11. Oktober 2012
Jährlich erkranken in Österreich etwa 38.000 Menschen an Krebs. Seit 1999 hat die absolute Zahl der jährlich neu aufgetretenen Krebserkrankungen in Österreich bei Männern um 7 Prozent und bei Frauen um 2 Prozent zugenommen. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache hierzulande, im Schnitt sind die Erkrankten 66 Jahre alt („Krebsinzidenz und Krebsmortalität in Österreich“, Hrsg. Statistik Austria, 2012). Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung der palliativmedizinischen Betreuung für die Zukunft.
Aufgabe der Palliativmedizin ist es, unheilbar Kranken mit allen Mitteln zu einem qualitätsvollen und selbstbestimmten Weiterleben zu verhelfen. Prim. MR Dr. Michael Preitschopf, Leiter der Palliativstation St. Raphael des Krankenhaus Göttlicher Heiland, führt aus: „Ziel ist, dass die Patienten ihre verbleibende Lebenszeit weitgehend autonom bestimmen und leben können, indem ihre Schmerzen gelindert und andere belastende Beschwerden körperlicher oder psychosozialer Art behoben und spirituellen Bedürfnissen nachgekommen wird.“
Unterschied Palliativstation – stationäres Hospiz
Beide Einrichtungen verfolgen das Ziel, schwerkranken Menschen die verbleibende Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten. In einem stationären Hospiz steht dabei die pflegerische Begleitung bis zum Lebensende im Vordergrund, während Palliativstationen darum bemüht sind, die Patienten wieder nach Hause zu entlassen. Organisatorisch sind Palliativstationen in ein Krankenhaus eingegliedert, während stationäre Hospize oft eigenständig oder an ein Pflegeheim angeschlossen sind.
Zurück nach Hause
Im vergangenen Jahr gelang es der Palliativstation St. Raphael ein knappes Drittel der Patienten wieder nach Hause zu entlassen (84 von 241 Patienten). Gleichzeitig konnte seit Einrichtung der Station 1992 die durchschnittliche Bleibedauer von 35 auf 15 Tage reduziert werden. Prim. MR Dr. Michael Preitschopf betont: „Wenn sich die Beschwerden verschlimmern, können die Patienten jederzeit zurückkommen. Keiner muss Angst haben, dass er keine Aufnahme mehr findet, wenn er entlassen wird.“
Palliativmedizin verbessert Lebensqualität und kann auch Leben verlängern
Die palliative Behandlung leistet Wesentliches zur Verbesserung der Lebensqualität unheilbar kranker Patienten. 2010 ergab eine Studie in den USA, dass frühzeitige und umfassende palliative Versorgung die Lebenserwartung jedes Einzelnen erhöht. Dazu Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke, Präsident der österreichischen Palliativgesellschaft: „Patienten, die im Rahmen der Studie bereits ab der Krankheitsdiagnose palliativmedizinisch betreut wurden, lebten im Mittel 2,5 Monate länger als die Vergleichsgruppe. Gleichzeitig hatten sie eine deutlich verbesserte Lebens- und Sterbesituation.“ Die Ergebnisse der Studie haben die Stellung der Palliativmedizin in den USA und auch in Europa stark verändert. „Early Palliative Care ist das Gebot der Stunde, denn je früher mit dem Patienten über den Krankheitsverlauf gesprochen wird und je früher und umfassender Symptome und Komplikationen gemanagt werden, umso positiver ist der Krankheitsverlauf bei den Patienten.“, erklärt Prof. Dr. Herbert Watzke.
Großer Bedarf
Wie hoch der Bedarf an palliativer Begleitung tatsächlich ist, zeigt Mag.a Leena Pelttari, Geschäftsführerin des Dachverbandes Hospiz Österreich, auf: „Über 100 Millionen Menschen in Europa würden von Palliative Care profitieren, derzeit haben aber nur 8 Prozent Zugang zu adäquater Betreuung bis zum Ende (Zahlen der European Association for Palliative Care). Diese 100 Mio. umfassen nicht nur onkologisch Erkrankte, sondern auch die steigende Anzahl geriatrischer Patienten und Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit lebensbegrenzenden Erkrankungen.“ Mit 264 Hospiz- und Palliativeinrichtungen, davon 29 Palliativstationen, befindet sich Österreich im guten europäischen Mittelfeld. Den vorhandenen Bedarf können aber die bestehenden Einrichtungen heute schon nicht decken. Die Nachfrage aber wird weiter steigen.
Umfassende Betreuung
Die Erfahrung aus der US-amerikanischen Studie kann Prim. MR Dr. Michael Preitschopf, Pionier der Palliativmedizin in Österreich nur bestätigen: „Wir führen unsere Palliativstation nun seit 20 Jahren und haben dabei mehr als 3.000 Patienten begleitet. Je informierter und damit auch vorbereiteter die Patienten sind, umso leichter fällt ihnen der Abschied.“ Einen ganz wesentlichen Aspekt auf der Palliativstation bildet die Selbstbestimmung bis zuletzt. Dazu gehört, dass Patienten ihren Tag nach ihren Bedürfnissen einteilen können. Es gibt keine vorgegebenen Abläufe. Jeder Einzelne steht mit den eigenen Wünschen und Anliegen im Mittelpunkt. „Unsere Mitarbeiter und vor allem auch unsere Ehrenamtlichen Helfer bewegen teils Unmögliches, wenn sie unseren Patienten einen Wunsch erfüllen und damit den Abschied erleichtern wollen.“, betont der Primar.