Eine Spitzschlammschnecke umgeben von einer Wolke von Zerkarien. Foto: © NHM Wien / C. Hörweg

Am Naturhistorischen Museum Wien / NHM wird die Diversität parasitischer Saugwürmer erforscht. In einem Forschungsprojekt wurden zwei bisher in Österreich unbekannte Arten entdeckt, die bei Menschen einen Hautausschlag, die sogenannte Badedermatitis, hervorrufen können. Die Artnachweise konnten mittels DNA-Untersuchung im Rahmen der Initiative ABOL / Austrian Barcode of Life festgestellt werden.

Parasitische Saugwürmer sind nicht sehr beliebt. Nach dem Schwimmen in stehenden Gewässern kann es im Sommer zu unangenehmen Hautreizungen kommen, die von den Larven bestimmter Saugwurmarten verursacht werden. Bei längeren Hitzeperioden und Wassertemperaturen zwischen 26 und 28 Grad Celsius können gehäuft bis epidemieartig Fälle einer Badedermatitis auftreten, besonders wenn in den Gewässern Tiere wie Wasserschnecken und Enten leben. Auch die kürzlich für Österreich erstmals nachgewiesenen Saugwurm-Arten Trichobilharzia franki und Trichobilharzia physellae rufen bei Menschen derartige entzündliche Reaktionen der Haut hervor.

In dem Forschungsprojekt wurde gezielt Augenmerk auf Vogelbilharzien gelegt – parasitische Saugwürmer (Trematoden), die Wasservögel als Wirte nutzen. Ihre Eier gelangen mit den Ausscheidungen der Vögel ins Wasser. Aus den Eiern wiederum schlüpfen Larven, die in Wasserschnecken eindringen und sich in diesen vermehren. Nach weiteren Entwicklungsschritten innerhalb der Schnecken schwärmen erneut Larven – sogenannte Zerkarien – aus, die wiederum Wasservögel befallen, indem sie mittels Bohrdrüsen in deren Haut eindringen und verschiedene Organe besiedeln.

Die Zerkarien finden ihre Wirte mittels chemischer Sensoren, die allerdings so unspezifisch sind, dass sie auch versehentlich Fehlwirte, wie etwa Menschen, befallen können. Dort entwickeln sie sich jedoch nicht weiter, sondern sterben ab. Die Immunabwehr des Fehlwirts führt bei mehrfachem Befall oft zu einer allergischen Reaktion, die eine Dermatitis hervorruft. Diese Dermatitis kann bei Badenden in naturnahen Gewässern, aber auch bei Menschen, die beruflich mit Gewässern in Kontakt kommen, auftreten und heftigen, bis zu zwei Wochen anhaltenden Ausschlag auslösen. Der Ausschlag ist lästig aber im Grunde harmlos, durch Kratzen kann es jedoch zu Sekundärinfektionen und Komplikationen kommen. Die Badedermatitis (oder Zerkariendermatitis) ist daher besonders in Regionen mit touristisch genutzten Naturgewässern ein wiederkehrendes Thema.

Zerkarien von Trichobilharzia physellae, einer erstmals in Europa nachgewiesenen Art der Saugwürmer. Foto: © NHM Wien / N. Helmer

Trichobilharzia franki und Trichobilharzia physellae

Die Wissenschaftler*innen des NHM Wien beprobten unterschiedliche Gewässer, von Seen bis zu Badeteichen und Kleinbiotopen. Es wurden lebende Wasserschnecken gesammelt und auf das Vorhandensein von Saugwurmlarven untersucht. Neben zwei bereits bekannten Erregerarten gelang vor zwei Jahren der Erstnachweis von Trichobilharzia franki für Österreich, einer Art die aus anderen europäischen Ländern bereits bekannt war.

Kürzlich erfolgte ein weitaus überraschenderer Fund: Der erste europäische Nachweis von Trichobilharzia physellae, die man bisher aus Nordamerika kannte. Sie wurde in einem kleinen oberösterreichischen Badesee gefunden, in einer ursprünglich ebenfalls aus Nordamerika stammenden Schneckenart. Diese Schnecke – Spitze Blasenschnecke oder Physella acuta genannt – ist in Europa seit etwa 200 Jahren, in Österreich seit etwa 75 Jahren, bekannt und als invasive Art weltweit verbreitet. Da die im Projekt nachgewiesenen Zerkarien ihren nordamerikanischen Artgenossen genetisch sehr ähneln, wird vermutet, dass es sich um eine rezente Einschleppung handelt. Dies könnte über frisch importierte und bereits infizierte Schnecken erfolgt sein – etwa durch den internationalen Handel mit Aquariumpflanzen oder über befallene Entenvögel, die den Atlantik überqueren.

„Der Erstnachweis von zwei neuen Arten von Saugwürmern für Österreich innerhalb von nur zwei Jahren lässt vermuten, dass noch längst nicht alle Arten dieser wenig erforschten Gruppe erkannt wurden“, so Mag. Christoph Hörweg, Parasitologe und Leiter der 3. Zoologischen Abteilung am NHM Wien. „Die Etablierung von Artnachweisen über DNA ermöglicht dabei ganz neue Einblicke“, ergänzt Dr. Nikola Szucsich, Studienleiter und ABOL-Manager.

Probeentnahme im Freiland. Die DNA von Saugwürmern kann auch in Wasserproben nachgewiesen werden. Foto: © NHM Wien / H. Sattmann

Die aktuelle Studie diente auch der Entwicklung einer innovativen Methode zum genetischen Nachweis der Erreger in Wasserproben. Der Nachweis von Badedermatitis über Umwelt-DNA (eDNA) ermöglicht den Verzicht auf aufwändige Schritte wie das Absammeln und Halten der Schnecken bis zur mikroskopischen Untersuchung der schwer bestimmbaren Zerkarien. Die momentane Datenlage zu parasitischen Saugwürmern in Österreich (und vielen anderen Ländern) ist jedoch noch mangelhaft. Deshalb ist es wichtig, die Biodiversität im Rahmen von Projekten wie der vom NHM Wien koordinierten Initiative Austrian Barcode of Life (ABOL) weiter zu erfassen.

„Zerkarien kommen nur in naturnahen Seen vor. Es braucht Wasserschnecken, die gerne im Schilf leben und zumindest gelegentlich Enten. Die Zerkarien werden durch den Wind und die Strömung meist in seichte, ufernahe Bereiche verdriftet“, so NHM Wien-Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin Dr. Katrin Vohland und gibt einen Tipp: „Beim Baden flaches Wasser nach Möglichkeit meiden. Zumindest wer schwimmen kann: Ab ins Tiefe! Und außerdem nach dem Aufenthalt im Wasser sofort die Badekleidung ausziehen und fest abtrocknen. So sinkt die Zahl der kleinen Biester auf der Haut.“

Das Forschungsprojekt wurde vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Gewässergüteaufsicht beauftragt und von den Freunden des Naturhistorischen Museums unterstützt.

Quelle: NHM / Naturhistorisches Museum Wien

Lesen Sie noch mehr über das Naturhistorische Museum bei uns bitte hier;

www.nhm-wien.ac.at

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