Die Donau durchfließt auf über 2.800 Kilometern zehn Länder – so viele wie kein anderer Fluss oder Strom der Erde. Mit diesem riesigen Einzugsgebiet ist sie eine wahre Lebensader für Europa. Die Österreichische Nationalbibliothek / kurz ÖNB porträtiert diesen einmaligen Natur-, Kultur- und Lebensraum in ihrer neuen Sonderausstellung im Prunksaal „Die Donau“. Die Exponate, von denen viele erstmals öffentlich zu sehen sind, laden zu einer „Reise in die Vergangenheit“ und decken dabei den gesamten Flusslauf von den Quellen im heutigen Deutschland bis zur Mündung im Schwarzen Meer ab. Die einzelnen Abschnitte der Schau thematisieren die Donau als Grenze, als verbindendes Element, als wichtigen Transportweg und als einmalige Naturlandschaft. Die Donau als Sehnsuchtsraum zeigt sich in den literarischen Texten etwa von Ingeborg Bachmann und Peter Handke und den farbenprächtigen Aquarellen von Jakob und Rudolf Alt. Diese Kunstwerke stammen wie die dokumentarischen Fotografien von der Regulierung der Donau oder die historischen Pläne und Handschriften zu den Befestigungsanlagen entlang der Donau aus den reichhaltigen Beständen der Bibliothek.
Den Höhepunkt der Ausstellung bildet eine spektakuläre, 44 Meter lange Reproduktion der berühmten Pasetti-Karte. Diese ab 1857 vom k.k. Staats-Ministerium herausgegebene Landkarte bietet eine äußerst präzise Darstellung der Donau auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie: Mitten im Prunksaal kann man damit den Fluss von Passau bis zum Eisernen Tor in wenigen Minuten abschreiten.
Ein europäischer Fluss
Die Donau ist mit über 2.800 Kilometern Länge nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas. Mit Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Moldawienund der Ukraine durchfließt sie zehn Länder – so viele wie kein anderer Fluss auf der Erde. Gleich vier Hauptstädte – Wien, Bratislava, Budapest und Belgrad – liegen an ihren Ufern. Für das Habsburgerreich war sie eine Lebensader, wie kein anderer Fluss verband sie die vielen Reichsteile und Völkerschaften.
In den Akten des Wiener Kongresses wurde erstmals festgelegt, dass internationale Flüsse allen Staaten für die Handelsschifffahrt offenstehen müssen und das galt natürlich auch für die Donau. Aber erst durch Garantien der europäischen Mächte im Frieden von Paris, der 1856 den Krimkrieg beendete, konnte die Internationalisierung der Donau durchgesetzt werden. Die bald danach erfolgte Regulierung und Schiffbarmachung des Flusses war daher eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte in der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph I. 1992 wurde schließlich der Main-Donau-Kanal eröffnet, wodurch es erstmals eine durchgehende Wasserstraße zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer gab.
In der neuen Sonderausstellung im Prunksaal steht eine farbenprächtige, die Vitrine ausfüllende Übersichtskarte der Donauländer für diese europäische Dimension der Donau: „Cours Du Danube …“ des italienischen Kartografen Vincenzo Coronnelli, und wurde 1688 in Paris gedruckt.
Knapp 150 Jahre später veröffentlichte Adolph Kunike sein großes Mappenwerk „264 Donau-Ansichten nach dem Laufe des Donaustromes von seinem Ursprunge bis zu seinem Ausflusse in das Schwarze Meer“. Die Lithographien stammen u. a. von Jakob Alt, Franz Wolf und Ludwig Erminy, ausgewählte Motive sind als Reproduktion in der Ausstellung zu sehen. Alle 264 Bilder können virtuell über die Website der Österreichischen Nationalbibliothek durchblättert werden: Für jedes einzelne Werk kann dort zudem eine Patenschaft übernommen werden, die Spende unterstützt die Österreichische Nationalbibliothek bei der restauratorischen Bearbeitung und Konservierung wertvoller Objekte.
Die wichtigste Wasserstraße der Habsburger
Jahrhundertelang war der Wasserweg die beste und günstigste Transportmöglichkeit. Lange vor der Erfindung von LKW, Eisenbahn und Flugzeug wurden Salz, Holz, Erz, Wein, Getreide und Vieh, aber auch Soldaten und Auswanderer über Flüsse an ihr Ziel gebracht. Eine Fahrt von Regensburg nach Wien dauerte damals mindestens eine Woche – in Gegenrichtung entsprechend länger, weil es stromaufwärts ging. Johann Nepomuk Hoechles Bild „Schiffzug“ aus dem Jahr 1825 zeigt in der Ausstellung sehr eindrücklich, wie aufwendig solche Fahrten waren. Gute Schiffe überstanden dabei mehrere Fahrten, viele wurden aber nach einer einzigen Fahrt stromabwärts zu Brennholz zerlegt, denn aufwärts mussten sie gezogen (getreidelt) werden.
Doch die Donau als Wasserstraße sollte sich bald gravierend ändern: 1829 erfolgte die Gründung der Ersten k. k. privilegierten Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft (DDSG), die ab 1830 den Linienverkehr aufnahm. In diesem Jahr legte ein Dampfer die Strecke Wien – Budapest erstmals in etwas mehr als 14 Stunden (retour über 48 Stunden) zurück. Die DDSG expandierte enorm, besaß eigene Werften in Budapest und Korneuburg sowie Bergwerke in Pécs zur Kohlegewinnung für die Dampfmaschinen. 1880 war die DDSG schließlich die größte Binnenreederei der Welt, die Flotte bestand aus über 200 Dampfschiffen und etwa 1.000 Lastkähnen. Historische Reiseführer und Reiseberichte stehen in der Ausstellung für die große touristische Bedeutung des Flusses, die mit dieser Revolution der Fortbewegung einherging, ein SW-Foto von Lothar Rübelt mit einem „Amateurfotografen in Kritzendorf“ zeigt die Donau als privaten Naherholungsraum.
Grenze und Kriegsschauplatz
Die Donau hatte aber nicht nur als Verkehrsweg große Bedeutung, sondern auch als Grenze: Die Auseinandersetzungen um Territorien und Vormachtstellungen, der wechselnde Einfluss von Großmächten wie dem Osmanischen Reich, der Habsburgermonarchie oder Russland bestimmten jahrhundertelang die Geschichte des Donauraumes. Erstmals öffentlich zu sehen ist in der Ausstellung die prachtvolle Handschrift des kaiserlichen Kriegs-Kommissars Heinrich Ottendorf, der Leopold I. diese „Reisebeschreibung“ von Ofen (Budapest) nach Belgrad widmete. 1665 befand sich dieses Gebiet unter osmanischer Oberhoheit und die genauen Angaben zu den Palanken (kleine Befestigungen) entlang der Donau waren von strategischer Bedeutung für die Habsburger.
Auf der Donau wurden zum Schutz und als Patrouille auch Kriegsschiffe (Tschaiken) eingesetzt. Die schmalen und flachen Boote konnten sowohl gerudert als auch gesegelt werden. Sie hatten eine Besatzung von etwa 30 Mann und konnten im Kriegsfall mit Kanonen bestückt werden. Gebaut wurden sie in Klosterneuburg, Stützpunkte lagen u. a. an der Theißmündung. Ein Tschaikenbataillon war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Teil der k. k. Donauflottille.
Ein einmaliger Sehnsuchtsraum
Neben der wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung war die Donau aber immer auch ein Sehnsuchtsraum, ein Ort „jenseits der Geschichte“, ein Schauplatz von Sagen, Gedichten und Erzählungen. Reiseberichte erzählten von den unterschiedlichen Kulturen und vielfältigsten Sehenswürdigkeiten entlang des Flusses, illustrierte Werke mit authentischen Ansichten von Orten und Landschaften erreichten ein breites europäisches Publikum. Der „Kulturraum Donau“ wird im Prunksaal durch bemerkenswerte Aquarelle Jakob Alts illustriert: Seine insgesamt 55 Ansichten der Donau von Engelhartszell bis Wien zählen zum „Memory of Austria“ der UNESCO; jeweils zwei dieser Kunstwerke sind im Original ausgestellt, aus konservatorischen Gründen werden sie regelmäßig ausgetauscht.
Ein besonderes literarisches Zeugnis für die Magie der Donau ist Ingeborg Bachmanns „Malina“: In diesem Roman schafft das Märchen der Prinzessin von Kagran einen zeitlosen mythischen Raum ohne Grenzen, die urtümliche wilde Donau und die Donau-Auen, in die die Prinzessin entführt worden ist, bilden dafür den Imaginationsraum. Im „Donauweibchen“ von H. C. Artmann und Gerhard Rühm kommt Elfi, die Tochter des Wassermanns Danubius, über die Wasserleitung nach Wien und bezirzt die Halbstarken in einer Bar. Sie will ein Mensch mit Seele werden, was aber nicht gelingt, weil ihr Burli untreu ist. Andreas Okopenko lädt in seinem experimentellen „Lexikonroman“ die LeserInnen dazu ein, sich aus den alphabetisch geordneten Impressionen und Textbausteinen zu einer Donau-Schiffsreise von Wien in die Wachau selbst eine Geschichte zu basteln. Ebenfalls ausgestellt ist ein Gegenstand heftiger Diskussionen: Das Typoskript zu Peter Handkes 1995 erschienenem Buch „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“.
Unumstritten ist hingegen die heimliche Landeshymne Wiens: Der 1867 uraufgeführte Walzer „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauß (Sohn) ist im Erstdruck zu sehen, dieser liegt neben dem Manuskript der unvollendet gebliebenen symphonischen Dichtung „Donau“ von Richard Strauss aus dem Jahr 1941.
Die Donau-Regulierung
Ursprünglich war die Donau ein gefährliches Gewässer: Zahlreiche Felsen und Stromschnellen waren Hindernisse für die Schifffahrt, mehrmals jährlich wiederkehrende, teils katastrophale Überschwemmungen und Eisstöße prägten das Leben am Strom. Bereits 1715 gab es daher erste Überlegungen für eine umfassende Regulierung der Donau, um Siedlungen und Bauernhöfe im Einzugsgebiet zu schützen. Konkret wurden die Pläne aber aus einem anderen Grund: Das Habsburgerreich wollte einen seiner wichtigsten Verkehrswege absichern und erschließen. Vor allem die rasch anwachsende Hauptstadt Wien wurde hauptsächlich über den Wasserweg mit Nahrungsmitteln und Gütern versorgt. Aufgrund finanzieller Engpässe war an eine durchgehende Regulierung der Donau jedoch vorerst nicht zu denken.
Vor über 150 Jahren, genau am 14. Mai 1870, erfolgte dann der Spatenstich für die Regulierung der Donau im Raum Wien. Nach katastrophalen Überschwemmungen in den Jahren 1830, 1849, 1850 und 1862 waren Kommissionen zur Erarbeitung eines Regulierungsprojektes eingesetzt worden. Der erfolgreiche Bau des Suezkanals trug zur Durchsetzung einer „radikalen“ Lösung bei – der Schaffung eines neuen begradigten Flussbettes. 1869 entwarf Jakob Alts Sohn Rudolf eine künstlerische Vision dieser regulierten Donau: Das großformatige Aquarell zeigt monumentale Bauten entlang des Wiener Ufers, die nie verwirklicht wurden. 1873 wurde das Kunstwerk mit „allerhöchster Genehmigung“ bei der Wiener Weltausstellung gezeigt, danach kam es an die Hofbibliothek und ist nun nach umfangreichen Restaurierungen erstmals wieder öffentlich zu sehen. „Für mich ist dieses Aquarell eines der Highlights der Ausstellung, steht es doch sinnbildlich für die reale wie für die imaginierte Donau.“, betont Mag. Robert Lasshofer, Vorstandsvorsitzender des Wiener Städtischen Versicherungsvereins. „Es zeigt, dass dieser Fluss für die Kunst genauso wichtig war und ist wie für die Wirtschaft. Selbst die Versicherungsbranche wurde durch den zweitlängsten Fluss Europas inspiriert – so ist die DONAU Versicherung seit fünf Jahrzehnten Teil der Wiener Städtischen Versicherungsgruppe. Vor diesem Hintergrund und im Rahmen unserer langjährigen Kooperation mit der Österreichischen Nationalbibliothek ist der Wiener Städtische Versicherungsverein ein stolzer Partner dieser Ausstellung.“
Die Pasetti-Karte
Bevor der Strom jedoch gezähmt werden konnte, musste er kartografisch erfasst werden: Auf Initiative Valentin von Streffleurs wurden 1857 insgesamt 16 Blätter als „Schifffahrts-Karte der Donau im Bereiche des Österreichischen Kaiserstaates“ gedruckt. Unter dem Titel „Karte des Donau-Stromes innerhalb der Gränzen des österreichischen Kaiserstaates“ wurde die Karte 1862 noch einmal veröffentlicht und dann sukzessive bis 1867 erweitert: Am Schluss versammelte das Werk 54 Karten und reichte bis ins heutige Rumänien. Die Pasetti-Karte bildet die Donau von Passau bis zum Eisernen Tor in einem Maßstab 1:28.800 ab. Dadurch ergibt sich eine Gesamtlänge von 36 Metern. Die im Prunksaal gezeigte Reproduktion kommt durch zahlreiche ergänzende Illustrationen auf eine Länge von 44 Metern. Ihren Namen verdankt dieses Meisterwerk der Kartografie dem Hydrotechniker und mächtigen Ministerialbeamten Florian von Pasetti – er hat dieses editorische Großprojekt geleitet. Damals hatte sie den Zweck, ein öffentliches Bewusstsein für die politische und wirtschaftliche Bedeutung dieses Wasserweges für die gesamte Donaumonarchie zu schaffen.
Heute, nach den großen Regulierungsmaßnahmen und der Errichtung zahlreicher Kraftwerke, ist sie eine Erinnerung an eine Donau, die es so über weite Strecken nicht mehr gibt.
Quellen: Österreichische Nationalbibliothek / oepb.at
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