Roland Hattenberger brachte Österreich in Leipzig vor 100.000 Zuschauern in der 43. Minute in Führung. Foto: © oepb

Vor 40 Jahren schickte sich eine Österreichische Fußball-Nationalmannschaft an, um nach 20 Jahren Abstinenz wieder einmal zu einer Fußball-Weltmeisterschafts-Endrunde zu reisen. Das Ticket für die Fußball-WM 1978 in Argentinien war beinahe schon fix gebucht, was allerdings noch fehlte, waren die berühmten „Tüpferl auf dem i“.

Mittwoch, 12. Oktober 1977 / Die Ausgangslage:

Österreich (7 Punkte aus 4 Spielen – bei 2-Punkte-Regel für den Sieg) führte in der WM-Gruppe 3 vor der DDR (4 Zähler aus 3 Begegnungen), der Türkei (3 Punkte aus 3 Spielen), sowie Malta (nichts Zählbares aus 4 Partien). Auch die Tor-Differenz Österreichs von 12 : 1 war imposant gegenüber 3 : 2 (DDR) und 5 : 2 (Türkei). Malta stand mit 0 : 15 sehr müde da. In diese Zeit fiel auch der höchste Erfolg einer österreichischen Nationalmannschaft, datiert vom 30. April 1977 – Österreich gg. Malta 9 : 0 (Pausenstand 5 : 0). Sechsfacher Torschütze damals war Hans Krankl.

10seitiges Din A5-Programmheft des DFV / Deutscher Fußball-Verband der DDR. Sammlung: oepb

Hinspiel in Wien

Die Wogen gingen hoch, als der walisische Referee Tom Reynolds besagten Hans Krankl beim Hinspiel gegen die DDR in Wien am 24. September 1977 mit der Roten Karte vom Platz stellte. Was war geschehen? Krankl scorte in der 86. Minute das vermeintliche 2 : 1, doch Reynolds aberkannte diesen Treffer. 72.000 Zuschauer im Wiener Stadion schäumten vor Wut und mit ihnen auch die österreichischen Nationalspieler. Was aber tat der Waliser? Er präsentierte dem „Hansi-Burli“ schlichtweg Rot, weil dieser seiner Ansicht nach zu heftig ob der Nicht-Anerkennung seines Treffers gematschkert hatte. Hans Krankl fehlte demnach beim Rückspiel in Leipzig. Aber tat er das wirklich?

DDR benötigt Sieg über Österreich

Für die DDR ging es in diesem Spiel um alles. Die Deutsche Demokratische Republik war sehr siegessicher, wäre bei einem vollen Erfolg punktemäßig direkt an Österreich herangerückt und so füllte sich das altehrwürdige Leipziger Zentralstadion, auch „Stadion der Einhunderttausend“ genannt, bis auf den allerletzten Platz. Die Kulisse war überaus beeindruckend in der großen Schüssel und als um 17.30 Uhr der Anpfiff ertönte, waren bei weitem noch nicht alle Zuseher auf ihren zugewiesenen Plätzen. Es gab weder Ab- noch Aufgänge, überall saßen und standen die Menschen auf den kleinen, teilweise morschen Holzbänken. Die inoffizielle Besucherzahl wurde damals von Seiten der DDR auch mit jenseits von 100.000 Zuschauern angegeben.

Die ÖFB-Auswahl war jedoch ob dieser Menschentrauben unbeeindruckt. Teamchef Helmut „Seki“ Senekowitsch predigte immer wieder, dass man ein Tor erzielen wolle, darauf sei das Spiel ausgerichtet. Friedl Koncilia war eine unüberwindbare Hürde im Tor der Österreicher und auch die Abwehr stand mit Robert Sara, Bruno Pezzey und Gerhard Breitenberger felsenfest.

Als wäre es die einfachste Sache der Welt – Tor in Leipzig

Der Tiroler Roland Hattenberger, 1977/78 in fußballerischen Diensten des VfB Stuttgart, kam an jenem Abend zu seiner großen Stunde. Bruno Pezzey spielte in der 43. Minute einen herrlichen Longpaß auf den Jenbacher, der mit der stoischen Ruhe eines Legionärs die DDR-Abwehr überlief. Auch Torhüter Jürgen Croy ließ Hattenberger mit einem kurzen Haken nach rechts ins Leere sacken, um den Ball aus spitzem Winkel in die Machen zu bugsieren. Hattenberger meinte nach dem Spiel zu seinem Treffer: „Croy erwartete einen Schuss von mir. Ich hatte daher nur eine Lösung parat – andeuten, und ihn überspielen. Es ist mir geglückt.“

Die Freude im Lager der Österreicher war dementsprechend groß. Auch die zahlreich anwesenden Schlachtenbummler, geschätzte 7.000 an der Zahl, waren allesamt aus dem Häuschen. Auf einem riesigen Transparent stand zu lesen: Schiri brauchen wir nicht als Waffen – Österreich wird es mit 11 Mann schaffen!“ Balsam auf die Wunden des Rot-Gesperrten Hans Krankl, der in Wien vor dem TV-Apparat mitzitterte. „Ich war noch nie bei einem Match so fertig wie diesmal. Zuschauen ist für die Nerven schlimmer als spielen.“, so der Goleador.

„Tu felix Austria“ – nach dem 1 : 1 in Leipzig gegen die Granaten der DDR ist eine ganze Nation überglücklich. Sammlung: oepb

Croy in Wien, Koncilia in Leipzig

Jürgen Croy spielte in Wien ein Riesen-Match. Er hatte seine Hände überall und hielt die DDR mit dem 1 : 1 im Spiel. Sein Pendant, Friedl Koncilia, stand ihm jedoch um nichts nach und agierte in Leipzig beim Rückspiel in atemberaubend bestechender Form. Immer wieder brachte er die DDR-Granaten zum Verzweifeln. Beim Ausgleichstreffer durch Wolfram Löwe war er jedoch machtlos. Die österreichische Abwehr war einen Moment unorganisiert gewesen und schon war es in Minute 51 passiert. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr lief die DDR-Angriffsmaschinerie. Stereotyp trugen die Ost-Deutschen immer wieder ihre Angriffe vor. Roland Hattenberger stand noch einmal im Mittelpunkt, als er auf der Linie retten konnte, den Ball ins Feld zurückschlug und Hans-Jürgen Riediger einen Gewaltschuss knapp über das österreichische Tor donnerte. Die Zeit, sie wollte einfach nicht verstreichen. Als sich endlich die 90. Minute näherte, die DDR abermals am Drücker war, holte Senekowitsch Herbert „Schneckerl“ Prohaska vom Platz und ersetzte ihn durch Erich Obermayer. Wertvolle Sekunden und Zeit zum Durchatmen. Irgendwann gegen 19.20 Uhr hatte der schottische Schiedsrichter Ian M. D. Foote genug und beendete die Qualifikations-Begegnung.

Es sieht gut aus, es sieht sogar sehr gut aus auf dem Weg nach Argentinien. Sammlung: oepb

Ein Punkt – für die einen viel, für die anderen zu wenig

Im 3. Stock des Leipziger Zentralstadions, das sich nur langsam leerte, in der Kabine 310 residierten die geschlauchten österreichischen Teamspieler. Was es damals noch nicht gab, waren „gesittete Pressekonferenzen“ in den dafür vorgesehen Räumlichkeiten nach dem Spiel. Aktive und Journalisten, die den Fußballern manchmal sogar mit der „Krawäuröhrn“ (Mikrophon) und dem Notizblock unter dem Arm bis in den Duschraum nachstolperten, brachten die Kabine zum Überlaufen. Zahlreiche Fotografen waren ebenso anwesend, allesamt auf den goldenen Schnappschuss wartend. „Friedl (Koncilia) und Roland (Hattenberger), umormts eich und lochst a bissl!“ wurde von der Foto-Zunft heftig verlangt. Die beiden Angesprochen taten wie befohlen.

Abgekämpft, aber glücklich

Und da saßen sie nun, die Teamspieler um Josef Hickersberger, Kurt Jara – beide mit dem DDR-Trikot um den Hals – Willi Kreuz, Herbert Porhaska, Roland Hattenberger, Josef Stering, Edi Krieger und der Rest der Mannschaft und waren müde, aber glücklich. Dieser Punkt war immens wichtig und sehr viel wert. Das letzte Spiel in Izmir gegen die Türkei sollte die endgültige Entscheidung bringen. Die Entscheidung darüber, ob Österreich, zuletzt 1958 in Schweden dabei, nach 20 Jahren endlich wieder einmal zu einer WM-Endrunde reisen wird können. Diese Entscheidung, sie fiel am 30. Oktober 1977 in der Türkei.

Aber das ist eine andere Geschichte …

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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