Erwin H. Aglas war ein Redakteur, der sich einst den gewaltigen Zorn von Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky zuzog. Der allerdings auch mit seinen unverblümt gestellten Fragen jahrzehntelang – sehr zum Leidwesen so mancher Politiker, dafür zur hellen Freude seiner Kollegen – zahllose Pressekonferenzen würzte und belebte.
Unter den wenigen freischaffenden Journalisten Österreichs galt der Linzer Journalist und Publizist Erwin Hans Aglas als Doyen und gleichzeitige Institution der Medienlandschaft. Er war zu seiner Zeit eine herausragende Persönlichkeit im „Lande ob der Enns“ und auch darüber hinaus.
Nach Jahrzehnten, die er pendelnd in den ÖBB zwischen Wien, Graz und Linz verbrachte, zog sich e.h.a. Mitte der 1980er Jahre zur Gänze in sein im Jahre 1947 gegründetes Österreichisches Pressebüro in Linz zurück. Während eines fast 70jährigen Berufslebens erlebte er zahlreiche Höhenflüge, musste allerdings auch fürchterliche Tiefschläge einstecken.
Bereits als Student verfasste er Kurzgeschichten, Feuilletons – darin sah er stets den „Wassertropfen, in dem sich der Kosmos spiegelt“ – sowie Theater- und Filmkritiken. 1936 galt er mit 19 Jahren als jüngster Redakteur Österreichs.
Sein Durchbruch gelang ihm mit dem Hörspiel „Eine Großstadt geht schlafen!“, das er für die RAVAG, dem Vorgänger des heutigen ORF, verfasste. Seine Film- und Theaterkritiken wurden gelobt, oder aber verteufelt, je nachdem, einerlei waren sie keinem. Dies ging sogar soweit, dass „in die Jahre gekommene“ weibliche Theaterstars den jungen Journalisten im Café Traxlmayr an der Linzer Promenade ob einer besseren Kritik bezirzen wollten – ohne Erfolg versteht sich.
Während des Zweiten Weltkrieges musste er beruflich kürzer treten. Die anfängliche Begeisterung für das neue System wich bald der Ernüchterung. Aglas kritisierte heftig das NS-Regime. Dies brachte ihm die Kündigung bei der Tageszeitung und damit den Verlust des Arbeitsplatzes ein. Ein Angebot und damit auch der verbundene berufliche Aufstieg nach Essen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen zur dortigen Nationalzeitung zu gehen, schlug er aus. Als auch die mehrmalige Anfrage von ihm, im Konzentrationslager Mauthausen bei Linz einen Report recherchieren und publizieren zu wollen, abgelehnt wurde, zog er freiwillig in den Krieg, da der Haftbefehl gegen ihn bereits fix und fertig unterschrieben in der Schreibtischlade beim Gauleiter von Oberdonau August Eigruber lag.
Die GESTAPO stellte ihn vor die Wahl, Insasse im KZ wegen parteischädigendem Verhalten oder aber freiwilliger Kriegsdienst. Die junge Ehe mit Bärbel, einer bezaubernden Bank-Beamtin der Creditanstalt-Bankverein am Linzer Taubenmarkt, wurde von Anbeginn an auf eine harte Probe gestellt. Unmittelbar nach dem Hochzeitstermin am 6. September 1943 zog Aglas in den Krieg, geriet bei Sheffield in Englische Kriegsgefangenschaft und kehrte aus dieser erst im Frühling 1947 wieder nach Linz zurück. Einer Gelbsucht und dem damit verbundenen Aufenthalt im Lazarett war es zu verdanken, dass durch einen glücklichen Zufall ein Kollege aus Linz sein Bettnachbar war. Dieser überbrachte Bärbel die Nachricht, dass der junge Gatte Erwin zwar in Gefangenschaft sei, aber am Leben war.
Aglas wurde jedoch auch in der Gefangenschaft nicht langweilig. Er gründete dort eine Lagerzeitung und verlautbarte jeden Tag vor versammelter Kriegsgefangenen-Mannschaft die neuesten Nachrichten der BBC, die er vom englischen ins deutsche übersetzte. Sein steter Versuch, beim Lagerkommandanten zum Bitt-Rapport gehen zu dürfen, wurde immer wieder abgewiesen. Also zündete Aglas kurzerhand ein Zelt an. Das damit einhergehende mutwillige Beschädigen von englischem Kriegseigentum brachte ihm natürlich sofort den „Befohlenen Rapport“ ein. Aglas sah sich am Ziel, denn er wollte lediglich erfahren, wann denn die Zeit der Kriegsgefangenschaft für sämtliche Soldaten und ihn beendet sei. „Jeder Häftling weiß, wann seine Strafe vorbei und er seine Zeit abgesessen hat. Wir Deutsche Kriegsgefangene – „Prisoners of War“ – wissen das nicht.“, so sein Einwand. Nun, die Zeit brachte mit sich, dass ab Herbst 1946 Zug um Zug die ersten Gefangenen nach Hause entlassen wurden. Er, Aglas, war beim allerletzten Transport dabei. Die Wiedersehensfreude in Linz mit Gattin Bärbel, Schwester Hilde und den Eltern war naturgemäß groß.
Nach seiner Rückkehr gründete er nicht nur das oben erwähnte Unternehmen oepb, es kam auch noch der Österreichische Kultur-Pressedienst hinzu. Die Schweizer Honorare ließ er sich in Form von Care-Paketen ableisten und konnte so seine Autoren in Naturalien bezahlen. Das damals schwierige Problem der Papierbeschaffung löste er, indem er in der Steiermark einen Wald kaufte und das Holz gegen Rotationspapier eintauschte. Mit gleicher Methode ermöglichte der Findige auch die Herausgabe seines ersten Buches, dem über 1.000 Seiten starken Almanach „Die 2. Republik und ihre Repräsentanten“, mit Kurzbiografien sämtlicher Politiker, vom Bundespräsidenten bis hin zu den Bürgermeistern. Eine Zeitschrift, der „Literatur-Spiegel“ folgte.
Auch privat war das Glück hold. Bärbel schenkte Erwin am 3. November 1947 eine gesunde Tochter, Jutta-Sybille, die später beruflich als Kindergärtnerin äußerst erfolgreich sein sollte.
Zu besonderen Anlässen publizierte der Publizist besondere Buch-Werke. „40 Jahre Burgenland“, „600 Jahre Tirol“, „40 Jahre Kärnten – frei und ungeteilt“, „Tirol – Land und Leute“, „Die grüne Mark“, „Land OÖ und seine Politiker“, und so weiter. Die Publikation „Das Traunviertel – Land und Leute“, löste damals eine Touristeninvasion aus Berlin nach Oberösterreich aus. Mit dem „bäder-journal“ und der „Österreichischen Bauchronik“ drang er in einen damals noch völlig unbekannten Markt ein.
Dem nicht genug verfasste der passionierte Bahnfahrer während der unzähligen Pendeleien zwischen den Schreibtischen in Wien, Graz und Linz im Speisewagen der ÖBB auch noch zwei Romane. „Madame M / Die Herrin der Welt“ verglich die Kritik im Stil „… mit einer an Hemingway gemahnenden Sprache“. Dieser Roman hätte vom Wiener in die USA emigrierten Otto Preminger in Hollywood verfilmt werden sollen. Der deal scheiterte am Ableben Premingers. Auch der Roman „Rotation / Chefredakteur Stefan Eyck“ zielte seinerzeit punktgenau in die Wiener Wirtschafts- und Presseszene der frühen 1970er Jahre.
Ebenso war Erwin H. Aglas knapp 20 Jahre lang in Wien beim Oswald Möbius-Verlag tätig. Die Anschrift Mariahilferstraße, Ecke Amerlinggasse beim Cafe Ritter war legendär und zahlreiche „Kamin-Gespräche“ wurden in besagtem Café bei schwarzem Mokka und Sachertorte mit Schlag, oder aber einer Würstel-Eierspeis „ausgeschnapst“. In jenen Jahren kam auch noch die TV- und Hörfunkbeilage „Programm“, hinzu, die in 25 Tages- und Wochenzeitungen ihre Beilage fand. Auch der kleinen Bezirkswochenzeitung „Kremstal-Bote“, erschienen im Ziegler-Verlag im oberösterreichischen Kirchdorf an der Krems, verhalf er zur Bekanntheit. Als Aglas dort begann den Leitartikel zu verfassen, hatte das Blatt eine Auflage von ein paar hundert Stück. Als Aglas den Leitartikel nach Jahren dort beendete, hatte der „Kremstal-Bote“ an die 10.000 Abonnenten. Seine pointiert verfassten Kommentare über die parteipolitische Landschaft hierzulande waren von der Leserschaft geschätzt, von den Politikern jedoch gefürchtet. Der jahrelange SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Karl Grünner sehnte einerseits jeden Donnerstag sein Belegexemplar herbei, um sich dann zu der Aussage hinreissen zu lassen: „Gott Lob, wieder eine Woche davongekommen!“, in Anlehnung dazu, dass e.h.a. über ihn und sein Ressort in dieser Ausgabe nichts Negatives zu publizieren wusste.
Erwin H. Aglas besaß auch ein Langzeitgedächtnis. Dieses wusste sämtliche Zitate, Daten und Fakten von längst vergangenen Pressekonferenzen. Nicht selten konfrontierte er damit die Veranstalter, wenn er spitzbübisch meinte, dass beispielsweise vor 10 Jahren die Sachlage ähnlich lag, folgende Änderungen heraufbeschworen wurden, bis dato aber nichts geschehen sei. Seine punktgenauen Fragen bildeten die Würze zahlreicher Pressekonferenzen und man vermisste ihn, glänzte er einmal durch Abwesenheit. Auch der damalige Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky war ihm nicht immer gewogen. Mit der Aussage, dass ihrer beider Enkel, Oliver und Gernot, dereinst die von Kreisky gemachten Schulden bezahlen werden müssen, zog den Umstand nach sich, dass Aglas ein Jahr lang nicht zu den Pressekonferenzen des Kanzlers eingeladen wurde. Auch beim damals frisch in Leben gerufenen Presse-Foyer nach dem Ministerrat wurde Aglas die „Rote Karte“ gezeigt.
Der „gebeugte“ Unbeugsame war Zeit seines Lebens unabhängig. Zahlreiche Versuche, ihn zu kaufen und damit journalistisch mundtot zu machen, scheiterten kläglich. Bis zuletzt war er von der Art und Weise des Journalismus, der Recherche und der damit einhergehenden Reportage mit all seinen knallharten Fakten überzeugt. „Man muss Kritik üben, wo sie angebracht ist. Man muss aber auch Lob zollen, wenn etwas positiv ist.“, so lautete stets sein Credo. „Fake-News“ – ein Wort, welches im Vokabular von e.h.a. nie Einzug gehalten hätte, gab es für ihn nicht.
Der hier Beschriebene hätte heute Geburtstag! Man weiß zwar nicht, wo er derzeit beschäftigt ist – beim „Himmlischen Beobachter“, oder aber beim „Höllen-Kurier“. Für beide Blätter hätte er gerne geschrieben, so sein Ausspruch zu Lebzeiten. Das oepb hat allerdings immer noch Bestand. Ein bisserl anders und ein bisserl moderner, aber eben immer noch, und das seit nunmehr 75 Jahren. e.h.a. würde genau dieser Umstand sehr freuen.
Darum – ein weißes „Reise-Achterl“ auf Dich, sollst hochleben, wo auch immer … und weiter geht´s!
Quelle: Redaktion www.oepb.at