Mit dem Ableben von Theodor „Turl“ Wagner am 21. Jänner 2020 in Wien wurde nun auch der SC Wacker Wien zur endgültigen Geschichte. Solange der Turl am Leben war, solange war auch „die Wacker“ noch irgendwie aktiv und lebendig. Turl Wagner riss nun seine große Liebe mit in den Tod.
Der Theodor, der Theodor, der steht bei uns im Fußballtor
Dieser Fußball-Evergreen der Nachkriegszeit, herrlich interpretiert von Theo Lingen im Dress des TSV 1860 München, erlangte ab dem Jahre 1948 Berühmtheit. Zu dieser Zeit war unser hier beschriebener Theodor aus Wien bereits 21 Sommer jung und für den SC Wacker Wien aktiv. Den Beinamen „Turl“ bekam Theodor Wagner übrigens bereits sehr früh von seinem Vater verliehen: „Mein Papa war ein fröhlicher Mensch, der von einem Komiker seiner Zeit, einem gewissen Turl Wiener sehr angetan war. Daher übertrug er den Turl auf mich!“, so Theodor „Turl“ Wagner in seiner Erinnerung.
Geboren in Wien
Theodor Wagner wurde am 6. August 1927 in Wien geboren. Bis auf wenige Ausnahmen blieb er der Wiener Stadt (s)ein Leben lang verbunden. Im 12. Wiener Gemeindebezirk – Meidling – existierte damals noch der SC Wacker Wien. Diesem Verein schloss sich Turl Wagner ab 1941 an. Zuvor war er für Phönix XII und MFC 12 aktiv. „Mein fußballerisches Vorbild war der Hahnemann Willy und vom Zischek Karli, der mein väterlicher Betreuer beim Verein war, konnte ich mir auch eine ganze Menge abschauen.“, so Wagner über seinen Einstieg bei Wacker Wien.
Doublesieger 1946/47
„Wir hatten damals eine sehr gute Mannschaft nach dem Krieg und waren immer vorne mit dabei. 1947 reichte es zum Doublesieg mit Wacker, wir holten also nicht nur die Meisterschaft, sondern auch den Cup nach Meidling.“, erinnerte sich Turl Wagner lebhaft zu Lebzeiten an diese für ihn sportlich hervorragend verlaufenen Jahre in der höchsten österreichischen Spielklasse, die seinerzeit übrigens noch als reine „Wiener Liga“ firmierte.
3. Platz bei der WM in der Schweiz
Die Deutschen riefen um die Jahrtausendwende ihr „Wunder von Bern“ aus. Nämlich jener Umstand, der es mit sich brachte, dass sie im Endspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Regenschlacht von Bern dem haushohen Favoriten Ungarn nicht nur Paroli geboten hatten, sondern auch den unerwarteten Weltmeistertitel im Ausmaß eines 3 : 2-Finaltriumphs für sich verbuchen konnten. Zeitlebens trauerte Turl Wagner dieser großen Final-Chance einer österreichischen Fußball-Nationalmannschaft nach: „Wir hätten auch gegen Ungarn im Endspiel eine Chance gehabt. Unser 3 : 1 im Spiel um Platz drei gegen Uruguay erschien uns letztlich als schwacher Trost, weil zuvor das 1 : 6 im Semifinale gegen den späteren Weltmeister Deutschland zu sehr an uns nagte.“ Da nützte es freilich auch wenig, dass Turl Wagner zuvor anlässlich der „Hitzeschlacht von Lausanne“ im Viertelfinale drei Tore gelangen, als Österreich bei glühender Hitze einen 0 : 3-Rückstand in einen 7 : 5-Erfolg über den WM-Gastgeber Schweiz feiern konnte. Dieses Match ist übrigens bis heute das Spiel mit den meisten Toren – nämlich 12 – bei einer Fußball-WM.
Unrühmlicher Abgang beim ÖFB
„Damals, 1957, bat ich Teamchef Pepi Argauer beim Match gegen Deutschland mich nicht zu berücksichtigen, weil kurz zuvor mein acht Monate alter Sohn verstorben war. Argauer stellte mich trotzdem auf, wir verloren im Stadion 2 : 3, mir gelang ein Tor und das war es dann in der Österreichischen Nationalmannschaft für mich.“, so Turl Wagner, der in der Zeit von 10. November 1946 bis 10. März 1957 46 Mal den Österreichischen Bundesadler auf der Brust trug und dem dabei 22 Tore gelungen waren.
Aus Meidling nach Linz
… oder aber vom 12. Hieb Schuss auf die Gugl. Nach 291 Meisterschaftsspielen, in denen ihm 175 Tore gelungen waren, wechselte Theodor „Turl“ Wagner 1959 zum SV Stickstoff Linz. Mit dem späteren SV Chemie Linz – heute unter dem Namen SV Franckviertel im Unterhaus beheimateten Fußballverein – stieg Wagner im Sommer 1960 ins Oberhaus auf. Für die Linzer Werksmannschaft gelangen ihm in 52 Spielen 19 Tore. Aus Linz ging es für ihn 1962 weiter zum FC Wacker Innsbruck, doch nach dem Abstieg „seines“ SC Wacker Wien 1961 – dem ersten übrigens seit 1914 – war die alte Liebe größer, und Turl Wagner half 1963/64 mit, den SC Wacker Wien aus der Regionalliga Ost wieder ins Oberhaus zu manövrieren. Im Sommer 1964 nahm er endgültig Abschied von der Fußball-Bühne und betrieb fortan ein Schuhgeschäft in seinem Heimatbezirk Meidling.
Turl Wagner und sein SC Wacker Wien
„Meidling war ein Arbeiterbezirk und das einzige Vergnügen der Leute bestand darin, am Samstag oder Sonntag auf den Wackerplatz zu gehen. Wenn ich vom Wienerberg am Wackerplatz runtergangen bin, zum Beispiel durch die Ruckergasse oder die ganzen anderen Gassln, dann san de Leit´ scho draußen g´standen, vorm Haus. Die meisten von ihnen waren Markthelfer, Arbeiter und die ham dann g´sagt zu mir: Bua geh´ obe, wir kommen eh glei noch.“, so der nun im 92. Lebensjahr verstorbene Theodor „Turl“ Wagner über seine Wacker und die Meidlinger.
Bei einer Fusion stirbt immer einer
Die Zusammenlegung von zwei Fußballvereinen bringt immer die Gefahr mit sich, dass einer gänzlich in der Versenkung verschwindet. Der Wiener Athletik Club ging 1973 in einer Spielgemeinschaft mit der Wiener Austria auf. Und auch an den SK VÖEST Linz 1997 als FC Linz mit dem Linzer ASK „verschmolzen“ erinnert heute so gut wie nichts mehr. Ähnlich verhält es sich beim SC Wacker Wien. Im Jahre 1971 fusionierten der SK Admira Wien aus dem 21. Wiener Gemeindebezirk Jedlesee und der SC Wacker Wien aus Meidling zum FC Admira/Wacker. Der Clou dabei war, beide Vereine auch ihrer jahrzehntelangen und angestammten sportlichen Heimat zu berauben und dieses Fusions-Ungetüm – 1997 gesellte sich übrigens auch noch der VfB Mödling zu diesem Konstrukt hinzu – in die Südstadt im Süden Wiens zu platzieren. Jahrzehntelang wunderte man sich dann darüber, warum dieser Verein, der sportlich auch sehr gute Saisonen verzeichnete, kaum mehr als 1.000 Zuschauer zu seinen Heimspielen begrüßen konnte. Alt-Admiraner und Alt-Wackerianer zogen nicht mit zu Admira/Wacker, ganz im Gegenteil, man mied das neu erschaffene Areal vor den Toren Wiens wie der Teufel das Weihwasser.
Der Turl war die Wacker
Theodor „Turl“ Wagner wurde nie müde, seine Wacker zu Lebzeiten permanent am Leben zu erhalten, wenngleich doch dieser Verein genau genommen bereits 1971 von der Fußball-Landkarte verschwunden war. Wenn man auf ihn traf und mit ihm sprach, dann fiel sehr rasch schon der Name Wacker. Er setzte sich Mitte der 1970er Jahre auch vehement dafür ein, dass sein „Wohnzimmer“ nicht verbaut wird. „Rettet den Wackerplatz!“, diese Initiative, die immerhin 26.000 Unterschriften erzielen konnte, wurde von ihm in einer Vorreiter-Rolle unterstützt. Freilich half alles nichts und ab 1978 begannen die Abrissarbeiten an Weigls-Dreherpark zu Wien-Meidling. Wenigstens wird auf dem Areal noch Sport betrieben. Ein Mehrzweckplatz, der hauptsächlich von Schulen genützt wird, befindet sich heute dort.
Das WACKER Lied
In memoriam Theodor „Turl“ Wagner
Der Turl Wagner besaß als Fußballspieler Weltklasseformat. Er galt als Techniker und Torjäger. Austria und Rapid ritterten alljährlich um seine Verpflichtung, auch der AC Milan wollte ihn. Aus Marseille lag ein Traum-Angebot vor. Bloß die damaligen ÖFB-Bestimmungen unter Präsident Ing. Hans Walch verhinderten eine Auslandskarriere von ihm. Und dennoch blieb er stets zufrieden und blickte auf seine Laufbahn voller Stolz zurück. „Wir hatten nach dem Krieg nicht viel und damit es mehr wurde, versuchten wir, einfach gut Fußball zu spielen. Dies war unser tägliches Brot. Und nach der Karriere hatten alle von uns ein anderweitiges Standbein, bei mir war es der Schuhhandel.“, so einer der letzten Fußballer-Größen Österreichs einer längst verschwundenen Epoche.
Mach´s gut, Turl, irgendwo dort, wo die alten Freunde und Kollegen der „Goldenen Österreichischen 1954er Generation“ bereits hin entschwunden sind …
Quelle: oepb
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