommen werden.“, erläutert die ÖVIH-Vize-Präsidentin Mag.a Sigrid Haslinger.
.) Aufklärungskampagnen unterstützt durch die öffentliche Hand
Damit sich die BürgerInnen ihre eigene Meinung zum Thema Impfen bilden und fundierte Entscheidungen treffen können, benötigen sie eine entsprechend seriöse Information aus unabhängiger Quelle. „Diese kann nur von der öffentlichen Hand gemeinsam mit ÄrztInnen und ApothekerInnen kommen.“, zeigt sich Mag. Bernhard Prager, Generalsekretär überzeugt. „Solche Kampagnen müssen heutzutage über viele Kanäle durchgeführt werden, sowohl online als auch analog.“
.) Harmonisierungen und Vereinfachungen der europäischen Kennzeichnungsverordnungen
Für die Impfstoffhersteller überhaupt nicht mehr zeitgemäß sind die europäischen Produkt- und Verpackungsvorschriften, die einen raschen Austausch von Impfstoffen innerhalb der EU im Falle einer Krise unmöglich machen. Gallo-Daniel: „Einzelne nationale Bestimmungen sind hier hinderlich, wir brauchen einheitliche Regelungen auf europäischer Ebene.“
Quelle: Fine Facts Health Communication
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