essen

*Niemand denkt so viel an Essen, wie der, der hungert;
*klagt so viel über Eßprobleme, wie der, der Diät hält;
*hat so viel Angst vor Gewichtszunahme, wie der, der Gewicht abgenommen hat;
*ist mehr gefährdet, die Kontrolle über das Eßverhalten zu verlieren, wie der, der fastet.

Essen bedeutet im Idealfall die Sättigung von Hungergefühlen durch eine wertvolle, schmackhafte, abwechslungsreiche Kost. In unserer Gesellschaft und bei dem großen Angebot an Nahrung ißt man nur mehr selten tatsächlich aus Hunger, sondern meist aus Appetit. Appetit ist sozusagen die angenehme Seite des Hungers. Hier will man nicht nur einen spürbaren Mangel ausgleichen, sondern auch Genuß erleben.

Hunger in einer Welt des Überflusses
Unsere gegenwärtige Situation läßt einen durchaus paradoxen Charakter erkennen. Es besteht ein normatives Schönheitsideal im Bereich des beginnenden Untergewichtes, das vor allem Frauen zu einer freiwillig verknappten Nahrungsaufnahme motiviert. Schlankheit steht heute für Leistungsfähigkeit, Attraktivität, Glück und Disziplin. Viele Menschen empfinden sich als zu dick, obwohl sie normalgewichtig sind und viele Menschen wollen aus rein ästhetischen Gründen Gewicht abnehmen. Dabei bestehen große Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern. Frauen eifern in höherem Ausmaß Schönheitsidealen nach. Sie sind unzufriedener mit ihrem Gewicht und schätzen es auch immer höher ein, als es tatsächlich ist. Diese Unzufriedenheit, die Überbetonung von Schlankheit und die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft sind Risikofaktoren für die Entstehung von Eßstörungen.

Wenn Essen zum Problem wird
Die Unzufriedenheit mit dem Körpergewicht beginnt bereits im Jugendalter. Obwohl Gewicht und Aussehen unterschiedliche Dinge sind, werden diese Begriffe von Mädchen und Frauen fast synonym verwendet. Da es sich beim Essen und Nichtessen nur um Ersatzlösungen oder Ersatzbefriedigungen handelt, kommt der Betroffene auch nicht zur Ruhe. Mit Fortdauer der Störung wird es immer schwieriger, den einmal eingeschlagenen Weg wieder zu verlassen. Viele der Verhaltensweisen Eßgestörter könnte man als ,Anleitung zum Unglücklichsein´ verstehen. Erste Hinweise auf ein gestörtes Eßverhalten liegen vor, wenn eine übertriebene Beschäftigung mit der Nahrung und ständige Gedanken an das Essen und/oder. Nichtessen bestehen. Weiters wird Nahrung oder der Verzicht auf Nahrung dazu benutzt, Gefühle zu unterdrücken oder Konflikte zu vermeiden. Eßstörungen können aber auch eine Antwort auf Überforderung, Leere, Angst vor Nähe oder sogar Ärger sein.

Die wichtigsten Arten der Eßstörung

Orthorexia nervosa
Orthorexia nervosa bedeutet ,besessen vom gesunden Essen´. Die ständige Sorge um Gesundheit führt zu einer krankhaften Fixierung auf gesundes Essen. Die Nahrungsmittel werden in ,gut´ und ,schlecht´, ,gesund´ und ,ungesund´ eingeteilt. Die Orthorexia nervosa – erstmals beschrieben in amerikanischen Studien – führt zu Rückzug und Isolation mit allen Folgen für die Psyche.

Anorexia nervosa (Magersucht)
Die zentralen Merkmale der Magersucht sind der starke Gewichtsverlust mit Unterernährung, ein stark gezügeltes Eßverhalten, eine massive Gewichtsphobie und Hyperaktivität. Die Askese, der Verzicht wird als besondere Leistung erlebt. Der Vergleich mit anderen Menschen, nämlich dünner zu sein als diese, erhöht ihr Selbstwertgefühl und gibt ihnen Sicherheit.

Bulimia nervosa (Eß-Brech-Sucht)
Die Bulimie ist eine immer häufiger auftretende Eßstörung. Lange Zeit wird sie nicht erkannt, weil die Betroffenen meist normalgewichtig sind. Die Hauptmerkmale der Eß-Brech-Sucht sind Eßattacken, gefolgt von Verhaltensweisen zur Verhinderung einer Gewichtszunahme (Erbrechen, Abführmittel, Überaktivität). Die Heilungsprognose für Magersucht und Eß-Brech-Sucht ist nicht sehr günstig. Etwas mehr als ein Drittel wird wieder ganz gesund, etwas mehr als ein Drittel erfährt eine Besserung, etwas weniger als ein Drittel bleibt chronisch eßgestört, entwickelt andere psychische und körperliche Störungen oder stirbt.

Adipositas (Fettleibigkeit)
Diese Krankheit ist charakterisiert durch übermäßige Anhäufung von Fett im Körper. Gerade bei Überforderungssituationen wird vermehrt zum Essen gegriffen (Streßessen, Frustessen, Kummeressen).

Binge-Eating-Syndrom (Rauschessen)
Diese Störung ist gekennzeichnet durch wiederholte Episoden von Eßattacken (mindestens an zwei Tagen pro Woche, sechs Monate hindurch), ein Gefühl des Kontrollverlusts während der Eßattacken, schnelles Essen und Ekel oder Schamgefühle nach dem Essen. Als Ursache für die Zunahme von Eßstörungen spielen vermutlich mehrere Faktoren eine Rolle. Neben biologischen Veränderungen und psychischen Aspekten kommt dem Wandel der Stellung der Frau in der Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu. Phänomene wie das Hungern in einer Umgebung des Überflusses oder das Essen bis zum Erbrechen können nur in einer Wohlstandsgesellschaft entstehen, als Ausdruck individueller und interpersoneller Probleme – als Symbol eines Protestes gegenüber den gesellschaftlichen Bedingungen.

Gesundheitsschäden, die aus Diätwahn und Verboten resultieren, sind wahrscheinlich größer als die, die durch Essen nach Lust und Laune entstehen. Warum soll ein Mensch, der sich mit seinem Gewicht wohl fühlt, einen normalen Cholesterinspiegel und auch sonst normale Werte aufweist, auf Schmalzbrot, Eier, Sachertorte und Salz verzichten? Zu viel ist ungesund, das steht fest, aber das gilt genauso für die übertriebene Angst vorm Essen.

Strategien um Eß-Störungen möglichst zu verhindern
* Ein Kind so akzeptieren, wie es ist (Zuwendung nicht nur geben, wenn das Kind Ihre Anforderungen erfüllt.)
* Belohnung und Süßigkeiten entkoppeln.
* Sprechen nicht durch Essen ersetzen (Essen als Zeichen der Versöhnung oder Zuneigung).
* Essen nicht mit Funktionen besetzen, die es nicht haben soll (Trösten, Ablenken, Ruhigstellen).
* Sich aller negativen (zärtlich spöttischen) Kommentare über die Figur eines Kindes, auch schon des kleinen Kindes, enthalten. Besser ist es, sich Alternativen zum Essen zu überlegen.
* Essen nicht zu einem Machtspiel zwischen Kind und sich selbst werden lassen.
* Die eigene Vorbildwirkung beachten.

Besessen vom Essen
112 Seiten, zweifärbig, grafisch illustriert
Format: 16,5 x 23,5 cm
ISBN 3-902191-67-8
EUR 17,90

Weitere Informationen unter:
Kneipp-Verlag Leoben, Kunigundenweg 10, 8700 Leoben, Tel.: 0 38 42/2 17 18
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