Das Linzer Landestheater hat im Jahre 1803 durch die Landstände die Gründung vollzogen. In dieser 200jährigen Zeitdauer war das Landestheater stets vom Willen geprägt, Neues zu ermöglichen und sich vom Gewohnten zu trennen. Es fand eine kontinuierliche Entwicklung statt. Das Herz dieser Entwicklung waren aber die Künstler, die 200 Jahre lang Abend für Abend ihr Bestes gegeben haben – in diesem Sinne dankt Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer auch den Technikern und den anderen Theaterkräften hinter den Kulissen. Es war der tägliche Versuch, die Herzen des Publikums zu begeistern und zu bewegen. Das Publikum hat dem Landestheater durch all die Jahre eine große Treue bewiesen. So wurde das Landestheater Linz ein Teil der oberösterreichischen Identität. Zahlreiche Schauspieler hatten in Linz gelernt und wurden sodann von internationalen Bühnen verpflichtet. In den langen Zeitläufen des Bestehens hat sich das Haus besonders auch um junges Publikum bemüht. In dem vom derzeitigen Intendant Dr. Michael Klügl herausgegebenen Erinnerungsbuch hat dieser auch auf den Inhalt eine besondere Note gelegt.
Auch der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, Dr. Franz Dobusch, schildert die Entwicklung als eine der besten Provinzbühnen neben den großen Theatern in Wien und Prag. Anfang der 50iger Jahre des vorigen Jahrhunderts haben sodann die Stadt Linz und das Land Oberösterreich die Trägerschaft für das Theater übernommen. In den Jahren 1956 bis 1958 entstanden die Kammerspiele nach den Entwürfen von Architekt Clemens Holzmeister, weiters der Theaterkeller im Ursulinenhof und in den letzten Jahren das Eisenhand-Theater für experimentelle Stücke.
Landestheater-Intendant Dr. Michael Klügl weist darauf hin, daß die Theatergründung genau in dem Jahr erfolgte, als Napoleon endgültig das heilige römische Reich deutscher Nation liquidierte. Das 19. Jahrhundert war der Entdeckung von Autoren und Komponisten gewidmet. Der Sitz Promenade 39 befand sich mitten in der Stadt im Blickfeld des Regierungsgebäudes des Landes Oberösterreich. Zu Beginn hatte der Adel ein großes Interesse an einem standesgemäßen Theater. Achaz von Stiebar war der eigentliche Begründer des Theaters in Linz und der geistige Vater des heutigen Landestheaters. Es waren damals aber nur Notlösungen, bis sodann 1788 der Redoutensaal zu einem Theatersaal umgebaut wurde. Kaiser Franz genehmigte den neuen Theaterplan auf der Basis eines neuen Theaterbaus. Bis zum Revolutionsjahr 1848 wurde das Theater wiederum von den Landständen betrieben. Die Landesbühne blühte aber bereits im Jahre 1824 zu einer besonderen Glanzzeit auf. Diese Leistung ist vor allem deshalb besonders zu bewerten, weil jedes Theaterstück vor der Aufführung der Zensur vorgelegt werden mußte. Das Revolutionsjahr 1848 brachte eine Abschaffung der Zensur, wobei Kaiser Ferdinand I. völlige Freiheit versprach. Die Geschicke des Theaters in den folgenden Jahren waren besonders wechselvoll. Zwischen Glanzzeit und Theaterkrise schwankten die folgenden Jahrzehnte. Der Spielplan war nicht nur auf Oper und Schauspielerei ausgerichtet, es kam sogar zu artistischen Einlagen, wobei die Klassik ins Hintertreffen geriet. Auch Adalbert Stifter hatte mit dem Landestheater zu tun, allerdings in einem nur seltenen Verhältnis. In den 20iger Jahren des vorigen Jahrhunderts gewann die Oper zunehmend an Bedeutung und Beliebtheit, aber auch das Schauspiel drängte nach. Im Jahre 1923 spielte Linz als erstes Theater in Österreich Berthold Brecht. Neue Krisenzeiten brachen in den 30iger und 40iger Jahren an, das frühere Theaterpublikum aus dem Mittelstand war verarmt und die Interessen der jungen Menschen wurden vom Kino abgelenkt.
Und so wuchs denn das Linzer Landestheater in die NS-Zeit hinein. Dieser Teil der Chronik nimmt eine weitreichende Berücksichtigung ein. Es muß dem Herausgeber angerechnet werden, daß die Beziehungen zwischen Adolf Hitler und dem Theater in Linz ohne die üblichen Abwertungen dargestellt werden. Das als ,Führer-Theater´ abgewertete Linzer Landestheater wird durch die persönliche Korrespondenz zwischen Adolf Hitler und der Linzer Bühne in voller Wahrheit wiedergegeben. Das Theater stand unter Ignaz Brantner seit dem Jahre 1932 als Angestellter der Theatergemeinde und seit 1934 als Direktor das Landes Oberösterreich unter einer objektiven Darstellung. Hitler gab Anweisung, sämtliche Neuaufführungen abzulichten und nach Berlin zu schicken. Dort saß er sodann vor dem Rundfunkapparat und hörte die Übertragungen. Aufgrund seiner Anweisung hatte der Bühnenbildner Benno von Arent die Aufgabe erhalten, sämtliche Bühnenausstattungen vorzunehmen. Hitler ließ dem Gauleiter August Eigruber mitteilen, daß er sich über die beiden Wallenstein-Aufführungen besonders gefreut habe.
Das Linzer Landestheater konnte ab September 1938 Gastspielreisen unternehmen. Obwohl am 3. Feber 1943 der Heldenkampf der 6. Armee an der Wolga ein Ende gefunden hatte, sollten die Theater im ganzen Reich weiterspielen. Auch Linz spielte weiter. Die Theater dienten während des Krieges als Ablenkung. Man ließ die Bevölkerung im Glauben, solange es Spiele gäbe, wäre die Welt in Ordnung. Im Herbst 1944 wurden sämtliche Theater geschlossen und auch der Status eines Führer-Theaters hatte keine Wirkung mehr.
Nach dem Krieg entwickelte sich das ,Tagebuch der Anne Frank´ zu einem besonderen Theater-Skandal. Der Kultur-Redakteur der OÖ-Nachrichten, Franz Schwabeneder, befaßte sich mit dem Thema ,50 Jahre Schauspiel in Oberösterreich´. Nach der Rückkehr vom späteren langjährigen Intendanten aus dem Ausland, Alfred Stögmüller, kam es zu einem Direktions-Trio, wobei Kurt Wöss als Opernchef, Adolf Holschan aus Kaufmännischer Leiter und Alfred Stögmüller vorerst als Schauspiel-Direktor und anschließend als Allein-Intendant verantwortlich zeichnete. Die Aufführung von Wolfgang Bauer ,Chance´ bewirkte bei den Linzer Optikern einen Operngläser-Verkaufsrekord, da viele Theaterbesucher die Rückenpartie der Schauspielerin Johanna Brix in voller Blöße betrachten wollten. Es war die Zeit der großen Autoren. Die Stögmüller-Intendanz war geprägt von Ereignissen und Erregungen. Festgehalten sei, daß Berthold Brecht Hitler-Parabel ,Der jahrundertsame Ausstieg des Arturo Ui´ eine oberösterreichische Erstaufführung erlebte. Der Intendanz-Beginn von Michael Klügl im Jahre 1998 war in einen großen Zorn gebettet, der aber bald verrauchte. Zu den zugkräftigen Stücken gehörte eine heftige Aufführung von Carl Zuckmayer´s ,Der fröhliche Weinberg´. Im Schauspiel-Bereich nahm Michael Klügel das Risiko des Scheiterns in Kauf.
Dabei ist anzufügen, daß die Oper im Kleide eines großstädtischen Niveaus brillierte. Der Intendant reussierte nach dem Motto: ,Theater darf niemals ruhig sein.´ Das neue Bruckner-Orchester enwickelte sich aus dem seinerzeitigen Theater-Orchester. Das Brucknerhaus, eröffnet im Jahre 1974, brachte für Anton Bruckner eine weltweite Bekanntheit. Denis Roussell Davis wurde zum Chef-Dirigenten bestellt. Leonard Bernstein´s ,Westside Story´ wurde zum großen Publikums-Hit.
Andrea Amort schilderte das Ballett als einen starken Operetten-Aufguß mit einem kräftigen Eigensinn. Michael Klügl befaßte sich in einem eigenen Kapitel mit der Untersuchung des weiblichen Geschlechtes im Theater-Alltag. Gerade die Schauspielerinnen hatten das Glück, von Linz aus in große deutsche Theater zu übersiedeln. Das Kapitel ,Hinter den Kulissen´ zeigt in Wort und Bild die theatermäßigen Einrichtungen für die Bühne.
Zum Abschluß befaßt sich der kaufmännische Direktor, Dr. Thomas Königstorfer, mit den Rechtsformen des Theaters. Im deutschen Sprachraum befinden sich die Theater vorwiegend in der Öffentlichen Hand. Der Autor tritt dafür ein, keine Reformen durchzuführen, oder höchstens eine Gesellschaft mbH. zu errichten. In diesem Fall würde sich der öffentliche Träger aus dem Theater zurückziehen. Eine derartige Rechtsform würde höchstens zwischen dem Landestheater und dem Brucknerorchester in Frage kommen. Aber auch hier würde der Verlust der Subventionen verursacht werden.
Es verbleibt damit die Übersicht, daß der über 400seitige Prachtband ,Das Landestheater Linz/1803 bis 2003´ mit aussagekräftigen Fotos illustriert wurde. Intendant Michael Klügl als Herausgeber ist zu beglückwünschen, daß er vor allem vom Inhalt her sein Amt als Herausgeber wahrnahm. Man merkt hier die gestaltende Hand eines Regisseurs, der gewohnt ist, die gewünschte Formulierung zu gestalten. Nur auf diese Weise ist es gelungen, die Fülle des Inhalts zu bändigen. Es muß zugestanden werden, daß es für Michael Klügl sicherlich ein schweres Unterfangen war, der teils oftmals unfähigen politischen Seite bei dem Procedere für das neue Musiktheater zuzusehen. Daher ist ihm für die Übersiedelung als fähiger Intendanten 2006 zur Oper nach Hannover nur zu wünschen – nach dem Prinzip: ,Die Träne quillt, die Erde hat ihn wieder.´
Promenade 39
Das Landetheater Linz
1803 – 2003
Herausgeber: Dr. Michael Klügl, Landestheater Linz
erschienen im Residenz-Verlag, Salzburg und Wien
ISBN 3-7017-1365-0
Landestheater Linz, Promenade 39, 4020 Linz
Tel.: 0732/76 11-0