Die feierliche Zeremonie begann …

Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie wurden nun menschliche Überreste (iwi kūpuna) aus der Sammlung des Naturhistorisches Museum Wien / NHM an eine Delegation des Office of Hawaiian Affairs (OHA) zurückgegeben. An der zeremoniellen Repatriierung zweier menschlicher Schädel nahmen als Vertreter*innen des Office of Hawaiian Affairs und als Delegation der Hui Iwi Kuamo’o Mrs. Brandy Kalehua Kamohalii Caceres, Mr. Norman Christopher Moore Kaleilani Caceres und Mr. Edward Halealoha Ayau teil. Empfangen wurde die Delegation von Vizekanzler Mag. Werner Kogler als Vertreter der Bundesrepublik Österreich, von US-Botschafterin Dr. Victoria Reggie Kennedy als Vertreterin der Vereinigten Staaten von Amerika und von Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland und Anthropologin Prof. Dr. Sabine Eggers vom Naturhistorischen Museum Wien. Nach einem hawaiianischen Gebet (Pule) und Ansprachen der Vertreter*innen wurde schließlich das offizielle Übergabeprotokoll in den Museumsräumlichkeiten unterzeichnet.

Bei den menschlichen Überresten aus Hawaii (iwi kūpuna), die im 19. Jahrhundert in das NHM Wien eingegliedert wurden, handelt es sich um zwei Schädel, den eines Mannes und den einer Frau. Nach intensiver interdisziplinärer Provenienzrecherche über die Herkunft der Gebeine ist davon auszugehen, dass diese gegen den Willen der indigenen hawaiianischen Gesellschaft aus Gräbern geraubt wurden. Zu diesem Schluss gelangt die vom NHM Wien vorgelegte, und gemeinsam von Prof. Dr. Sabine Eggers und Dr. Margit Berner (Anthropologische Abteilung des NHM Wien) sowie Edward Ayau (Office of Hawaiian Affairs) und Prof. Dr. Paul Turnbull (University of Tasmania, Australia) durchgeführte Provenienzrecherche. Beide iwi kūpuna seien demnach durch die Plünderung von Grabstätten auf der Insel O’ahu um 1850 durch den englischen Geologen und Händler William Lowthian Green (1819-1894) erworben worden. Über den englischen Arzt Joseph Barnard Davis (1800-1881) gelangten sie wahrscheinlich an den österreichischen Arzt und Schädelforscher Augustin Weisbach (1837-1914). Teile seiner Sammlung wurden damals an das NHM Wien übergeben. Aufgrund dieses Gutachtens und unter Verweis auf internationale Ethikstandards, wie insbesondere Art. 12 der United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, entschied die Republik Österreich, dem Ansuchen des Office of Hawaiian Affaris um Repatriierung dieser beiden iwi kūpuna zu entsprechen.

… mit einem hawaiianischem Gebet (Pule). Beide Fotos: © NHM Wien/APA-Fotoservice/Juhasz

Mit der Rückgabe von menschlichen Überresten soll das ethische und moralische Unrecht anerkannt werden, welches durch die rücksichtlose Sammlungspraxis vergangener Jahrhunderte entstanden ist. Sterbliche Überreste indigener Angehöriger wurden unter Missachtung religiöser Vorstellungen der indigenen Bevölkerung außer Landes geschafft, natur- und kulturwissenschaftlich studiert und nicht selten öffentlich zur Schau gestellt. Das Ziel der Repatriierung menschlicher Überreste aus musealen Sammlungen ist die Rehumanisierung und somit die damit einhergehende Wiederherstellung der individuellen Würde der Verstorbenen.

„Es war ein wichtiger Prozess, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hawaii und Österreich diese Forschungen zur Provenienz gemeinsam durchgeführt haben“, betont NHM Wien- Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland. „In diesem Fall ist die Sachlage sehr klar und es gibt auch eine gut organisierte Gemeinschaft, die die Schädel entgegennimmt. Es wird deutlich, wie wichtig interdisziplinäre und internationale Forschung zu Provenienzen ist, die neben naturkundlichen und historischen auch kulturwissenschaftliche Erkenntnisse einbringt.“

„Es liegt in unser aller Verantwortung, die Aufarbeitung der Verflechtung mit der Kolonialgeschichte voranzutreiben, um Verzeihung zu bitten und den Dialog zu starten. Als Vizekanzler der Republik Österreich möchte ich den geschätzten Gästen aus Hawaii mein tiefstes Bedauern auszudrücken. Mein Bedauern, dass an ihren Ahnen Unrecht begangen wurde. Mein Bedauern, dass die Grabstätten ihrer Ahnen entweiht wurden. Und mein Bedauern, dass die Totenruhe gestört wurde. Dafür, dass die Störung der Totenruhe bis zum heutigen Tag angehalten hat, möchte ich mich entschuldigen.“, so Vizekanzler Mag. Werner Kogler.

„Die Aufarbeitung der Zeit des Kolonialismus ist ein wichtiges kulturpolitisches Anliegen der österreichischen Bundesregierung, sie ist aber vor allem im Hinblick auf die Verantwortung für unsere Vergangenheit ein Gebot der Stunde. Vor diesem Hintergrund haben wir ein Expertengremium zur Erarbeitung von Richtlinien für den Umgang mit diesen Fragen eingerichtet, und vor diesem Hintergrund sind auch die Bemühungen Österreichs zu sehen, Ansuchen um Repatriierung von menschlichen Überresten entsprechend zu begegnen und Rückgaben in einem angemessenen Rahmen zu ermöglichen. Auch ich möchte den Vertreterinnen und Vertretern des Office of Hawaiian Affairs mein tiefes Bedauern ausdrücken“, betont Kunst- und Kulturstaatsekretärin Mag. Andrea Mayer.

„Hui Iwi Kuamo’o fühlt sich geehrt, unsere iwi kūpuna auf ihrer Heimreise nach Hawaii zu begleiten. Wir schätzen die humanitären Bemühungen des Naturhistorischen Museums Wien bei der heutigen Rückführung unserer geliebten Vorfahren. Das ist der Weg. Der Weg von Aloha.“, sagt Edward Halealoha Ayau für die Delegation des Office of Hawaiian Affairs.

US-Botschafterin Dr. Victoria Reggie Kennedy zur Repatriierung: „Die Regierung der Vereinigten Staaten unterstützt die Bemühungen der indigenen Hawaiianer zur Repatriierung ihrer Vorfahren. Wir danken Österreich, dass es diesen Anliegen eine hohe Wichtigkeit einräumt.“

Die am 14. Februar 2022 stattgefundene Repatriierung fand im Zuge einer weitreichenden Initiative des Office of Hawaiian Affairs und der hawaiianischen „cultural practicioners“ zur Rückgabe menschlicher Überreste aus internationalen Sammlungen statt. Geleitet wird die Delegation von Edward Halealoha Ayau, ehemaliger Vorstand von Hui Mālama I Nā Kūpuna O Hawai’i Nei (Organisation, die sich für die angemessene Behandlung der Ahnen Hawaiis einsetzt), der sich seit über 30 Jahren für die Rückführung von iwi kūpuna (hawaiianische Gebeine), moepū (Grabbeigaben) und mea kapu (heilige Gegenstände) engagiert und für das OHA nun weiterhin ehrenamtlich für die internationalen Rückführungen arbeitet. Im Zuge dieser Europa-Reise werden Überreste aus vier Institutionen aus Deutschland und aus dem NHM Wien, die im 19. Jahrhundert aus Hawaii entwendet wurden, zurückgebracht.

„Die Repatriierung dieser iwi kūpuna ist ein Schritt zur Wiederherstellung der Menschlichkeit und zu einem harmonischeren und ausgewogeneren Verhältnis zwischen Menschen, Völkern und Ländern. Es ist nicht nur eine Verpflichtung und Verantwortung – es ist auch eine Ehre”, so NHM Wien-Anthropologin Prof. Dr. Sabine Eggers.

Im Bild von rechts nach links: Vizekanzler Mag. Werner Kogler, US-Botschafterin Dr. Victoria Reggie Kennedy, Vertreter*innen des Office of Hawaiian Affairs und als Delegation der Hui Iwi Kuamo’o: Brandy Kalehua Kamohalii Caceres, Edward Halealoha Ayau, Norman Christopher Moore Kaleilani Caceres, NHM Wien-Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland, NHM Wien-Anthropologin Prof. Dr. Sabine Eggers, sowie Kaumakaiwa Kanaka’ole. Foto: © NHM Wien/APA-Fotoservice/Juhasz

Das Naturhistorische Museum Wien untersucht im Rahmen des Projekts „Kolonialer Erwerbskontext“ (KolText) koloniale Kontexte. Das vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport unterstützte Projekt (Laufzeit: 2021–2022) beabsichtigt eine Bestandsaufnahme im Haus und die Erstellung einer Übersicht über die Archiv- und Quellenlage zur Erforschung kolonialer Provenienzen der Sammlungen des NHM Wien, vor allem in Bereichen der anthropoloschen Sammlungen und des Archivs für Wissenschaftsgeschichte. Aufgrund der Materialfülle liegt der Fokus der Untersuchung auf der Zeit von der Gründung des Museums bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie 1918. Übergeordnetes Ziel ist es, eine adäquate Forschungsstrategie zu entwickeln und den Begriff „kolonialer Erwerbskontext“ für die Sammlungen eines naturkundlichen Museums definitorisch zu konkretisieren. Auf bundesweiter Ebene wurde von Österreich ein internationales und interdisziplinäres Gremium eingerichtet, das Richtlinien im Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten, die sich in den Sammlungen von Bundesmuseen befinden, und für das Vorgehen bei Rückgabeforderungen erarbeiten soll. NHM Wien-Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland ist Mitglied dieses neuen Gremiums.

Quelle: NHM / Naturhistorisches Museum Wien

Lesen Sie noch mehr über das Naturhistorische Museum bei uns bitte hier;

www.nhm-wien.ac.at

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