„Wenn alle Mann um Helmut Rahn, sie kämpfen, greifen an …“ – so eine Text-Zeile im „Zebra Twist“, der offiziellen Vereinshymne des MSV Duisburg in Anlehnung an den alternden Star, der seine Fußballer-Karriere beim Meidericher SV 34jährig zur Gründung der heute allseits bekannten 1. Deutschen Bundesliga anno 1963 ausklingen ließ. 9 Jahre zuvor ließ ihn Radioreporter Herbert Zimmermann mit folgendem Wortlaut unsterblich werden: „… Schäfer, nach innen geflankt – Kopfball – abgewehrt – aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooor!!! Tooor!!! Tooor!!! Tooor!!!“
Deutschland feierte am 4. Juli 1954 gegen den haushohen Favoriten Ungarn mit seinem Ausnahmefußballer Major Ferenc Puskás den nie geglaubten Endspiel-Sieg in der Schweiz aus Anlass der Wankdorf-Stadion-Regenschlacht und dieser 3 : 2-Triumph mit dem Doppel-Torschützen Helmut Rahn ging Jahre später als „Das Wunder von Bern“ in die Geschichte ein. Die Bundesrepublik Deutschland war erstmals Fußball-Weltmeister und Helmut Rahn´s Siegestreffer wurde nicht nur zum „Tor des Jahrhunderts“ gewählt, sondern habe auch das darnieder liegende Nachkriegs-Deutschland zum Positiven verändert.
Helmut Rahn war 25jährig am Zenit seiner Laufbahn. Ein Jahr später, 1955, holte er mit Rot-Weiss Essen die Deutsche Meisterschaft in den Kohlenpott. Zu einer Zeit, als Borussia Dortmund beispielsweise noch nie Deutscher Meister und die große Zeit des FC Schalke 04 längst vorüber war, stieg RWE wie Phönix aus der Asche empor und war in jenen Jahren der absolute Top-Klub in Deutschland. 1953 wurden die Rot-Weissen DFB-Pokalsieger. Kurios war, dass mit Fritz Szepan just ein Ur-Knappe die Essener als Trainer zur bisher einzigen Deutschen Meisterschaft geführt hatte. Szepan bildete mit seinem Schwager Ernst Kuzorra jenes geniale Sturm-Duo, das dem FC Schalke 04 zwischen 1934 und 1942 sechs gewonnene Deutsche Meisterschaften bescherte. Darunter unter anderem 1939 ein 9 : 0 gegen den SK Admira Wien (heutige Admira/Wacker) und 1942 ein 2 : 0 gegen den First Vienna FC. Lediglich 1941 musste man sich dem SK RAPID Wien mit 3 : 4 geschlagen geben.
Wenn man die Rivalität im Fußballsport in Deutschland im Besonderen und dann im Ruhrgebiet im Speziellen kennt, dann weiß man auch, was es für die fanatische Anhängerschaft bedeutet, nach erfolgreichen Jahren für einen Verein nun plötzlich für einen Rivalen aus der Nachbarstadt aktiv zu sein. Sei es als Spieler, oder eben, wie in diesem Fall, als Trainer. Szepan war es – aktiv und erfolgreich für Rot-Weiss Essen.
RWE-Präsident Georg Melches stellte Fritz Szepan zum 1. Juli 1954 an. Karl Hohmann führte die 5 Spielzeiten zuvor als Trainer die Geschicke von Rot-Weiss und nicht wenige in der Ruhrmetropole Essen sagen auch heute noch, dass Szepan die Früchte von Hohmann´s Arbeit erntete. Für Melches ging ein Traum in Erfüllung. Nach dem Pokal-Triumph wurde sein RWE auch Deutscher Meister, eben am 26. Juni 1955 mit einem 4 : 3-Erfolg über den 1. FC Kaiserslautern. Das Endspiel wurde im Niedersachsen-Stadion zu Hannover ausgetragen, 76.000 Zuschauer waren aus dem Häuschen.
„Stahl und Kohle formten den Verein,
wir werden Melches immer dankbar sein.
Wir sind sein Erbe angetreten,
werden immer alles geben.
Von der Hafenstraße kommen wir …“
So lauten jene Text-Zeilen, die die Ultras Essen – die seit vielen Jahren auch gute Kontakte zu den Fanatics des FK Austria Wien pflegen – selbst heute noch akustisch zum Besten geben, in Anlehnung an einen Mann, der seit 57 Jahren tot ist. Georg „Schorsch“ Melches galt als Pionier und Gründer des Fußballsports von Rot-Weiss. Zu einer Zeit, als es mit dem ETB Schwarz-Weiß Essen, gegründet 1900, bereits einen etablierten Klub gab, war Georg Melches gemeinsam mit seinem sehr früh verstorbenen Bruder Hermann treibende Kraft, dass RWE zum 1. Februar 1907 als SV Vogelheim das fußballerische Licht der Welt erblickte. Die Chronik weiß zu berichten, dass Papa Heinrich Melches zu Weihnachten 1906 einen Fußball unter dem Christbaum platzierte und seine Söhne Georg und Hermann damit bewusst mit dem Virus Fußballsport infizieren wollte. Es gelang, von da an drehte sich alles nur mehr um den Ballsport im Hause Melches und die Geschichte von Rot-Weiss fand ihren Lauf.
65 Jahre sind seit dem größten Triumph von 1955 vergangen und Rot-Weiss Essen spielt heute in der Regionalliga West (4. Leistungsstufe). Auch das letzte große sportliche Aufzeigen, nämlich die Finalteilnahme um den DFB-Pokal von 1993/94 (1 : 3-Niederlage im Endspiel gegen den SV Werder Bremen im Berliner Olympiastadion) liegt bereits über 25 Jahre zurück. In der 1. Deutschen Bundesliga war RWE zuletzt 1976/77, in Summe 7 Saisonen. In der 2. Deutschen Bundesliga trat man letztmals 2006/07 an, hier war man 23 Spielzeiten aktiv. Und wie formulierte es das Essener Urgestein Willi „Ente“ Lippens vor einigen Jahren so treffend: „RWE gilt immer noch als schlafender Riese. Nur dieser Schlaf ist bereits sehr lange und schier ewig andauernd …!“
Ein großes Kompliment sei an dieser Stelle den beiden Autoren Georg Schrepper (geboren 1966 in Essen) und Uwe Wick (gebürtig 1959 in Essen) ausgesprochen. Beiden Machern dieses Buches gelang es, auf historisch fundierter Basis, jene Zeit vor und nach der bisher einzig gewonnenen Meisterschaft von Rot-Weiss Essen, als bisher größten Triumph, nicht nur aufzuzeigen, sondern auch dauerhaft für die Nachwelt zu bewahren. Der Wind der weht, die Zeit vergeht und Unmengen an Wasser flossen die Emscher und den Rhein-Herne-Kanal entlang. Die Geschichte verblasst und gerät in Vergessenheit. Dies ist der Lauf der Zeit. Nicht aber so mit der Lektüre dieses Buches. 158 Hochglanz-Seiten, zahlreich bebildert mit herrlichen Schwarz-Weiß Schnappschüssen aus jenen Jahren und eine Vielzahl an Geschichten und Geschichterln rund um die Blütejahre von Rot-Weiss Essen von 1955 sind somit gekonnt entstanden und bewahrt.
Es handelt sich dabei abermals und einmal mehr um ein absolut gelungenes Meister-Werk aus dem Hause VERLAG DIE WERKSTATT. Wer die Lebensart der Menschen im Revier kennt und wer weiß, wie sehr dieser Schlag der Deutschen Bevölkerung mit dem ortsansässigen Fußball-Verein verbunden ist, der wird dieses Werk zu schätzen wissen und es lieben.
Prädikat: informativ, interessant, lesenswert, geschichtlich fundiert, ein absolutes Muss!
Quelle: oepb
Deutscher Meister ist nur der RWE
Die goldenden fünfziger Jahre von Rot-Weiss Essen
158 Din A4-Seiten, Hardcover, farbig und schwarz-weiß, unzählige Fotos
ISBN 978-3-7307-0174-4
www.werkstatt-verlag.de
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