Diese HSV-Mannschaft von 1982/83 ging vor 40 Jahren in die Geschichte ein: Stehend von links: Felix Magath, Lars Bastrup, Wolfgang Rolff, Ditmar Jakobs, Manfred Kaltz und Horst Hrubesch. Hockend von links: Bernd Wehmeyer, Holger Hieronymus, Jürgen Groh, Jürgen Milewski, sowie Uli Stein.

Dies sind Erinnerungen und Erzählungen an „graue Vorzeiten“ im Fußballsport, die schier ewig zurückliegen. An Zeiten, in denen die heutige UEFA Champions League noch unter dem Titel „Europapokal der Landesmeister“ firmierte und anhand der Austragung des alljährlichen europäischen Wettbewerbs doch tatsächlich „nur“ die jeweiligen Landesmeister der einzelnen Nationen von Europa zum Einsatz kamen. Für die Vizemeister und Drittplatzierten der Vorsaison hieß es im Jahr darauf die Kräfte im UEFA-Cup – die heutige UEFA Europa League – zu messen. Die Spiele in den einzelnen Bewerben – es gab auch noch den heute nicht mehr existenten Europapokal der Pokalsieger – wurden ab der 1. Runde mit Hin- und Rückspiel ausgetragen und wer als Favorit nicht aufpasste, konnte bereits gegen einen sogenannten „Kleinen“ unplangemäß vorzeitig aus dem Bewerb fliegen. Ja, es war nicht alles schlecht, was einstens war, auch, wenn das heute gerne oftmals so gesehen wird und der sportliche Anreiz ebenso der gleiche war wie heutzutage.

Hamburger SV in Deutschland das Maß aller Dinge

Der Hamburger Sport-Verein, gemanagt vom einstigen Weltklassespieler Günter Netzer, war in den frühen 1980er Jahren drauf und dran, nicht nur den FC Bayern München dauerhaft an der Spitze abzulösen, die stolzen Hanseaten reüssierten national wie international. Spätestens mit der Verpflichtung des Wiener Erfolgstrainers Ernst Happel im Sommer 1981, sowie gleichbedeutend mit der Rückkehr von Franz Beckenbauer von New York Cosmos in die Deutsche Bundesliga war vielen Fußballfans und Beobachtern der Szenerie klar, dass der neue Meister 1981/82 eben nur HSV lauten könne. Nun, die im Volksmund gerne als „Rothosen“ titulierte HSV-Mannschaft wurde ihrer Favoritenrolle gerecht. Der zweimalige Bundesligameister zuvor, der FC Bayern München (1980 und 1981) konnte 1981/82 vom HSV zweimal bezwungen werden (4 : 1 in Hamburg und 4 : 3 in München) und Ernst Happel wurde mit seinem neuen Team auf Anhieb Champion 1981/82, drei Punkte vor dem 1. FC Köln. Und auch im UEFA-Cup drang der HSV bis in das Finale vor. Dort setzte es allerdingts gegen den IFK Göteborg in zwei Finalspielen ebenso viele Niederlagen (0 : 1 in Schweden, 0 : 3 im Hamburger Volksparkstadion). Wer Ernst Happel kannte, der wusste, dass sich der Wiener über die zweimalige Chancenlosigkeit seines Teams gegen die Schweden dermaßen ärgerte, dass es von nun an nur noch besser werden konnte. Und das wurde es.

Mit dem HSV ein Jahr ungeschlagen

Der Hamburger Sport-Verein legte unter seinem Wiener Startrainer Ernst Happel eine Serie hin, die bis dato damals in der Deutschen Bundesliga noch nie da war. Im Zeitraum vom 16. Jänner 1982 bis zum 22. Jänner 1983 blieben die stolzen Hanseaten in 36 Meisterschaftsspielen unbesiegt. 56 : 16 Punkte (2-Punkte-Regel für den Sieg) standen am Ende dieser Serie zu Buche. Happel selbst nahm diese Erfolgsserie hin, meinte aber stets auf die bohrenden Journalistenfragen, wie lange dieser Erfolgslauf denn noch anhalten wird, lediglich, dass ihn diese Serie genauso viel interessiere, wie der erste Schnee, denn irgendwann wird sie dem Vernehmen nach ohnehin reißen – die Serie …

Am Weg ins Endspiel

Im Europapokal der Landesmeister 1982/83, gleichzusetzen mit der heutigen UEFA Champions League, setzte sich der HSV in der 1. Runde beim BFC Dynamo Berlin (1 : 1 und 2 : 0) durch. In der zweiten Runde gab es gegen Olympiakos Piräus zwei Siege im Ausmaß von 1 : 0 und 4 : 0. Im Viertelfinale folgte gegen FK Dynamo Kiew in Tiflis ein überzeugender 3 : 0-Auswärtserfolg, während das Rückspiel in Hamburg mit 1 : 2 verloren ging. Knapp ging es im Halbfinale gegen Real Sociedad San Sebastian mit 1 : 1 und 2 : 1 zu, ehe der HSV erneut – nach 1968, 1977, 1980 und 1982 – in einem europäischen Endspiel stand. Gegner war vor 40 Jahren, am Mittwoch, 25. Mai 1983, Juventus Turin. Und der Ort für das Finale war das Olympiastadion zu Athen.

HSV-Kapitän „Kopfballungeheuer“ Horst Hrubesch (links) mit Ditmar Jakobs und dem „Henkelpott“ 1983.

Revanche für die WM-Niederlage von 1982

Für die Deutschen Medien war dieses Endspiel ein gefundenes Fressen. Die „alte Dame“ Juve war gespickt mit italienischen Nationalspielern. In den Reihen der Turiner standen mit Torhüter Dino Zoff, sowie den Feldspielern Antonio Cabrini, Claudio Gentile, Paolo Rossi, Gaetano Scirea und Marco Tardelli sechs Fußball-Weltmeister von 1982. Hinzu gesellte sich der kongeniale französische Mittelfeldstrategie Michel Platini ebenso, wie der polnische Nationalspieler Zbigniew Boniek im Sturm. Dem gegenüber der HSV, angeführt im Mittelfeld von Felix Magath und dem Brecher im Sturm, dem als „Kopfballungeheuer“ titulierten Horst Hrubesch. Dazu der junge Thomas von Heesen, der Däne Lars Bastrup, Jürgen Groh, Manfred Kaltz, Jimmy Hartwig, Jürgen Milewski, Ditmar Jakobs, Bernd Wehmeyer, Wolfgang Rolff, Holger Hieronymus und Torhüter Uli Stein, um nur einige Aktive des damaligen HSV-Kollektivs zu nennen. Und die HSV-Truppe, sie war nervös vor dem Finale gegen einen schier übermächtigen Gegner. Hier trat jedoch der „Alte“ auf den Plan. Locker und fröhlich scherzte Ernst Happel mit seinen Spielern in Athen. Während am Trainingsplatz stehend über den Köpfen der HSV-Mannschaft an die 40.000 Juve-Fans in zahllosen Chartermaschinen zur Landung am Flughafen in Athen ansetzten, plauderte Ernst Happel aus dem Nähkästchen, erzählte dabei aus seiner langen Spieler-Laufbahn, welche Scharmützel er unter anderem mit seinem Busenfreund Walter Zeman im Rapid-Tor während der Spiele aufgeführt hatte, um last but not least zur Sache zu kommen: „Seht Ihr, die kommen bereits in der Abend-Garderobe – in Anspielung an den feinen Zwirn, den die Juve-Stars bei ihrer Ankunft trugen – die sind schon am Feiern. Es liegt nun an Euch, ihnen das abendliche Bankett zu vermiesen.“ Ähnlich verhielt es sich im Stadion. Als die HSV-Spieler den Rasen zum Aufwärmen betraten, setzte ein gellendes Pfeifkonzert ein. Happel versammelte seine verunsicherten Spieler an der Mittelauflage und erzählte ein Bonmot aus Graz, als er seinerzeit mit Rapid dort nicht nur gegen den SK Sturm Graz anzutreten hatte, sondern auch das gefürchtete Grazer Publikum ihr Gegner war. Happel passte zu Beginn des Spiels mehrmals zu seinem Freund Zeman in Richtung Tor zurück, das Publikum tobte, die Pfiffe aber seien bei ihm „…bei dem einen Ohrwaschel hinein und beim anderen wieder hinausgegangen.“ Helles, gelöstes Gelächter seiner HSV-Spieler und der selbstbewusste Uli Stein meinte, dass er sein Tor schon reinhalten würde, sie müssten nur vorne eines erzielen, dann wird das schon was.

Goldenes Tor für die Ewigkeit

10.000 mitgereiste HSV-Fans riss es bereits in der 8. Minute von den Sitzen. Felix Magath dribbelte sich durch und gegen seinen gefühlvollen Bogenschuss aus gut 20 Metern hatte der 41-jährige Torhüter-Veteran Dino Zoff, der einige Meter vor der Linie stand, keine Chance. Das Leder senkte sich zum Entsetzten der Italiener zum 0 : 1 in die Maschen. Jürgen Milewski vergab kurz darauf eine Chance zum 2 : 0. Michel Platini wurde von dem jungen Wolfgang Rolff komplett zugedeckt und auch Paolo Rossi, der Torschützenkönig der Fußball-WM 1982 für Italien blieb an diesem Abend in Athen farblos und wurde vorzeitig ausgewechselt. Happel rechnete damit, dass Juventus in der zweiten Halbzeit kommen würde. Juve kam aber nicht. So vergaben seine „Rothosen“ an diesem Abend noch die eine oder andere gute Torchance, die für eine vorzeitige Entscheidung gesorgt hätte. „Das knappe Resultat ist ein Schönheitsfehler“, so Ernst Happel nach dem Spiel bei der Pressekonerenz, denn ein 3 : 0 oder 4 : 0 wäre seiner Ansicht nach durchaus im Bereich des Möglichen gewesen. So hatte der HSV an jenem denkwürdigen Abend mehr vom Spiel und entzauberte dabei Juventus Turin, da den Italienern kaum Platz blieb, ihr Spiel aufzuziehen. Happels Raumdeckung funktionierte perfekt und der vermeintliche David konnte sich einmal mehr gegen den Goliath-Favoriten durchsetzen.

Hamburg am Zenit

Heute, 40 Jahre später, ist klar, dass es nach dem Trainer-Fuchs Ernst Happel nie mehr wieder so eine herausragende HSV-Mannschaft gab. Damals, 1983, hieß es in der heimischen Meisterschaft vor den jeweiligen Bundesligaspielen nicht, ob der HSV gewinnt, sondern lediglich wie hoch der HSV gewinnen wird. Im Jahr darauf wurden die Hanseaten hinter dem VfB Stuttgart in der Bundesliga „nur“ Vizemeister und mussten als Titelverteidiger in der 2. Runde im Europapokal der Landesmeister bei Dinamo Bukarest vorzeitig die Segel streichen. So dominant das HSV-Spiel in den ersten Happel-Jahren auch war, mit dem Abgang von Horst Hrubesch zu Standard Lüttich wurde eine Lücke im Sturm aufgerissen, die weder Dieter Schatzschneider noch Wolfram Wuttke erfolgreich schließen konnten. Happel meinte später, dass man das Team zu früh verjüngen wollte, denn ein Titel-Hattrick in der Deutschen Fußball-Bundesliga mit drei gewonnenen Meisterschaften in Serie wäre mit dieser HSV-Mannschaft möglich gewesen. So holte der HSV 1987 noch dem DFB-Pokal, ehe die erfolgreichste Zeit des Klubs unter seinem Wiener Coach Ernst Happel nach sechs Jahren (1981 bis 1987) zu Ende ging.

Der Hamburger SV heute

Die jahrelang als „Bundesliga-Dino“ geltenden „Rothosen“ – in Anlehnung an die ewige Zugehörigkeit zur 1. Deutschen Bundesliga seit ihrer Gründung im Jahre 1963 – wechselten nach Beendigung der Saison 2017/18 erstmals die Liga und spielen nun bereits das fünfte Jahr nurmehr in der 2. Bundesliga. Just an diesem Wochenende hat der HSV die sportliche Chance, entweder als Zweiter wieder direkt aufzusteigen oder aber als Drittplatzierter über den Umweg der Relegation, die eine Begegnung mit dem VfB Stuttgart – dem Drittletzten der 1. Bundesliga – mit sich bringen würde. Ernst Happel würde genau dieser Umstand samt seinem sportlichem Anreiz große Freude bereiten.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

www.hsv.de

www.bundesliga.de

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