Der große Matthias Sindelar sollte einst die Nase gerümpft haben, als er erfuhr, mit den Amateuren (heutige FK Austria Wien) nach Steyr zu einem Freundschaftsspiel aufbrechen zu müssen. „Steyr? Wo liegt denn das überhaupt? In der Steiermark?“ „In Oberösterreich!“, wurde ihm geantwortet und zwar genau dort, wo der kleine Steyr-Fluss in den größeren Enns-Fluss mündet.
Der Enns-Fluss war durch Jahrhunderte hindurch ein wichtiger Transportweg für das Eisen aus dem Erzberg. Flussabwärts ging es zuerst mit Flossen und später dann mit Zillen, flussaufwärts zogen Pferde die mit lebensnotwendigen Gütern für die Stadt beladenen Zillen anhand der Uferwege – auch Treppelwege genannt.
Der Fluss Steyr wurde zur Energiegewinnung – zum Antrieb von Schmiedehämmern oder Mühlen, in späterer Folge zur Stromgewinnung – genutzt. Wiederum später diente die Ausnutzung des Flusses für den Transport von Hölzern aus den Wäldern in die Sägewerke.
Es ist nicht überliefert, ob der „Papierene“ mit dieser Auskunft genügend Informationen über Steyr hatte, aber dass in Steyr auch Fußball gespielt wird, das wurde auch in Wien immer mehr zum Begriff.
Entstehung und Entwicklung
In der Zeit von 2. August bis 30. September 1884 wurde am Karl Ludwig-Platz in Steyr die „Große Electrische Ausstellung“ abgehalten und niemand Geringerer als Kaiser Franz Jospeh I. besuchte diese Veranstaltung. Der gebürtige Steyrer Josef Werndl galt als Industriepionier. Seinen intensiven Bemühungen war es zu verdanken, dass die erste elektrische Straßenbeleuchtung in Kontinentaleuropa anhand dieser Ausstellung in Steyr vorgestellt – um in späterer Folge allerorts Einzug zu halten – wurde. Was das alles mit dem SK Vorwärts Steyr zu tun hat? Nun – sehr viel – denn auf dem damaligen Messegelände steht heute das Vorwärts-Stadion.
„Vorwärts“ – eine Bezeichnung, die böse Zungen gerne mit der 40-jährigen DDR-Zeit in Verbindung bringen. Dort hießen zahlreiche Sportvereine beispielsweise Lok, Stahl, Turbine, Traktor, Motor, etc. und eben auch Vorwärts. Das Vorwärts von Steyr sollte jedoch jenen Gründungsvätern im Jahre 1919 – damals, 1919, war an eine spätere DDR (1949-1989) noch nicht einmal im Traum zu denken – gedanklich dahingehend den Weg geebnet haben, um für ihren nun neu zu gründenden Verein stets den „Angriff“, die „Bewegung“, das „Vorwärts-Kommen“, jedoch nie den Stillstand, zu gewährleisten. Es ist überliefert, dass am 23. März 1919 ein paar junge Männer, die heilfroh waren, den „Großen Krieg“ – später als Erster Weltkrieg bekannt – überlebt zu haben und somit nun ihre Bestimmung eher am Grün des Rasens, denn im Braun des Schützengrabens zu suchen, hergingen, und das Fundament für die spätere Vereinsgründung legten.
Demnach vor genau 100 Jahren, am 14. April 1919, einem Montag, begann in einer Bierhalle in der „Engen Gasse“ in der alten Eisenstadt Steyr in Oberösterreich das Lebenslicht von Vorwärts zu leuchten. 10 ehrenwerte Herren versammelten sich dort und nach zähen Verhandlungen und Überlegungen war der Verein geboren. Sein Name lautete: „Steyrer Fußballklub Vorwärts“.
Aller Anfang war schwer. Die ersten Dressen wurden aus zusammen geschnorrten Fahnenstoffen mühsam genäht und der Verein schleppte sich als Fußball-Militär-Mannschaft durch die entbehrungsreichen Jahre der Ersten Republik.
Anno 1926 erfolgte die Trennung: Die Steyrer traten dem Verband des Arbeiterfußballs bei, ganz im Gegensatz zu den bürgerlichen Profis. Im Jahre 1934 wurden sämtliche Arbeitervereine aufgelöst und „Vorwärts“ nahm als „Sportklub“ Steyr an der Meisterschaft teil.
Allerdings bereits 1935 durfte man wieder den Namen Vorwärts tragen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 führte dazu, dass durch die militärische Einberufung der Aktiven der Spielbetrieb beinahe völlig zum Erliegen kam.
Kometenhafter Aufstieg nach dem Krieg
Wer an den Fußballsport in Oberösterreich denkt, dem fällt zweifellos wohl zuerst der Name LASK ein. Der 1908 gegründete Linzer ASK war allerdings nicht der erste Verein aus Oberösterreich, der in der höchsten österreichischen Spielklasse aktiv war, sondern eben der Arbeitersportverein SK Vorwärts Steyr. Die Rot-Weißen wurden 1948/49 Landesmeister von Oberösterreich und stachen somit den „Platzhirsch“ LASK aus. Und so vertrat 1949/50 im ersten Jahr einer gesamtösterreichischen Fußball-Meisterschaft in der Staatsliga A Steyr die Farben Oberösterreichs.
Dem nicht genug, sorgte man dort gleich für Furore. Der Auftakt in Gloggnitz war mit 5 : 2 erfolgreich und so staunten am 4. September 1949 über 10.000 Zuschauer nicht schlecht, als der SK RAPID Wien, der zur Pause am Vorwärts-Platz noch mit 2 : 0 geführt, am Ende der Partie mit 2 : 3 verloren hatte. Es sollte knapp 43 Jahre dauern, ehe Vorwärts Steyr den SK RAPID wieder am Vorwärts-Platz besiegen konnte. Am 8. April 1992 gelang dies mit einem 1 : 0-Erfolg.
Just zum 30-jährigen Vereinsjubiläum beschenkte sich Vorwärts im Jahre 1949 ohnehin selbst. Nach dem Landesmeistertitel von Oberösterreich schlug man auch den LASK anhand des Landescup-Bewerbes. Aufgrund eines 5 : 1-Erfolges in Gmunden im Halbfinale stand man am 6. Mai 1949 im OÖ-Landescup-Finale dem LASK, der gegen den Ennser SK siegreich blieb, gegenüber. Steyr rang vor 6.000 Zuschauern die Linzer mit 3 : 1 nieder. Und so ging es für Vorwärts cuptechnisch österreichweit weiter.
Einem 3 : 2-Sieg über den SK Sturm Graz im Viertelfinale folgte ein 3 : 0-Triumph gegen Union Salzburg. Die Belohnung war das Österreichische Cup-Finale am 3. Juli 1949 vor 15.000 Zuschauern im Wiener Praterstadion. Gegen Final-Gegner FK Austria Wien unterlag man zwar mit 2 : 5, aber spätestens jetzt hätte der 10 Jahre zuvor verstorbene „Papierene“ Matthias Sindelar gewusst, wer oder was der SK Vorwärts Steyr ist.
Auf Höhen folgten Tiefen
Nach dem Staatsliga A-Abstieg als Elftplatzierter am Ende der Spielzeit 1950/51 ging es bis 1958/59 in der Staatsliga B weiter, ehe die ÖFB-Reform – die Staatsliga B wurde aufgelöst – Steyr als Oberösterreicher in die Regionalliga Mitte verfrachtete. Dort blieb man bis 1968/69, ehe sich die Fronten verschoben. Der SK Vorwärts Steyr musste in die Landesliga absteigen, während hingegen der SK VÖEST Linz als Neuling in die höchste österreichische Spielklasse, die da Nationalliga hieß, aufstieg.
Große Cup-Blamage des FAK in Steyr
Der OÖ-Landesligist, demnach ein Verein aus der dritten Leistungsstufe, lud am 15. August 1978 den FK Austria Wien zu seinem ÖFB-Cupspiel nach Steyr. Dass es für die Wiener ein heißer Cup-Tanz an einem noch heißeren August-Tag werden würde, das ahnte damals freilich niemand vor dieser Begegnung. 7.000 Besucher strömten in freudiger Erwartung auf den Vorwärts-Platz an die Volksstraße und waren einmal mehr von ihrem Team bass erstaunt, denn Vorwärts führte bereits zur Halbzeit mit 3 : 0. Rudi Bauer, Fritz Stöffelbauer, sowie Hubert Berger hießen die damaligen Helden in Rot. Die Wiener, regierender Fußballmeister und einige Wochen zuvor noch im Europapokal-Finale gegen den RSC Anderlecht gestanden, gingen sang- und klanglos unter.
Das Ehrentor von Thomas Parits in der zweiten Halbzeit glich lediglich einer Ergebnis-Korrektur. Auch der Stern eines gewissen Georg Zellhofer, damals noch keine 18 Jahre jung, der aus St. Peter in der Au aus Niederösterreich stammende langjährige Bundesliga-Profi beim SK VÖEST Linz, dem LASK oder dem SK Sturm Graz, ging damals im Vorwärts-Trikot auf. Freilich wusste damals auch noch niemand, dass er, Zellhofer, dereinst sogar einmal Austria-Trainer werden würde. Der bestehende Coach der Wiener Violetten, Hermann Stessl, kündigte jedenfalls unmittelbar nach Spielschluss Konsequenzen an. Für seine Spieler sollte nun die harte Wellen beginnen. Ganz anders Vorwärts. Steyr nahm – wie es heutzutage wohl so schön heißt – diesen Erfolg mit und ritt bis zum Saisonfinale auf einer erfolgreichen sportlichen Welle. Diese Welle schwappte die Vorwärts-Mannschaft dann im Sommer 1979 in die 2. Division.
Auf und ab – bis ganz hinab
Der SK Vorwärts Steyr stieg also im Sommer 1979 in die 2. Division auf, um im Jahr darauf aus eben dieser wieder zu verschwinden. Der Abstieg war für den Neuling insofern bitter, denn gegenüber dem 1. Wiener Neustädter SC hatte man bloß die schlechtere Tordifferenz bei gleicher Punkteanzahl aufzuweisen. Im Sommer 1982 konnte man sich jedoch wieder in die zweithöchste Spielklasse empor hieven, denn als OÖ-Fußballmeister behielt man anhand der Aufstiegsspiele gegen den SV Spittal/Drau und den ASK Voitsberg die Oberhand. 1982/83 als Sechster und 1983/84 ebenfalls anhand eines 6. Tabellenplatzes konnte man die Spielklasse halten, ehe es 1984/85 für Vorwärts sehr haarig wurde. Dies deshalb, da die Bundesliga wieder einmal reformiert wurde und aus der 2. Division von 16 Teams 11 absteigen mussten. Ein abermaliger 6. Platz wäre demnach für Vorwärts zuwenig gewesen. Was also tun? Man wurde in der Endabrechnung Fünfter und blieb der 2. Liga treu.
Der darauf folgende Herbst 1985 hatte es für Vorwärts jedoch in sich. Nach 22 gespielten Herbstrunden war die Mannschaft Zweiter hinter dem Wiener Sportclub und das noch vor den höher eingeschätzten Teams wie der Vienna oder von Austria Salzburg. Steyr konnte demnach am sogenannten „Mittleren-Play-Off“ teilnehmen. Dieser Bewerb wurde im Frühjahr 1986 erstmals ausgespielt, wobei die letzten Vier der 1. Division gegen den ersten Vier der 2. Division um den Aufstieg spielten. Vier Teams blieben nach 14 Runden übrig. Nun, Steyr, war nicht dabei, am Ende fehlten 2 Punkte für den Aufstieg ins Oberhaus. Im Jahr darauf das gleiche Bild: Vorwärts im „Mittleren-Play-Off“, im Frühjahr 1987 jedoch um 2 Punkte zuwenig auf der Habenseite für das Oberhaus.
Ganz anders dann die Saison 1987/88. Der SK Vorwärts Steyr qualifizierte sich wie selbstverständlich für das „Mittlere-Play-Off“. Als solides Mitglied der 2. Division wurde man auch zum Linzer Hallenfußballurnier der LIVA eingeladen. Dort traf man im Dezember 1987 nicht nur auf die Lokalmatadore SK VÖEST Linz und LASK, nein, mit Dukla Prag, dem FC Luzern und last but not least Dynamo Kiew wehte auch ein Hauch der großen weiten Fußballwelt in der Linzer Sporthalle. Kurios dann der Turnier-Verlauf: Steyr stieß bis ins Finale vor und traf dort auf die Ukrainer, die damals noch der Sowjetunion angehörten. Nach einem 2 : 2 in der regulären Spielzeit und einem 7 : 7 im Siebenmeterschießen entschied die Spielleitung, dass es zwei Sieger, Dynamo Kiew und eben Vorwärts Steyr, geben sollte. Bester Spieler des Turniers und ausgestattet mit dem „Goldenen Ball“ der OÖ-Nachrichten wurde damals übrigens Oleg Blochin. Jener Blochin, der für die UdSSR 109 Länderspiele absolvierte, der begeisterter Leser war und ist, der an die 1.200 Bücher in seiner Bibliothek sein eigenen nennt und der 1975 „Europas Fußballes des Jahres“ war.
Von da an sollte jedoch der Kontakt Blochins nach Oberösterreich und Steyr nicht mehr abreißen. Der Winter war lang und streng und zu Beginn der Frühjahrssaison regnete es zahlreiche Spiel-Absagen. Und dennoch wussten die Gazetten vermehrt darüber zu berichten, dass niemand Geringerer als Oleg Blochin in Österreich, genauer in Oberösterreich und noch genauer ausgerechnet beim SK Vorwärts Steyr landen sollte. Die einen meinten, eine „Ente“ in der Zeitung zu lesen, die anderen sponnen vor sich hin und verkündeten, sich keinen russischen Bären aufbinden lassen zu wollen, doch siehe da, es wurde wahr, Oleg Blochin unterschrieb für eine Mannschaft aus dem „Mittleren-Play-Off“, für den SK Vorwärts Steyr.
Am 27. März 1988 war es dann soweit. Oleg Blochin gab sein Heimspieldebüt für Vorwärts in Steyr. 5.000 Zuschauern sahen ein 0 : 0 gegen den LASK. Und Blochin verlieh der Vorwärts-Truppe neue Energien. Unter der Regie von Ex-Teamtorhüter Erwin Fuchsbichler und Oleg Blochin als Strippenzieher im Mittelfeld hatte Vorwärts nach den 14 gespielten Frühjahrsrunden genau jene zwei Punkte mehr auf dem Konto, die all die Jahre zuvor noch gefehlt hatten, was gleichbedeutend für den Aufstieg in die 1. Division stand.
In Oberösterreich ist die Rollenverteilung der Städte betreffend ihrer Einwohnerzahl folgendermaßen: LINZ, WELS und STEYR. In Wels liegt der Fußballsport seit jeher brach. In Linz gab es immer wieder Höhen und Tiefen. Und Vorwärts Steyr avancierte in jenen Jahren – 1982 bis 1999 – zu einem Fix-Punkt am österreichischen Fußball-Firmament. Alle großen nationalen Vereine mussten an der Volksstraße Station machen und viele davon auch sportlich die Segel streichen. Und, Vorwärts Steyr wurde wieder zur fußballerischen Macht in Oberösterreich, denn weder der LASK, noch der SK VÖEST konnten Steyr damals das Wasser reichen. Es dauerte ein paar Jahre, ehe Fußball-Linz gegenüber der Steyrer-Provinz wieder die Oberhand gewann.
Bevor der SK Vorwärts Steyr jedoch endgültig in der Versenkung verschwand, zeigte die Mannschaft noch einmal gewaltig auf. Im Sommer 1995 nahmen die Steyrer Rot-Weißen am Intertoto-Bewerb, dem damaligen UI Cup teil. Man überstand damals nicht nur die Gruppe ohne Niederlage, man gewann auch sensationell bei der SG Eintracht Frankfurt im Ausmaß von 2 : 1. Von da an sollte es jedoch „vorwärts“ bergab gehen. 1995/96 verbuchte das Team nur 6 magere Punkte im ganzen Jahr. Der Abstieg in die 2. Liga war frühzeitig besiegelt.
Man konnte sich zwar nochmals kurzfristig erholen und kehrte für die Saison 1998/99 ins Oberhaus zurück, aber der Abstieg vor 20 Jahren war somit auch der Abschied aus der Beletage des Österreichischen Fußballsports. Kolportierte 36 Millionen Schilling (€ 2,6 Mio.) Schulden sorgten im Jänner 2000 dafür, dass der Klub die Bundesliga-Lizenz nicht mehr erhielt. Der Verein stellte den Spielbetrieb ein, sammelte sich neu und legte für die Saison 2001/02 ganz unten, in diesem Fall in der 2. Klasse Ost von neuem los.
Nun, es gelang dem Team – das all die Jahre hindurch getragen wurde von einem überaus treuen Publikum und einem fanatischen Fan-Stamm – die sukzessive Rückkehr in höhere Spielklassen und sportlich bessere Sphären. Der bisherige Gipfel dieser Rückkehr-Erfolge wurde im Sommer 2018 erreicht, als der SK Vorwärts Steyr plötzlich wieder auf der österreichweiten Fußball-Landkarte auftauchte und in die 2. Bundesliga zurückkehrte.
Zum 30-jährigen Bestehen (1949) erfolgte der erstmalige Aufstieg ins Oberhaus und die Teilnahme am ÖFB-Cupfinale, zum 60. Vereinsjubiläums (1979) kehrte man in die 2. Liga zurück. Das 80-jährige Gründungsfest beging man nach dem Oberhaus-Abstieg in Liga 2 und es passt irgendwie in die Geschichte und das Gesamt-Bild dieses Klubs, dass man nun just zum 100-Jahr-Jubiläum derzeit (Stand 13. April 2019) Tabellen-Letzter in der 2. Österreichischen Bundesliga ist.
Aber Vorwärts wäre eben nicht der SK Vorwärts Steyr, wenn genau dieser derzeitige Um- und Zustand, den Verein nun aus der Bahn werfen würde. „Vorwärts in die Zukunft, egal in welcher Liga!“ – der SK Vorwärts Steyr blickt nun auf 100 Jahre Fußballtradition zurück, aber auch überaus zuversichtlich nach „vorwärts“.
Quelle: oepb