Der Absatzboom reinelektrischer Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) erreicht in Österreich neue Dimensionen – sie sind mittlerweile am Massenmarkt angekommen. Auch die Produktion der europäischen Autobauer nimmt wieder Fahrt auf. Allerdings gehen ihre Aufträge leicht zurück – der BEV-Preiskampf erreicht somit Europa. Das zeigt der „Electric Vehicle Sales Review“ von PwC Autofacts® und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 20 ausgewählten Märkten ausgewertet werden.
In Österreich wurden im zweiten Quartal 2023 um 65,6 Prozent mehr BEVs verkauft als im Vorjahreszeitraum – dies entspricht einer Neuzulassung von 12.137 BEVs. Dieser Anstieg stellt einen deutlichen Sprung im Vergleich zum ersten Quartal dieses Jahres dar, in dem der Zuwachs noch bei 56,8 Prozent – und somit 11.235 verkauften BEVs – lag. Durch das kräftige Wachstum erreichen BEVs im ersten Halbjahr in Österreich mit insgesamt 23.372 verkauften BEVs einen Marktanteil von 18,4 Prozent und durchbrechen damit die Schwelle zum Massenmarkt.
„Damit wird – trotz der zwischenzeitigen Energiekrise mit gestiegenen Stromkosten – zunehmend klar, dass Elektromobilität auf dem Weg ist, im Individualverkehr zu dominieren. Diese Entwicklung wird durch einen kontinuierlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur unterschiedlicher Akteure stark gestützt. Damit die Mobilitätswende aber auch zur Klimawende beiträgt, ist der Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung eine dringende Voraussetzung“, erklärt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich.
Vollhybrid ist noch immer beliebtester E-Antrieb in Österreich
In Österreich dominieren nach wie vor hybride Fahrzeuge mit einem Marktanteil von 20,6 Prozent. Insgesamt wurden in den vergangenen sechs Monaten 26.079 Hybrid-Modelle in Österreich neuzugelassen. Plug-In-Hybride (PHEV) machen mit 8.812 verkauften Fahrzeugen 7 Prozent aller Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2023 aus. In Summe weisen E-Fahrzeuge (BEV, PHEV und Hybride) mit 58.263 Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2023 einen Anteil von 46 Prozent am Gesamtmarkt auf.
BEVs sind noch nicht am globalen Mainstream-Markt angekommen
Mit einem weltweiten Marktanteil von 12,7 Prozent sind BEVs allerdings noch nicht auf dem globalen Massenmarkt angekommen, zeigen aber ein signifikantes Wachstum von 38,6 Prozent im ersten Halbjahr 2023. Die drei größten europäischen Märkte – Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich – befinden sich genau am Wendepunkt zum Mainstream-Markt mit einem BEV-Marktanteil von jeweils etwa 16 Prozent und Zuwächsen zwischen 32 Prozent und 48 Prozent in der ersten Hälfte dieses Jahres verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Das Wachstum jedes jeweiligen BEV-Marktes hängt weitgehend von seiner Reife ab. So wiesen Norwegens BEV-Verkäufe mit 2 Prozent das geringste Wachstum der untersuchten Länder im Jahresvergleich auf, was auf einen bereits gesättigten BEV-Markt zurückzuführen ist – mit 83,1 Prozent besitzen BEVs hier weltweit betrachtet den größten Marktanteil. Das Gegenteil ist bei BEV-Märkten zu beobachten, die langsam an Fahrt gewonnen haben: So haben sich beispielsweise in Indonesien die BEV-Verkäufe im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres verzehnfacht, wenn auch ausgehend von einer niedrigen Basis von weniger als 500 Einheiten.
BEV-Rabattschlacht erreicht Europa
Nachdem die Nachwehen von Covid-19 sowie des weltweiten Chip-Engpasses schwinden, zieht die Produktion der europäischen Autobauer wieder an. Allerdings gehen zugleich die Auftragseingänge leicht zurück. OEMs sehen sich nun vor die Entscheidung gestellt, ihre Produktion zu drosseln oder ihre Fahrzeuge stärker zu rabattieren. Die Autobauer am deutschen Markt setzen verstärkt auf Rabatte und gewähren diese auch für BEVs, um zusätzlich von dem wahrscheinlich anhaltenden Verkaufswachstum zu profitieren. So erhöhte sich der durchschnittliche Preisnachlass für BEVs zum Beispiel im Premiumsegment innerhalb eines Monats um 26,6 Prozent und betrug im Juli dieses Jahres 13,8 Prozent.
„Die chipmangelbedingte Verschnaufpause, die das BEV-Angebot künstlich verknappt und nicht zuletzt europäischen Herstellern große Gewinne beschert hat, ist vorüber. Mit dem Eintritt in den Massenmarkt herrschen nun auch im Elektrosegment normale Marktbedingungen – mit allem, was dazu gehört“, sagt Günther Reiter, Automotive Leader bei PwC Österreich. „Die Early-Adopter und Überzeugungskäufer haben sich eingedeckt. Nun greifen die Mainstreamkäufer zu, die jedoch härtere Kriterien hinsichtlich Produkt und Preis anlegen. Die europäischen OEMs werden aktuell in einen Preiskampf gezwungen, den sie nur bestehen können, wenn sie noch Puffer bei den Kosten haben. Am Ende werden jene Marken als Sieger vom Feld gehen, die ihre Lieferketten wie beim Verbrenner üblich kontrollieren und mit alltagstauglichen Fahrzeugen im Volumenmarkt überzeugen.“
Deutsche Hersteller können Heimatmarkt noch verteidigen
Während die deutschen Autobauer ihre dominierende Position am chinesischen Gesamtmarkt im vergangenen Quartal räumen mussten, können sie auf ihrem Heimatmarkt ihre Stellung behaupten. Im Juni kommen sie zusammen auf über 45 Prozent Marktanteil und machen drei der fünf am meisten verkauften Automarken aus. Der erfolgreichste chinesische Produzent MG kommt auf 3,7 Prozent Marktanteil. Der MG 4 belegt beim Ranking der beliebtesten BEV-Modelle in den vier wichtigsten EU-Märkten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien im ersten Halbjahr 2023 allerdings bereits den siebten Platz und liegt damit vor dem Volkswagen ID.3, Renault Megane Electric und Audi Q4 e-tron. Dominiert wird das Ranking vom Tesla Model Y, gefolgt vom Fiat 500e auf Platz 2 und dem Volkswagen ID.4 und ID.5 auf Platz 3. Tesla dominiert auch in China und den Vereinigten Staaten den ersten Rang.
Drohende Oligopolbildung auf dem Batteriemarkt
Der Hochlauf der Batteriezellfertigung in Europa geht in großen Schritten voran. Der chinesische Marktführer CATL hat im thüringischen Arnstadt nach fünfjähriger Bauzeit ein Werk mit einer jährlichen Speicherkapazität von 14 Gigawattstunden eröffnet. Ein noch größeres Werk ist in Ungarn geplant. „Mit dem Ausbau der Batteriezellfertigung in Europa macht der Hochlauf der E-Mobilität einen großen Sprung nach vorne. Allein mit der deutschen Produktionskapazität von CATL können 200.000 Plug-In-Hybride ausgerüstet werden und damit ein knappes Fünftel aller in Deutschland produzierten Fahrzeuge. Gerade die deutschen Hersteller stehen nun allerdings vor der Frage, ob sie sich in eine starke Abhängigkeit von Batteriezulieferern begeben sollen, die mit günstigen Konditionen bei Exklusivabnahmen locken, um in der aktuell kritischen Phase Kosten zu senken. Oder ob sie dem Werben widerstehen und durch den Aufbau eigener Fertigung die strategische Kontrolle über die Lieferketten langfristig zurückzuerlangen“, so Strategy&-Experte Johannes Schneider.
Über Strategy&
„Strategy& ist die globale Strategieberatung von PwC. Wir entwickeln individuelle Geschäftsstrategien für weltweit führende Unternehmen, basierend auf differenzierenden Wettbewerbsfähigkeiten. Wir sind die einzige Strategieberatung als Teil eines globalen Professional Services Netzwerks. Unsere Expertise kombinieren wir mit Technologie und erarbeiten daraus eine passende Strategie, die effizient umsetzbar ist. „Strategy, made real“ heißt für uns, den digitalen Wandel voranzutreiben, die Zukunft mitzugestalten und Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. 3.000 Strategieberater:innen und fast 328.000 PwC-Mitarbeiter:innen in 152 Ländern tragen hierzu mit hochwertigen, branchenspezifischen Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung bei.“