Erneut ein schwerer Schock für die Freunde der Wiener Kaffeehauskultur, die seit dem Vorjahr auch zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt – das Café Schottenring in Wien schließt seine Pforten. Seit dem Jahre 1879 ist das traditionelle Kaffeehaus in Betrieb. Mit morgigem 31. Juli 2012 wird es geschlossen. Der Grund: Das Haus am Wiener Schottenring 19, in dem auch das Café untergebracht ist, muss zwei Jahre lang umfassend saniert werden. Weiters gesellten sich private Gründe hinzu, die den Pächter zum Rückzug bewogen hatten. Das Café Schottenring zählt mit den Cafés Landtmann, Schwarzenberg und Prückel zu den letzten verbliebenen klassischen Wiener Ringstraßen-Cafés. „Wir sind uns dessen durchaus bewusst.“, meint dazu Architekt Martin Schwanzer, der einer der Miteigentümer des Gründerzeit-Hauses – 1879 gab es durch Heinrich Jäger den ersten Grundbucheintrag, Architekt des Gebäudes war Rudolf Neumayr – gegenüber der Wiener Börse ist. Dahingehend soll das Café nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten auch wieder als echtes Wiener Kaffeehaus aufsperren. Definitiv ist im Moment jedoch noch nichts. Was mit dem Lokal passieren wird, hängt von dem neuen Pächter ab, der derzeit noch gesucht wird.
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Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte
Das vis-a-vis der Wiener Börse etablierte Café-Schottenring gilt als eines der letzten 4 von einstmals 27 Ringstraßen-Kaffeehäusern von Wien. Im Jahre 2004 blickte man auf eine bewegte 125jährige Geschichte zurück. Eröffnete wurde dieses traditionsreiche im Gründerzeit-Stil erbaute Ringstraßen-Café am Samstag, 8. November 1879 in der im Hause in den Jahren von 1878 bis 1890 beheimateten Frucht- und Mehlbörse. Bereits anhand der Eröffnungs-Annonce Tags zuvor im „Neuen Wiener Tagblatt“ stand zu lesen: „Das Kaffeehaus mit Billard- und Spiel-Salons, Parterre und 1. Stock, woselbst alle gelesensten Journale des In- und Auslandes aufliegen, wird unter Leistung des bestbekannten Cafetiers L. Eger stehen. Selber wird bestrebt sein, durch aufmerksame, pünktliche Bedienung allen an ihn gestellten Anforderungen der P. T. Gäste zu entsprechen. Die Restauration im 1. Stock, Bierhalle, Parterre und im Souterrain eine elegante Kegelbahn, welche unter Leitung des bestrenommierten Restaurateurs L. Phillipsky steht, wird bemüht sein, durch eine exquisite Küche, vorzügliches Bier, alle Gattungen Tisch- und Tafelweine des In- und Auslandes die P. T. Gäste zufrieden zu stellen.
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Im Laufe der Jahre tat sich viel im Cafe am Ring. 1998 wurden die eleganten Räumlichkeiten mit großem Aufwand renoviert und überaus sehenswert erfolgreich wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Hoch im Kurs bei den Gästen und fast schon berühmt dafür, war das Café Schottenring für die zahlreichen Veranstaltungen. Neben Live-Klaviermusik und abendlichen Konzerten – „In der Wunderwelt der Musik“ am Sonntag Abend – sorgten Lesungen von Literaten und/oder prominenten Schauspielern stets für ein überaus gut besuchtes Wiener Café am Ring. Im Extrazimmer, dem Börsesalon, fanden Pressekonferenzen und Vernissagen statt, aber auch die wohl berühmten Apfelstrudel-Seminare und Kinderapfelstrudel-Backkurse, sowie Kaffeeseminare und die „Feuerzangenbowle“ erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Die Philosophie des Cafés „Wir leben Wiener Kaffeehaustradition!“ war im Café Schottenring wahrlich keine lautlose These.
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Nun nagte eben nicht nur der Zahn der Zeit an einem der letzten Wiener Institutionen, sondern auch die Grabungsarbeiten für den U-Bahn-Bau untertage sorgten vermehrt dafür, dass eine komplette Renovierung des alten Gebäudes am Ring zum Gebot der Stunde wurde. Und so macht das Café Schottenring zumindest einmal für zwei Jahre die Schotten dicht, um an der Grenze zwischen 1. und 3. Bezirk, Vordere Zollamtstraße, ein Ausweichquartier zu beziehen. 2014 sollte jedoch dem Vernehmen nach am alten Standort Schottenring 19 wieder ein Wiener Ringstraßen-Café eröffnen … denn „Im Wiener Cafe, wo der Aufenthalt bei einem „Kleinen Braunen“ sehr lange dauern darf, bei einer Unmenge von Tageszeitungen in einer angenehmen Atmosphäre, in einem Ambiente von „nicht Daheim und doch zu Hause“ zu sein – das war, ist und wird es wohl hoffentlich noch sehr lange bleiben – die Wiener Lebensqualität!“