E-Scooter prägen immer mehr Stadtbilder. Für den einen bedeuten sie Flexibilität und ein Stück Freiheit, für andere sind sie ein Ärgernis und Stolperfallen auf den Gehwegen. Das Fahren mit E-Scootern ist nicht nur ein Funfaktor, sondern zieht auch ein hohes Unfallrisiko nach sich. Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) kamen 2022 rund 3.600 Fahrerinnen und Fahrer nach einem Unfall ins Krankenhaus, vier endeten sogar tödlich.  Einem Medienbericht vom Februar 2023 zufolge gab es allein auf Wiens Straßen 81 Prozent mehr Unfälle mit E-Scooter-Beteiligung als das Jahr zuvor.

Das Institut für Versicherungswirtschaft an der JKU / Johannes Kepler Universität Linz widmet sich in seiner Frühjahrsveranstaltung dieser aktuellen Thematik, die nicht nur für alle Verkehrsteilnehmer, sondern auch für Kommunen zu einer immer größeren Herausforderung wird. „Laut Statistik Austria gab es im ersten Halbjahr 2022 verglichen mit demselben Vergleichszeitraum des Vorjahres um 44,9 Prozent mehr Unfälle mit E-Bikes, zu denen auch die E-Scooter gezählt werden“, erklärt Othmar Nagl, Vorsitzender des Instituts und Generaldirektor der Oberösterreichischen Versicherung. Ganz genau lässt es sich also nicht sagen, wie hoch die Zahl der verunfallten Scooter-Fahrenden ist, laut Hochrechnung des KFV gingen 2022 rund 3.600 Unfälle mit anschließender Spitalsbehandlung auf deren Konto. Im Vergleich: 2020 mussten rund 1.300 Personen nach E-Scooter-Unfällen im Spital behandelt werden, 2021 waren das bereits 2.700.

Die Erhebungen des KFV zeigen, dass die häufigsten Unfallursachen zu hohes Tempo, Unachtsamkeit und Selbstüberschätzung sind. Bei rund 75 Prozent der Fälle sind die Lenker selbst schuld am Unfall. Ein Großteil der Verletzten ist männlich und jünger als 40 Jahre. Fast jeder vierte Unfall ereignet sich auf der Fahrbahn, rund ein Drittel auf Gehsteigen, wo das Fahren ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde verboten ist. Nur rund 2 Prozent tragen einen Helm. Die häufigsten Unfallfolgen sind Knochenbrüche, Sehnen- und Muskelverletzungen, Abschürfungen sowie Prellungen.

Im Bild von links: Mag. Martin Hajart, MBA – Vizebürgermeister der Stadt Linz, OÖ-Versicherung-Generaldirektor Mag. Othmar Nagl – Vorsitzender des Instituts für Versicherungswirtschaft, DI Doris Wendler – Vorstandsdirektorin der Wiener Städtische Versicherung AG, sowie Dir. Mag. Christian Schimanofsky – Geschäftsführer des KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit). Foto: Institut für Versicherungswirtschaft

Forderung nach besserer Ausstattung

„E-Bike und E-Scooter sind zunehmend beliebte Fortbewegungsmittel. Damit die E-Bike- und E-Scooter-Fahrenden sicher im Straßenverkehr unterwegs sind, ist eine qualitativ und quantitativ hohe Radinfrastruktur essenziell. So werden diese, durchaus attraktiven Mobilitätsformen, sicher in unser Verkehrssystem integriert. Ein wichtiger Schritt wäre die Umsetzung der Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) 03.02.13 für den Radverkehr. Mit dieser kann die gesamte Radinfrastruktur deutlich verbessert werden“, so KFV-Geschäftsführer Mag. Christian Schimanofsky.

Rund 15 Prozent der E-Scooter fahren noch immer auf Gehsteigen und stoßen dabei oft mit Fußgängern zusammen.  Das KFV spricht sich neben dem Ausbau der Radwege auch für eine bessere Ausrüstung von E-Scootern aus, wie etwa eine zweite Bremse und auch verpflichtend eine Hupe oder Glocke. Außerdem birgt das Anzeigen des Richtungswechsels per Handzeichen eine weiteres erhöhtes Unfallrisiko, daher sollte ebenfalls verpflichtend ein Blinker angebracht werden.

Seit Juni 2019 gelten in ganz Österreich die gleichen Regeln für E-Scooter wie für Radfahrer, hier braucht es aber noch viel Aufklärungsarbeit. So gilt etwa in Fußgängerzonen, Wohnstraßen und auf Gehsteigen Schrittgeschwindigkeit, je mehr Fußgänger, desto langsamer muss man fahren. Auf Gehsteigen ist das Abstellen von E-Scootern nur dann erlaubt, wenn dieser mehr als 2,5 m breit ist. Das Abstellen der Leih-Scooter ist für viele nämlich ein noch größeres Problem als die Ausstattung. Die wild herumliegenden oder -stehenden Leih-Scooter werden für andere Verkehrsteilnehmer wie Spaziergänger und Radfahrer rasch zur Stolperfalle – vor allem nachts.

Linz krempelt Verleihkonzept um

Die Stadt Linz ist sich des Problems bewusst. Der im Stadtrat für Verkehr zuständige Referent, Vizebürgermeister Martin Hajart, tritt für eine stärkere Reglementierung hinsichtlich Leih-Scooter ein: „Das Mobilitätsverhalten im urbanen Raum befindet sich im Wandel, etwa auch durch neue Sharingangebote. E-Scooter können eine sinnvolle Ergänzung im städtischen Mobilitätsmix sein, allerdings braucht es dafür angepasste Regeln. Die Kommunen müssen die Rahmenbedingungen adaptieren, um potenzielle Konflikte im Straßenraum möglichst hintanzuhalten.“

Dafür wird gerade das Verleihkonzept in der Landeshauptstadt umgekrempelt. Wer sich einen E-Scooter ausleiht, kann sie künftig nur mehr an dafür vorgesehenen Abstellflächen zurückgeben. Rund 100 gekennzeichnete Zonen werden dafür rund um die Innenstadt zur Verfügung gestellt, mit der Markierung wird in Kürze begonnen. Technisch ist die Umsetzung jedenfalls möglich. Hajart dazu: „Durch die Programmierung der E-Scooter kann man auf 20 Zentimeter genau einstellen, dass die Scooter nur in diesen Stellplätzen abgestellt werden dürfen, sonst laufen die Gebühren weiter.“ Das Konzept wird mehr Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer bringen. Das Angebot für die E-Scooter-Fahrenden wird sich dadurch kaum ändern, nur dass die letzten paar Meter bis zur Haustüre künftig zu Fuß zurückgelegt werden müssen.

Flexible Versicherungslösungen nötig

Anders als in Deutschland brauchen E-Scooter in Österreich keine Versicherung. Die Versicherungsexperten sind sich einig, dass hier allerdings Vorsicht geboten ist. „E-Scooter erfreuen sich großer Beliebtheit. Diese 25 km/h schnellen Roller sind an jeder Ecke zu finden und mittels Smartphones leicht und günstig zu mieten. Neue Wege in der Mobilität bedürfen aber auch Veränderungen in der Absicherung. Kundinnen und Kunden wünschen sich vielfältige, flexible und individuelle – auch digitale – Versicherungslösungen, um bestmöglich gegen Gefahren bei Nutzung der Shared Mobility abgesichert zu sein“, erklärt Doris Wendler, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtische Versicherung, die auch Präsidentin des KFV ist. 

Auch was den Versicherungsschutz betrifft, bedarf es noch viel Aufklärungsarbeit. Viele wissen nicht, dass Unfälle in der Freizeit nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung gedeckt sind. Kleinkinder, Erwerbslose, Pensionisten oder Hausfrauen haben überhaupt keinen gesetzlichen Unfall-Schutz. Wendler dazu: „Die Statistiken zeigen, eine Unachtsamkeit beim Fahren, ein Missgeschick kann rasch zu einem Unfall führen. Ein Freizeitunfall kann schwerwiegende Folgen haben und Ihr Leben verändern. Ob eine Fahrt mit dem Leih-Scooter oder einem eigenen, in jedem Fall ist der Abschluss einer privaten Unfallversicherung ratsam.“ Auch auf die Privathaftpflicht sollte nicht vergessen werden. „Ein Kratzer im Lack eines fremden Autos ist für die meisten wohl noch zu verschmerzen. Kommen aber Personen zu Schaden, möglicherweise mit Dauerfolgen, muss in unbegrenzter Höhe gehaftet werden. Daher ist die Privathaftpflichtversicherung noch viel wichtiger als die Absicherung für das eigene Zuhause. In Österreich ist diese automatisch in die Haushaltsversicherung eingebündelt und deckt Schadenersatzverpflichtungen. Ich rate auch zu einer Rechtsschutzversicherung, die auch Anwaltskosten und Kosten für Sachverständige übernimmt, denn die Gefahr eines Rechtsstreits ist oft höher als man denkt“, sagt Wendler abschließend.

Das Institut für Versicherungswirtschaft

Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Johannes Kepler Universität besteht seit 1982 und versteht sich als Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und der Versicherungswirtschaft in der Praxis. Die Hauptaufgabe besteht zum einen in der Verbesserung und Versachlichung der Beziehung zwischen der Versicherungswirtschaft und ihrer Umwelt. Im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen werden aktuelle Fragestellungen aus der Versicherungswirtschaft aus Sicht der Versicherungsnehmer auf der einen und der Unternehmen auf der anderen Seite erörtert und Lösungsansätze erarbeitet.

Als zweite wichtige Säule hat sich das Institut seit seiner Gründung vor nunmehr 40 Jahren die qualifizierte Aus- und Weiterbildung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Versicherungswirtschaft zur Aufgabe gemacht. Ziel ist es, die Beratungsqualität gegenüber dem Kunden nachhaltig zu steigern. Bereits 17 Universitätslehrgänge für Versicherungswirtschaft wurden abgeschlossen, im Herbst startet der nächste. Dieser Lehrgang startet im Oktober und ist Ende Februar 2025 nach drei Semestern beendet. Anmeldeschluss ist der 31. August 2023.

Schließlich gilt es die unabhängige Forschung und Lehre auf dem Gebiet des Versicherungswesens zu fördern. Dabei arbeiten renommierte Linzer Professoren, wie etwa o Univ.-Prof. Dr. Helmut Pernsteiner oder Univ.-Prof. Mag.  Dr. Andreas Riedler im Vorstand des Instituts mit. 

https://ivw-jku.at/

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