ZUM 70. GEBURTSTAG: Hör-CD Cover DIE STRUDLHOFSTIEGE von Heimito von Doderer. Foto: ORF Shop

Die im IX. Wiener Gemeindebezirk (Alsergrund) gelegene „Strudlhofstiege“ genannte Treppenanlage ist Dreh- und Angelpunkt von Intrigen und Verstrickungen: Hier begegnen sich nicht nur die leichtfüßige Editha Schlinger und ihr betrogener Geliebter René Stangeler, sondern auch Amtsrat Melzer in seinem kleinbürgerlichen Glück und der deutsche Bonvivant und Genussmensch Rittmeister von Eulenfeld.

Hörspielbearbeiter Helmut Peschina vereint gekonnt Gegenwart und erinnerte Vergangenheit und schafft die hingebungsvolle Wahrnehmung des Gleichzeitigen, die Doderer so am Herzen lag.

Schon nach einigen Worten von Peter Matić, Leslie Malton, Peter Simonischek, Felix von Manteuffel und noch viele andere mehr befindet sich der Hörer in einer anderen Welt.

„Eine epische Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Gesellschaft schlechthin.“, so der Publizist und Autor Marcel Reich-Ranicki in seiner Kritik.

Heimito von Doderer

Franz Carl Heimito (bis 10. April 1919: Ritter von) Doderer (* 5. September 1896 in Hadersdorf-Weidlingau bei Wien; † 23. Dezember 1966 in Wien).

Geboren wurde Heimito von Doderer (Pseudonym: René Stangeler) 1896 in Hadersdorf-Weidlingau im Haus Stammgasse 12 und er verbrachte hier auch seine Jugend. Sein Vater war ein angesehener Architekt, der u.a. an der Wienflussregulierung, sowie beim Bau der Wiener Stadtbahn mitwirkte. Er war ein österreichischer Schriftsteller und Dichter. Sein bekanntestes Werk ist der Roman „Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre“, erschienen 1951, sein umfangreichstes Werk „Die Dämonen“ von 1956. Weitere Bekannte Werke sind noch „Die Merowinger oder Die totale Familie“ (1962), sowie „Die Wasserfälle von Slunj“ (1963).

Doderer diente ab 1915 als „Einjährig-Freiwilliger“ beim Militär und geriet 1916 (bis 1920) in russische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr studierte er in Wien Geschichtswissenschaften und Psychologie (Dr. phil. 1925). Seit 1921 war Heimito von Doderer als freier Schriftsteller in seinem Einmann-Verlag tätig. Sein erster Roman „Das Geheimnis des Reiches“ erschien 1930.

1933 war er kurzzeitig Mitglied der NSDAP, von der er sich jedoch alsbald wieder abwandte. Ab dem Jahre 1937 war Doderer Verlagslektor in München, wo 1938 auch sein Roman „Ein Mord, den jeder begeht“ erschien. Ab 1940 dann erneut der Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg, den er unbeschadet überstand. Ab 1946 lebte Doderer wieder in Wien, wo er auch die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. 1957 erhielt er den „Großen Österreichischen Staatspreis“, 1964 den „Großen Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste“ verliehen. Im Dezember 1966 verstarb Heimito von Doderer während der Arbeiten für seinen neuen Roman „Der Grenzwald“ an Dramkrebs.

Heimito von Doderer vor der Strudlhofstiege. In seinen Romanen “Die Strudlhofstiege“ und „Die Dämonen“ überschreitet er durch Assoziationen, Reflexionen und Kommentare, sowie die Einbeziehung des Dämonischen und Unergründbaren im individuellen und gesellschaftlichen Bereich die Grenzen des Naturalismus. Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Hans Weigel hatte über ihn einmal geurteilt: „Doderer schreibt einen neuen Roman. Sein Inhalt? Herr von X geht über die Ringstraße. Die ersten tausend Seiten sind schon fertig.“ Man kann dies durchaus als Kompliment auffassen.

Das oepb hat sich in aller Gemütlichkeit und in ausgewählter Runde bei Torte mit Schlagobers und Kaffee dieses 4 CD Hörspiel zu Ohren geführt und meint dazu:

Zuerst darf erwähnt werden, dass dieses hier beschriebene Heimito von Doderer Werk „Die Strudlhofstiege“ zu den absoluten Höhepunkten der deutschsprachigen Literatur im 20. Jahrhundert gehört. Die ungekürzte Lesung stammt zwar bereits aus dem Jahre 2007, ist allerdings zeitlos. Die Hörspielbearbeitung stammt von Helmut Peschina und gelesen wird das Gesamtkunstwerk von Peter Matić, Peter Simonischek, Joseph Lorenz, Stefano Bernardin und vielen anderen. Demnach wunderbar klangvolle Aussprachen und Stimmen, wie man diese heutzutage – in unserer ach so „spannenden“ Gesichtsbuch-Zeit – einfach kaum noch mehr vernehmen kann. Leider …

Erinnerungs-Tafel Heimito von Doderer an der Strudlhofstiege zu Wien. Foto: © oepb

Wie kam von Doderer auf diese Romanvorlage?

Heimito von Doderer wählte für seinen gleichnamigen Großstadtroman die im 9. Wiener Gemeindebezirk gelegene Strudlhofstiege als Dreh- und Angelpunkt. Als Erzähler agieren abwechselnd Peter Matić und Peter Simonischek. Hier begegnen einander – absichtlich oder auch zufällig – zwischen 1911 und 1925 sämtliche wesentliche Figuren des Romans. Im Mittelpunkt dabei steht jedoch der eher einfach gestrickte ehemalige k.u.k.-Major Melzer (gesprochen von Joseph Lorenz), der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als Amtsrat bei der Österreichischen Tabak-Regie angestellt ist. Mit ihm durchstreift Doderer sämtliche soziale Schichten: von der bereits vom Zerfall gekennzeichneten Donaumonarchie bis in die Zwischenkriegszeit, wenn auch die maßgeblichen Figuren – mit Ausnahme von Melzers Gattin Thea Rokitzer (gesprochen von Gerti Drassl), sie kommt aus dem Kleinbürgertum – aus dem Adel und dem Bildungsbürgertum stammen.

Bei diesen Streifzügen durch die Gesellschaft im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wird allerdings immer wieder offensichtlich, wie stark Gefühle und Verhaltensmuster der Protagonisten jedoch noch im 19. Jahrhundert verwurzelt sind, auch wenn sich die Zeiten in der Zwischenzeit fundamental ge- und verändert haben.

Doderers „Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre“, wie der vollständige Titel des Romans eigentlich lautet, gilt neben Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ (mit dem er auch von der Erzählstruktur her oftmals verglichen wurde) als einer der epochalen Großstadtromane des 20. Jahrhunderts. Bis heute wird „Die Strudlhofstiege“ auch als der Wien-Roman schlechthin angesehen

Wie kam es zur Idee des Hörbuches?

Die vorliegende Radiofassung von Doderers Roman stammt von Helmut Peschina, der das immerhin rund 900 Seiten starke Werk – nach eigenen Angaben – erst fünfmal durcharbeiten musste, ehe er mit der eigentlichen Schwerarbeit, der Dramatisierung, beginnen konnte, hat doch der Autor in der Vorlage ein überaus komplexes Geflecht von Beziehungen geschaffen.

In der insgesamt siebenwöchigen Produktionszeit im Wiener Funkhaus kamen unter der Regie von Robert Matejka insgesamt knapp 40 Schauspielerinnen und Schauspieler zum sprachgewandten Einsatz. Die Musik für diese Großproduktion hat niemand Geringerer als Kurt Schwertsik komponiert.

Gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk / Kultur hat der ORF mit der vorliegenden „Strudlhofstiege“ eines der gewaltigsten und ehrgeizigsten Projekte der jüngeren Hörspielgeschichte realisiert.

Die Strudlhofstiege von oben aus betrachtet, den einstmals starken Abhang zur Liechtensteinstraße hin in Form einer Stiegenanlage bewältigt. Foto: © oepb

Wie entstand diese berühmte Strudlhofstiege überhaupt?

In früheren Jahren – der Wiener gilt seit jeher auch als ein bisserl schlampert – war man in der Schreibung von Eigennamen nicht polizeilich-meldeamtsmäßig genau. Peter Strudel, auch Strudl geschrieben, gab dieser Liegenschaft ihren Namen.

Die Strudlhofstiege heute in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit. Foto: © oepb

Und so kam es dazu:

Zwischen 1676 und 1686 kam Strudel an den Hof in Wien und bekam dort zusammen mit seinem Bruder Paul Strudel eine Anstellung als kaiserlicher Hof- und Kammermaler. Um 1690 kaufte er in der Vorstadt, auf dem „Rücken der Schottenpoint“ ein Grundstück vom „gewesten kayserlichen Hatschieren-Rottmeister“ Romanus Bernhard Tschagon und seiner Frau Marie Polixena. Dort ließ er den Strudelhof erbauen.

Der 1714 in Wien gestorbene Maler hatte in der Vorstadt nicht nur den später zum Palais aufgewerteten Strudlhof nebst Landwirtschaft und Atelier errichtet, sondern auch die erste private Kunstakademie Europas.

Die im Jahre 1907 von Karl Lueger geleitete Stadtverwaltung gab nun ihrem Stadtbauamt den Auftrag, den starken Abhang zur Liechtensteinstraße mit einer Stiegenanlage zu bewältigen. Daher ließ die Stadt Wien durch Theodor Johann Jaeger, Ingenieur im Stadtbauamt, eine Treppenanlage im 9. Bezirk errichten, die das Gelände zwischen der Boltzmanngasse und der Liechtensteinstraße in architektonisch überzeugender Jugendstil-Handschrift überwand.

Heimito von Doderer war einer der elegantesten deutschsprachigen Nachkriegsautoren seiner Zeit und wer ihn lesen will, der braucht Sitzfleisch – und wer ihn hören will, ebenso.

Zwei Erzähler, die sich in ihren Passagen abwechseln, bringen ein jeder für sich ihre eigene Note mit. Peter Matić und Peter Simonischek ergänzen sich dabei ganz ausgezeichnet. Brigitte Karner ist als Mary K. zu hören. Ihre sanfte und gleichsam kraftvolle Stimme wirkt sehr präsent und stellt einen eindrucksvollen Charakter dar. Joseph Lorenz ist als Melzer zu hören, der facettenreich und feinsinnig spricht und dabei die sprachliche Schönheit des Werkes bestens zur Geltung bringt.Weitere der zahlreichen Sprecher, um nur einige zu nennen, sind Stefano Barnadin, Felix von Manteuffel, Fritz Hammel, Michou Friesz, Fritz Karl, Wolfgang Hübsch, Nicholas Ofczarek, Roland Knie, Petra Morzé etc. 

Die Strudlhofstiege ist auch auf dem CD-Cover zu sehen. Eine alte schwarz-weiß Fotografie, die einen interessanten und zurückblickenden Eindruck hinterlässt.

Diese 4 Hör-CDs sind ein kleines Schatzkästchen und ein wahres Schmuckstück für alle Hörbuchliebhaber und auch für Menschen, die gerne gehobene Literatur wertschätzen, sich aber nicht die Zeit zum Lesen nehmen können oder wollen. Und um den Wiedereinstieg nach einer Hör-Pause zu erleichtern, haben die Produzenten zirka alle 5 Minuten einen Track gesetzt.

Wir können und wollen dieses Meisterwerk nur empfehlen! Der unvergleichliche Karl Farkas würde dazu sagen: „Schauen (in diesem Falle hören) Sie sich das an!“

Heimito von Doderer
DIE STRUDLHOFSTIEGE
4 CD Hörspiel
Gesamt-Laufzeit: 4 h 22
ISBN: 978-3-89940-986-4
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