Wie gesagt, ich versteh´ die Welt nicht mehr. Will sie manchmal aber auch nicht mehr verstehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Welt versteht mich auch nicht mehr. Und so verzweifle ich jeden Tag meisterlich an den komischen Dingen, den großen Kleinigkeiten und anderen Stückskes meines absurden Alltags. Und so frage ich mich: Wie kann das alles? Und wo kommt das alles her? Im Großen wie im Kleinen?
Letztlich die uralte Frage: War erst das Huhn oder das Ei? Die Frage könnte aber noch weitergehen: Was wird bleiben: Huhn oder Ei? Du kommst als Ei auf die Welt und verlässt es – mit Huhn als Zwischenstation – als Spiegelei. Ein einziger Kreislauf. Oder Kreisverkehr. Kommt man nicht raus. Egal, ob Huhn oder Ei oder Spiegelei.
Ein Beispiel: Letztens sagte meine ständige Begleiterin: „Lass uns doch mal ganz spontan irgendwo hinfahren.“ Hab´ erst mal nur geguckt. Kann ich besonders gut. „Nichts Dolles. Ein paar Tage. Nur wir zwei. Ganz ungestört.“ Haben wir dann auch gemacht. Das ganze Spontane wurde drei Monate lang geplant, irgendwo war in dem Fall Rom, nichts Dolles, hieß drei Koffer mit Übergewicht, ein paar Tage war eine gute Woche, nur wir zwei waren Tausende von Touristen und Italienern.
Rom. Der Ursprung des Ganzen. Alle Wege führen nach Rom. Und auch in Rom führen viele Wege durch Rom. Hab´ mich nur verlaufen. Aber es ist der Nabel der Welt, Zentrum des geistigen Lebens. Und dazu noch der Vatikan. Wenn ich Pfaffen gucken will, kann ich auch nach Kevelaer. Und sie sagte noch: „Aber wir machen nicht viel in Sachen Kultur oder so.“
Und was war? Wir sind in jedes Museum? Und in die Sixtinische Kapelle. Wir schauten uns da um und auf einmal standen neben uns zwei Einheimische. Also Leute aus dem Ruhrgebiet. Kannten sich wohl nicht wirklich, war wahrscheinlich eine Reisegruppe. Und plötzlich sagte der eine zum anderen: „Hömma, wo is denn getz diese Sixtinische Kapelle? Ich hab ja selbst jahrelang Heimorgel…“ Und der andere: „Hier ist die Sixtinische Kapelle.“
„Also, ich hör nix. Da is man ma in Rom un dann spielen die nich…! Un getz such ich de ganze Zeit dat Bild mittem Finger. Da fährsse ma hia hin un dann hamse dat abgehängt. Also für dat Geld machen wa dat nich nomma.“
„Da müssen Sie nach oben schauen.“
„Wie?! Dat hamse anne Decke gehängt?! Sind die bekloppt? Da sieht dat do keiner.“
„Das hängt an der Decke, weil es ein Deckengemälde ist.“
„Was soll dat denn? Ich lauf mir´n ganzen Tach die Füße platt, nur dat ich mir getz den Quatsch hia anne Decke angucken kann?! Krisse do´n steifen Hals vonne Hochguckerei von.“
„Das ist ein Kunstwerk.“
„Ja un? Kannze doch trotzdem anne Wand hängen. Wat soll dat Ganze denn darstellen?“
„In dem Bild geht es um die Erschaffung der Welt.“
„Jou. Sonz nowat?! Abba wennet mehr nich is… Un wer erklärt uns getz das Bild?! Un übbahaup: dat dat hia hängt… Sowat mal ich Dir au.“
„Wir sind hier in einer Kapelle, die zum Apostolischen Palast gehört. Hier wird das Konklave abgehalten. Hier hängen einige der berühmtesten Gemälde der Welt.“
„Hömma, wat ich seh, dat seh ich selba. Abba wat dat allet heißen soll, dat seh ich nich.“
„Also an den Wänden hängen Gemälde aus der Renaissance, die zeigen Szenen aus dem Leben Jesu und Mose. Die Künstler sind unter anderem Michelangelo, Botticelli, Rosselli. Die Deckenfresken hat Michelangelo in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge gemalt. Später wird die Darstellung monumentaler, es mischen sich Bilder aus der Bibel mit Bildern aus der griechischen Mythologie.“
Dann: „Hömma, wennet selbs nich weiß, dan lasset doch! Muss mir hia keinen vom Pferd erzählen.“
„Das Bildprogramm des Deckengemäldes wird neuplatonisch gedeutet.“
„Wat du da all drin siehs… Du hasse doch nicht mehr alle.“
„Die Tableaus zeigen den Aufstieg der in Leiblichkeit und Laster befangenen menschlichen Seele zurück zu ihrem göttlichen Ursprung.“
„Jou, du mich au. Un wann will der dat gemacht haben?“
„Zwischen 1508 und 1512.“
„So lang? Da hätter sich abba au mehr Mühe geben könn. Wat macht der Mann denn beruflich?“
„Das ist Renaissance.“
„Na un? Heiß do nix! Ich hab do noch den Hirschen auffer Lichtung innet Wohnzimmer überm Sofa am hängen. Wat meinze, der würd da gut hia hinpassen.“
„Den nehmen die hier nicht.“
„Wieso dat denn? Denken wohl, se sin wat Besseret, wa?! Abba so kenn ich se, de Brüder. Soll ich dir ma wat sagen? Mein Hirsch, der würd dat Ganze hia ma´n bissken auflockern. Abba ich sach dir einet: Wennse mein Hirsch nich wollen, dann könn se mir mit ihrem Michel hia au wech bleim. Abba samma… Wo is denn getz dat Ding mittem Finger?!“
„Da, fast in der Mitte, die Erschaffung Adams. Die bald stattfindende Berührung der Finger zeigt, dass der geistige Funke überspringt. Die Erweckung zum Leben.“
Er guckt konzentriert, dann: „Dat is abba klein. Un dafür fahren wir extra nach Rom?! Dat hängt inner Pizzeria vonnem Luigi in Wanne-Eickel abba größer.“
Und da war es wieder: das goldene Ei. Oder vielleicht doch Spiegelei.
oepb-Rezension:
Man kann Kai Magnus Sting nicht großartig erklären, man muss den Duisburger Kabarettisten einfach live erleben! Sei es anhand eines Abends auf der Bühne, oder aber – wie hier erwähnt – im Rahmen einer Hör-CD.
Seine Ausführungen über das Ruhrgebietsleben mit all den Höhen und Tiefen, sowie die herrlich wahrhafte Darstellung der lebenden Menschen dort sorgt immer wieder für Lachstürme und somit einhergehenden Muskelkatern in der Zwerchfell-Gegend seines begeisternden Publikums.
Kai Magnus Sting – immer wieder gerne und immer wieder ein wahres Eldorado für die Gehörgänge.
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