Das Wiener Riesenrad ist zwar "Made in England", dennoch prägt es seit 1897 unverkennbar das Bild der Wiener Stadt. Foto: WIENMUSEUM
Das Wiener Riesenrad ist zwar „Made in England“, dennoch prägt es seit 1897 unverkennbar das Bild der Wiener Stadt. Foto: WIENMUSEUM

Mit 7. April 1766 überließ Joseph II. das bis dahin kaiserliche Jagdgebiet Prater der breiten Öffentlichkeit. Der 250. Jahrestag dieses Ereignisses bietet eine gute Gelegenheit, den Fokus auf die abwechslungsreiche Geschichte dieses wichtigen Freizeitareals zu richten. In seinen Anfängen war der Prater ein naturbelassenes Gebiet, das Freiräume für spektakuläre Großverantstaltungen wie etwa szenische Feuerwerke und Ballonflugexperimente bot. Noch im 18. Jahrhundert siedelten sich gastronomische Betriebe an (Limonadenstände, Imbissbuden, Gasthäuser und Kaffeehäuser entlang der Hauptallee). 1801 wurde das Panorama eröffnet, in dem man inmitten eines riesigen Rundgemäldes die Illusion hatte, in einer fremden Stadt zu sein und im Circus Gymnasticus konnte man Kunstreitervorführungen beiwohnen. Mit der „Praterregulierung“ im Vorfeld der Weltausstellung 1873 begann die eigentliche Blütezeit des Wiener Praters. Phantasievolle Neuerungen wie der Blumenkorso oder der Vergnügungspark „Venedig in Wien“ trugen das Ihre dazu bei, den Prater weiter aufzuwerten. Die Rotunde und das 1897 errichtete Riesenrad wurden zu neuen Wahrzeichen Wiens.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Unterhaltungsangebote im Prater zunehmend bescheidener. Bis zum Brand der Rotunde 1937 fanden dort zwar noch sportliche Großereignisse und die ersten Ausstellungen der Wiener Messe statt, aber alles in allem wurde der Prater sachlicher und nüchterner. Die Zeit der üppigen Feste und spektakulären Veranstaltungen war mit den flächendeckenden Zerstörungen 1944/45 definitiv vorbei.

„Achmedbrunnen“ bei der Weltausstellung im Jahre 1873. Foto: Wiener Photographen-Association / WIENMUSEUM
Achmedbrunnen“ bei der Weltausstellung im Jahre 1873. Foto: Wiener Photographen-Association / WIENMUSEUM

Das Wien Museum verfügt über große Sammlungsbestände zum Thema Prater. Ein Teil dieser Objekte ist permanent im Pratermuseum, im Planetarium ausgestellt, das im Jubiläumsjahr verstärkt im Blickpunkt steht. Viele Objekte aus der Pratersammlung lagern jedoch im Depot, gerade in den vergangenen zwei Jahrzehnten kamen viele attraktive Exponate dazu. Das Jubiläumsjahr bietet nun die Chance, diese wenig bekannten Schätze aus der Sammlung im Rahmen einer Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen und die Pratergeschichte auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Forschung darzustellen. Zu sehen sind 650 Objekte, der überwiegende Teil aus eigenem Bestand. Die Ausstellung selbst teilt sich in drei Abschnitte: Von den Anfängen ab 1766 bis zur Praterregulierung anlässlich der Weltausstellung 1873; die Blütezeit ab 1873 bis zum Ersten Weltkrieg; der Prater von der Zwischenkriegszeit bis heute.

Spazieren, sich vergnügen, essen und trinken

Im „Wienerischen Diarium“ erschien das kaiserliche „Avertissement“, das die Öffnung des Areals verkündete, um „frey spatzieren zu gehen, zu reiten, und zu fahren“ sowie um „sich daselbst mit Ballonschlagen, Kegelscheiben und anderen erlaubten Unterhaltungen eigenen Gefallens zu divertiren“. Nicht nur die erholungsbedürftige Bevölkerung fühlte sich angesprochen, auch der Unternehmergeist war geweckt: Innerhalb kürzester Zeit gab es behördliche Genehmigungen für 66 „Wein-Würthe“ und 46 „Bier-Würthe“, weiters für „Coffe-Sieder, Lebzelter, Fleischselcher, Bradelpratter, Kaßstecher“, einen „Limonihandler“, eine „Krapfenbacherin“, einen Chocolattenmacher“, einen Händler mit „Sallath und Räthig“ sowie einige „Öbstler“. Bereits im Mai wurden außerdem „Hutschen nach niederländischer Art“, ein Ringelspiel und eine „Machine per modum einer Schlittenfahrt“ in Betrieb genommen.

In der Krieau - eine Partie im Prater im Frühling, 1882. Tina Blau Öl auf Leinwand. Bild: WIENMUSEUM
In der Krieau – eine Partie im Prater im Frühling, 1882. Tina Blau
Öl auf Leinwand. Bild: WIENMUSEUM

Die für den „Wurstelprater“ namensgebenden Kasperltheater folgten bald. Dennoch blieb der Prater in seiner Frühzeit ein naturbelassenes und vor allem unreguliertes Gebiet, in dem die Attraktionen weitgehend unsystematisch entstanden. Die Ausnahme bildete die Hauptallee, die vom Adel und dem Bürgertum frequentiert wurden. Der Mittelteil blieb den Kutschen vorbehalten, die rechte Seitenallee war für die Reiter, die linke für die Spaziegänger vorgesehen. Hier entstanden auch die drei Kaffeehäuser, die nach ihrer Lage vom Praterstern aus gesehen als das „Erste, Zweite und Dritte Kaffeehaus“ bezeichnet wurden. In den Kaffeehäusern vermischte sich das Publikum, man konnte die Schönen und Reichen auf der Hauptallee beobachten, selbst Frauen ohne männliche Begleitung waren – im Gegensatz zur Innenstadt – kein Tabu.

Feuerwerke und Flugexperimente

Ab den 1770er-Jahren fanden die ersten szenischen Feuerwerke statt. Grundlage dafür war eine 50 mal 125 Meter große Holzkonstruktion, auf der die Feuerwerkskörper und die sogenannten Dekorationen befestigt waren. Dabei handelte es sich um mit feuerfester Lösung bestrichene und mit Lichtern bestückte Holzfiguren und bemalte Pergamentflächen, die von hinten durch bengalische Feuer beleuchtet wurden. Dort, wo sich das Feuer zwischen den nicht brennbaren Dekorationen einen Weg fand, entstanden riesenhafte Konturen von Landschaften oder Gegenständen. Die Feuerwerke waren spektakuläre Großveranstaltungen für alle Bevölkerungsschichten und lockten bis zu 25.000 Besucher an. Sie fanden auf der „Feuerwerkswiese“ statt, im Bereich des heutigen „Stuwer-Viertels“, das nach der Stuwer-Dynastie benannt wurde, die über hundert Jahre die meisten Feuerwerke im Prater veranstaltete.

Auf der Feuerwerkswiese fand auch ein Großteil der Ballonflüge und sonstigen Flugexperimente statt, die ebenfalls Besuchermassen anlockten. 1791 unternahm der Franzose Jean-Pierre Blanchard hier seine erste Ballonfreifahrt, legendär waren Jakob Degens Flugversuche zwischen 1808 und 1811 mit einer Konstruktion aus Eisenstäben und Flügeln aus Stahl, Fischbein und Bändern. Zehntausende Personen fanden sich auch bei den Kaiserfesten ein – so etwa beim Volksfest anlässlich der Heirat Kaiser Franz Josephs mit Elisabeth 1854 (200.000 Besucher) oder beim „Dritten Deutschen Bundesschießen“ 1868, dessen Festzug 150.000 Personen umfasste.

 Venedig in Wien im Jahre 1890. Foto: K. Kriwanek / WIENMUSEUM
Venedig in Wien im Jahre 1890. Foto: K. Kriwanek / WIENMUSEUM

Als erstes Massenmedium kann das Panorama bezeichnet werden, ein hölzerner Rundbau, den der Schotte Robert Barker erfunden und 1801 erstmals auch in Wien – an der Prater Hauptallee – aufgebaut hatte. Gegen ein geringes Entgelt konnte sich fast jedermann imaginäre Reisen nach London, Paris oder Prag leisten. Auf der heutigen „Zirkuswiese“ stand der Circus Gymnasticus, ebenfalls ein großer hölzerner Rundbau, der mehreren tausend Besuchern Platz bot. Ab 1800 kamen vermehrt die sogenannten Wandermenagerien mit exotischen Tieren in den Prater, im „Affentheater“ bestaunte man die Geschicklichkeit der Tiere und lachte über ihre Ähnlichkeit zum Menschen, die durch die Kostümierung der Tiere noch unterstrichen wurde. Nobler ging es auf der Hauptallee zu, wo nicht nur diverse Läuferrennen, sondern auch die sogenannten Prater- oder Maifahrten stattfanden – endlose Züge der vermögenden Bürger in ihren Kutschen. Als Ziel und Wendepunkt diente das zwischen 1781 und 1783 nach Plänen von Isidore Canevale errichtete Lusthaus. Der Prater war auch Schauplatz politischer Ereignisse: Am 18. Oktober 1814 veranstaltete man ein Militärfest anlässlich der Jahresfeier der Völkerschlacht bei Leipzig mit 18.000 Soldaten. Im Revolutionsjahr 1848 kam es hier zu schweren Zusammenstößen zwischen demonstrierenden Arbeitern und der Sicherheitswache mit 22 Toten und hunderten Verletzen.

Schlangenbeschwörer vor einer Praterbude im Jahre 1894. Aquarell Richard Weixlgärtner / WIENMUSEUM
Schlangenbeschwörer vor einer Praterbude im Jahre 1894. Aquarell Richard Weixlgärtner / WIENMUSEUM

Vom Wurstelprater zum Volksprater

Als der Beschluss gefasst wurde, die Weltausstellung 1873 im Wiener Prater abzuhalten, war damit auch das Ende des bisherigen Praters besiegelt: Das ungeordnete Areal schien einer Metropole im internationalen Rampenlicht nicht würdig. Es wurden Bäume gefällt, Praterhütten demoliert, Wege asphaltiert, eine Gasbeleuchtung installiert. Auf dem Gelände der Feuerwerksfamilie Stuwer entstanden Neubauten, neben der Rotunde, dem fast einen Kilometer langen Industriepalast und der 800 Meter langen Maschinenhalle trumpfte man zur Weltausstellung mit 200 Länderpavillons auf. Alle bisherigen Praterunternehmer mussten um Neubauten ansuchen, offiziell sprach man ab sofort von „Volksprater“ (statt „Wurstelprater“).

Es gab Stimmen, die den „guten alten Prater“ für immer verloren sahen. Doch die Praterregulierung läutete erst die große Blütezeit des Freizeitareals ein. Die Zahl der Unternehmen stieg von 82 auf 187 Geschäfte an, bessere Verkehrserschließungen und immer größere Attraktionen sorgten für Besucherrekorde. „Das zunehmend größer werdende, aus allen Gesellschaftsschichten stammende Publikum agierte im Prater im Gegensatz zur Stadt gelassen nebeneinander und bekräftigte die dort geltenden Regeln, indem es sie hier kurzfristig außer Kraft setzte“, so Ausstellungskuratorin Ursula Storch. Im Fahrwasser der Weltausstellung gab es für ein bürgerliches Publikum großdimensionierte technisch-wissenschaftliche und kulturelle Ausstellungen (z. B. „Internationale Elektrische Ausstellung Wien 1883“, „Internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen“, 1892; „Kaiser-Jubiläums-Ausstellung“, 1898).

Werbeschild für eine "Exotische Tierschau" im Prater des Jahres 1931. Foto: WIENMUSEUM
Werbeschild für eine „Exotische Tierschau“ im Prater des Jahres 1931. Foto:
WIENMUSEUM

Sie waren zwar meist nur wenige Monate zu sehen, jedoch mit enormem Aufwand und Kosten verbunden. So errichtete man für die 1913 stattfindende „Adria-Ausstellung“ ein zusammenhängendes südländisches Städtebild sowie einen elf Meter breiten Kanal, der in einem See mündete. Noch imposanter präsentierte sich 1895 der Vergnügungspark „Venedig in Wien“, den der Impresario Gabor Steiner in Zusammenarbeit mit dem Architekten Oskar Marmorek verwirklichte: Auf 50.000 Quadratmetern gab es Venezianische Paläste, Brücken und Kanäle mit Gondeln. 20.000 Besucher pro Tag waren keine Seltenheit. Als zusätzliche Attraktion ließ Steiner 1897 das Riesenrad errichten, das nur als Provisorium gedacht war. Als treibende Kraft für vielfältige Aktivitäten im Prater fungierte Fürstin Pauline Metternich-Sándor, die über glänzende Kontakte und ein untrügliches Gespür für Zeitgeschmack verfügte. Sie organisierte karitative Feste wie das Frühlingsfest, ein „Japanisches Kirschblütenfest“ oder das „Fest auf dem Mars“, bei denen sich das adelige und großbürgerliche Publikum bestens amüsierte. Auch der jährliche Blumenkorso auf der Hauptallee – ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges – wurde von Pauline Metternich auf die Beine gestellt. Um 1900 lockte der Prater außerdem mit einer Vielzahl von Theatern und Varietés, mit etlichen Kinosälen, neuesten „amerikanischen“ Attraktionen („American Scenic Railway“), Aeroplankarussells und Hochschaubahnen. Zu den aus heutiger Sicht problematischen Vergnügungen zählten die „Völkerschauen“, die ab den 1870er Jahren in Europa für Furore sorgten. In Wien war die erfolgreichste ihrer Art das „Aschanti-Dorf“, bei dem man exotische Menschen aus Afrika präsentierte. Dem Voyeurismus entgegen kam auch die Zurschaustellung von „abnormen“ Menschen, wie etwa „Siamesische Zwillinge“, „Rumpfmenschen“ oder die „Haarfrau“ Julia Pastrana.

Ab 1918: Blick zurück auf eine große Vergangenheit

Vom Zusammenbruch der Monarchie erholte sich auch der Prater nur schwer. Immerhin boomten die Kinos, 1920 eröffnete das Busch-Kino mit 1.700 Sitzplätzen, 1927 das Lustspiel-Kino mit 1.100 Plätzen. Die erste Spielautomatenhalle gab es ab 1922, die Geisterbahn ab 1933 – immer blieb der Prater ein Experimentierfeld für die neusten technischen Entwicklungen, ein Ort für utopische Ideen ebenso wie für rückwärts-gewandte Wien-Nostalgie.

Plakat „ÖSTERREICHISCHES TRABER-DERBY“, um 1934. Reproduktion nach Druck / WIENMUSEUM
Plakat „ÖSTERREICHISCHES TRABER-DERBY“, um 1934. Reproduktion nach Druck / WIENMUSEUM

Ein Meilenstein für das gesamte Areal war die Errichtung des Praterstadions anlässlich der Arbeiterolympiade 1931, bei der 3.000 Athleten vor 60.000 Zuschauern die Entwicklung der Arbeiterbewegung bis zum vermeintlichen Zusammenbruch des Kapitalismus darstellten. Wenige Jahre später – genau am 1. Mai 1934 – nutzte Engelbert Dollfuß das „Weihfestspiel für Kinder“ im vollen Praterstadion, um die neue ständische Verfassung gebührend zu inszenieren. Die Nationalsozialisten „arisierten“ einige Betriebe im Prater, darunter das Riesenrad. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Wurstelprater weitgehend zerstört, nicht zuletzt deshalb, weil deutsche Soldaten auf dem Rückzug Brandmunition auf die Praterbuden abfeuerten, in denen sie russische Soldaten vermuteten. An die einstige Blütezeit konnte man nach 1945 nicht mehr anschließen. Hatten etwa in der Zwischenkriegszeit rund 70.000 Besucher Platz in den Gaststätten, so boten die verbleibenden 30 Lokale zum 200-Jahr-Jubiläum 1966 nur noch einem Bruchteil davon Platz. Die Theater, Kino und Varietés waren ebenso verschwunden wie die Zauberkünstler und Artisten. Technische Neuerungen gab es allerdings weiterhin: In den Automatenhallen wurden ab den 1950er Jahren Flipper, Glücksspielautomaten und Musicboxen aufgestellt, ab den 1970er Jahren gab es Computerspiele. Moderne Hydraulik und Pneumatik machten internationale Attraktionen wie das „Tagada“ möglich.

Der Watschenmann bittet zum Watschentanz des Jahres 1955. Selbst eine zarte Frauenhand knallt dem armen Sünder eine. Foto: Ernst Hausknost / WIENMUSEUM
Der Watschenmann bittet zum Watschentanz des Jahres 1955. Selbst eine zarte Frauenhand knallt dem armen Sünder eine. Foto: Ernst Hausknost / WIENMUSEUM

Dass der Prater auch weiterhin ein Ort blieb, an dem die Gesetze außer Kraft schienen, sorgte für seinen zwielichtigen Ruf. Hier fanden bis Mitte der 1970er Jahre „Stoßpartien“ statt (eine Form des illegalen Glücksspiels), hier trafen sich Freier, Schulschwänzer und Kleinkriminelle. Der Blick zurück in eine glorreiche Vergangenheit dominiert bis heute: der neue Pratervorplatz mit der Extraportion Nostalgiekitsch ist nur ein Beispiel dafür. Dass die langjährigen Pläne, aus dem Wurstelprater einen einheitlichen Themenpark internationaler Prägung zu machen, gescheitert sind, mag wohl auch mit der charmanten Widerständigkeit dieses Ortes zu tun haben, der für die Stadt nach wie vor von zentraler Bedeutung ist.

www.wienmuseum.at

 

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