„Die brennende Frage der Errichtung eines Stadions in Wien soll so rasch als möglich in dem Sinne gelöst werden, dass ein solches Stadion im Bereich des Praters entstehen soll.“, so der Auszug der stenographischen Mitschrift aus einer Sitzung des Wiener Gemeinderates vom 12. Oktober 1928. Und nur einen Monat später, nachdem der Gesundheitsstadtrat Julius Tandler diesen Antrag im Gemeinderat eingebracht hatte, erfolgte am 12. November 1928 die Grundsteinlegung. Der in Anwesenheit von Bundespräsident Michael Hainisch enthüllte Stein trägt die zukunftsweisende Inschrift: „Der Jugend widmet dieses Stadion die Gemeinde Wien zur 10. Jahresfeier der Republik.“
Die Frühzeit des Fußballs im Prater
Die Urzeit des Fußballsports in Wien lässt sich bis zum 7. April 1766 zurückführen. Damals gewährte Joseph II., Mitregent seiner Mutter Maria Theresia von Österreich sämtlichen Wienerinnen und Wienern die frei zugängliche Benutzung des gesamten Pratergeländes, also jene bis dahin lediglich dem Kaiser als Jagdrevier vorbehaltene Wiesen- und Aulandschaft im Osten der Wiener Stadt. Im kaiserlichen „Advertissement“ waren die Leitlinien der Nutzungsgeschichte des Praters und seiner Verwendung als Wiener Fußballplatz quasi vorgezeichnet. Und so waren die Vorzeichen für den Fußball in Wien gegeben, die letzten Endes darin mündeten, dass sich der Vienna Cricket and Football-Club am 23. August 1894, der durchwegs aus Briten bestand, als Vorläufer des heutigen FK Austria Wien gründete. Als Pendant dazu „erblickte“ am 22. August 1894 der First Vienna FC zu Wien-Döbling das fußballerische Licht der Welt. Im Prater ging es jedoch gründungstechnisch derart beherzt zur Sache, dass berittene Polizei Jagd auf viele „wilde“ Klubs machte. Zwei Jahre später, 1896, wurde Aristokratie und Großbürgertum im WAC, dem Wiener Athletiksport-Club gegründet und gelebt. Und so fanden auch die ersten „Länderspiele“, die damals noch als „Städtespiele“, beispielsweise gerne und oft zwischen Wien und Budapest geführt wurden, im Prater statt. Vier davon (bis 1903 beheimatet auf der Jesuitenwiese) stiegen zwischen 9. Oktober 1904 und 2. Mai 1909 am neu errichteten Cricketer-Platz an der Vorgartenstraße, der heutigen Meiereistraße vis´-a-vis des Ernst-Happel-Stadions, deren 17 in der Zeit vom offiziell ersten Länderspiel in der Österreichischen Fußball-Geschichte am 12. Oktober 1902 und 2. Mai 1920 am heute ebenso noch existenten WAC-Platz in der Rustenschacherallee in Wien II.
Simmering ersetzt den Prater, um gegen Döbling den Kürzeren zu ziehen
Auf dem Sportplatz des noblen Wiener AC gegenüber der Jesuitenwiese stiegen auf heimischem Boden abwechselnd die Länderspiele mit jenen am Cricketer-Platz. Bis zum Frühjahr 1920 war der WAC-Platz das größte Fußballareal von Wien, das bis zu 20.000 Zuschauer fassen konnte. Mit der zunehmenden Begeisterung für den Fußballsport und der damit einhergehend immer größer werdenden Besucherschar kam die neu erschaffene Simmeringer Had II ins Spiel, um ihre Feuertaufe mit Bravour am 26. September 1920 und einem 3 : 2-Erfolg über Deutschland vor 30.000 Besuchern zu bestehen. Da aber auch der Simmeringer Sportplatz in der Leberstraße 12 irgendwann zu klein geworden war, übersiedelte die Österreichische Fußballnationalmannschaft vom Prater aus über Simmering nach Döbling auf die im Jahre 1921 eingeweihte Hohe Warte, um 10 Jahre später, 1931 wieder in den Prater und die Leopoldstadt zurückzukehren.
Modernstes Stadion seiner Zeit
„Wien wird ein Stadion besitzen, das in seiner Zweckmäßigkeit und Schönheit eine Zierde unserer Stadt sein und auch die Erfüllung eines langgehegten Wunsches aller Sportliebenden bringen wird.“, so Julius Tandler zum Baubeginn des Wiener Stadions im Februar 1929. Und es wurde gebaut! 800 Bäume fielen dem Sägeblatt zum Opfer. Dazu ein journalistischer Auszug: „Es ist vollkommen verfehlt, wenn man von einer Verwüstung der Praterbäume spricht, da das ganze Stadion von herrlichen Baumanlagen umgeben ist, die vollkommen geschont geblieben sind, ja die Bauführung ist sogar so weit gegangen, dass der untere Teil einzelner Bäume, die in der Nähe von Maschinen liegen, besonders geschützt werden.“ Weiters drängte die Zeit. Wiens starke Arbeitersportbewegung erhielt den Zuschlag zur Durchführung der zweiten Arbeiter-Olympiade, die 1931 stattfinden sollte. Dies war der Zeitplan für das Stadion, der mit weiteren Problemen behaftet war. Eine Anlage mit 60.000 Besucherplätzen und vergleichsweise nur wenig Raum für aktiven Sport widersprach den sozialdemokratischen Konzepten des stattfindenden Arbeitersportes. Das Projekt passte so gar nicht in das von Wohnbauten dominierte Aufbauprogramm der Stadtverwaltung und auch die klaren Linien der Ausführung von Metall, Sichtbeton und Glas entsprach nicht dem Erscheinungsbild der Gemeindebauten. Der deutsche Architekt Otto Ernst Schweizer ging aus einem geladenen Wettbewerb als Sieger hervor und entwarf das architektonisch auffallendste Stadion Europas. Dazu gesellte sich jener Umstand, dass Wien bei einem Hochbau für 60.000 Personen über keine vergleichbaren Erfahrungswerte verfügte. Also korrespondierte man mit den Architekten der neuen Stadien in Amsterdam und Barcelona, um von dort die Erfahrungen mit Fluchtwegen, Parkplätzen, Belastungsproben und dergleichen zu bekommen. Als die Tribünen fertig gestellt waren, kam die Rathauswache zum Einsatz und diese Belastungsprobe bestand das Stadion natürlich. Die damaligen Baukosten inklusive dem Stadionbad betrugen 6,6 Millionen Schilling (ca. € 480.000,-). Dies entsprach in etwa einem Viertel der Baukosten für den Karl Marx-Hof.
Eröffnung des Wiener Stadions
Am Samstag, 11. Juli 1931 war es so weit. Das Wiener Stadion wurde eröffnet und wies zweistöckig offiziell einen Besucherfassungsraum von 58.531 Personen auf. „Der österreichische Sport hatte gestern einen Triumphtag.“, schrieb die Kleine Volks-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 12. Juli 1931. Und weiter: „Das prächtige Bauwerk des Wiener Stadions, dessen Einweihung begangen wurde, war gelegentlich nur wertvolles Symbol dieses großen Festes der Leibesübungen. Die Spitzen der Behörden, die Lenker von Staat und Stadt waren erschienen, um bei der Eröffnung des Stadions ihr Interesse für die Körperkultur zu bekunden und ihre Schätzung der sportlichen Übungen vor aller Öffentlichkeit zu dokumentieren. Der Massenzustrom vornehmlich Jugendlicher, zu der in ihrer Zweckentsprechendheit und monumentalen Einfachheit einzigartigen Anlage, über die in der Volks-Zeitung schon wiederholt ausführlich berichtet wurde, setzte bereits um 13 Uhr ein und ein Riesenaufgebot an Polizeibeamten versah den Sicherheitsdienst in den Zufahrtsstraßen. Weit über 20.000 Zuseher – und diesmal dürfte man wohl auch sagen Zuhörer – hatten sich in dem Betonoval, das wie ein Schüsselrand die grüne Rasenmatte überragt, eingefunden, als Stadtrat Professor Julius Tandler, Bürgermeister Karl Seitz und als letzter Bundespräsident Wilhelm Miklas, der die feierliche Eröffnung vornahm, vor das Mikrophon traten. Hier vernahm man einmal aus dem Munde des Staatsoberhauptes ein Lob des Sports, wie wohl noch nie in Österreich. Der Bundespräsident anerkannte in warmen Worten die nationale Bedeutung sowohl der Durchschnitts- wie der Höchstleistungen der Körperkultur, für die man bisher bedauerlicherweise so wenig offizielle Zustimmung gehört hatte. Denn während in der Nachkriegszeit (Anm.: gemeint ist der „Große Krieg“, später als Erster Weltkrieg bekannt) die staatliche Unterstützung des Sports im Ausland ungeahnte Erfolge zeigte, sind die österreichischen Sportler so ziemlich allein gestanden. Nun wurde ihnen gestern ein Lob zuteil, das reiches Verständnis bewies. Auch die moralische Seite der Körperkultur wurde gestreift.“ – so die „Kleine Volks-Zeitung“ am 12. Juli 1931.
Die eigentliche Eröffnungsansprache hielt Stadtrat Julius Tandler. Nach der Begrüßung der Gäste und der zahlreich erschienen Ehrengäste meinte dieser: „Dieses Stadion ist für uns mehr als die Offenbarung eines genialen Geistes, mehr als die Verwirklichung eines technischen Traumes, mehr als Zuschauerraum und Übungsplatz beschwingter Körper; für uns ist das Stadion Anfang und Ausgangspunkt einer neuen Epoche hoher Körperkultur. In diesem Stadion wird auch die Masse für die Masse künstlerisch wirken, werden auch Werke der Dichter einem begeisterten Volke vorgeführt werden. In tausenden solcher Stadien werden in Zukunft junge Menschen ihren Körper stählen, Freiheit ihres Körpers und damit Freiheit ihres Geistes erringen, ungehindert um ihre Zugehörigkeit zu dieser oder jener Weltanschauung, jeder einzelne für sein Volk und seine Überzeugung, alle zusammen aber für die Menschheit. Und eines Tages werden alle diese jungen Menschen zusammenströmen im großen Stadion der Weltgeschichte, um hier für den Frieden und die Befreiung der Menschen zu kämpfen. Dann wird der Marathonläufer kommen und uns Kenntnis geben von dem schönsten Sieg der Welt, dem Sieg der Freiheit, dem Sieg des Friedens!“ Tosender Applaus setzte im Anschluss an diese flammende Julius Tandler-Rede ein.
Nach einer weiteren Ansprache des Wiener Bürgermeisters Karl Seitz nahm Bundespräsident Wilhelm Miklas die offizielle Eröffnung vor und unter jubelnden Fanfarenklängen betraten die beiden Spielteams des VAFÖ (Verband und Freie Vereinigung der Amateurfußballvereine Österreich) Wien (in roten) und Niederösterreich (in gelben Leibchen) das Spielfeld, um das erste Fußballmatch im neuen Wiener Praterstadion auszutragen. Die Mannschaften stellten sich dem Spielleiter Beranek wie folgt vor:
Wien: Büttner, Schindler, Patzak, Graßl (Lischka), Brinek I, Brinek II, Sobotka, Abele, Kirchner, Neschy und Novacek;
Niederösterreich: Plachy, Ravnihar, Thimmler, Sacek, Dionys, Brzezofsky, Hochreither (Benesch), Vogel, Zopp, Neumann sowie Kirchner;
Wien reihte seinen bisherigen sechs Erfolgen einen siebenten, allerdings schwer errungenen an. Die Niederösterreicher führten das erwartet schöne Spiel vor, ließen aber vor dem Tor die nötige Durchschlagskraft vermissen. Den Ankick besorgte Professor Tandler. In der ersten Halbzeit war Niederösterreich stark überlegen, hatte aber Mühe, den 2 : 0-Vorsprung Wiens aufzuholen. In der zweiten Spielhälfte ging es weiter flott hin und her, ehe das Auswahlspiel der Arbeiterfußballvereine am Ende mit 5 : 4 an Wien ging. Im Anschluss daran begannen die österreichischen Leichtathletikmeisterschaften, ehe am Tag darauf das Sportfest der ASKÖ folgte. Wieder waren 25.000 Besucher gekommen. Eine Woche später folgte die Arbeiter-Olympiade.
Die II. Arbeiter-Olympiade in Wien
„Wir hätten in Wien das Stadion nie bekommen, zumindest nicht aus den Mitteln der Gemeinde, wenn nicht die Weltsportspiele der sozialdemokratischen Arbeitersportverbände vor der Tür stünden.“, so stand es im „Sport-Tagblatt“, einer täglich erschienen Sportzeitung der Zwischenkriegszeit zu lesen. Und so stieg am 19. Juli 1931 in Wien die zweite Arbeiter-Olympiade, zu der über 100.000 Besucher aus aller Welt angereist waren. 60.000 Menschen bevölkerten am Eröffnungstag das neue Praterstadion und bis zum Veranstaltungsende am 26. Juli 1931 wurden an die 240.000 Zuschauer gezählt. Die zahlreichen Gäste-Sportler wurden von tausenden Wienern begeistert in Empfang genommen. Die Schotten, die Engländer und die Belgier beispielsweise wurden am Westbahnhof abgeholt und gemeinsam marschierte man über den Gaudenzdorfer Gürtel nach Margareten, wo die Gäste in neuen und eben erst errichteten Gemeindebauten untergebracht wurden. Ähnlich herzlich verhielt es sich bei der Reichsbrücke, wo Tschechoslowaken, Ungarn, Rumänen und Bulgaren via Donau-Schiff eintrafen. Und in Floridsdorf am Bahnhof Jedlesee wurden die Leipziger erwartet. 117 Sport-Bewerbe im Laufe einer Woche, ohne Subventionen und Mäzene organisiert und 2.000 Funktionäre sorgten dabei für einen reibungslosen Ablauf dieser Mammut-Sportveranstaltung für Wien. Die Verpflegung stammte dabei großteils aus der Gulaschkanone und die Gäste waren in Schulen und Heimen, aber auch privat bei sportbegeisterten Wiener Familien untergebracht. Die gute, alte Wiener Stadt hatte mit seinem neuen Stadion, das alle Stückerln spielte, seine internationale sportliche Feuertaufe hervorragend bestanden.
Tiefschlag gegen die Gratisblitzer
In den frühen 1930er Jahren waren die meisten Eltern keineswegs begeistert, wenn ihre Kinder eifrige Fußballanhänger waren, denn beinahe keines der Kinder erhielt für dieses Vergnügen je auch nur einen Groschen, um ein Spiel live verfolgen zu können. Es gab zahlreiche Arbeitslose in Österreich und in Wien und der Kampf um das tägliche Brot für die oftmals mehrköpfige Familie beherrschte den Alltag. Doch für Kinder und Jugendliche setzte es fußballtechnisch keine Hindernisse, denn es gab kaum ein Umzäunungsgitter anhand der zahlreichen Fußballplätze in Wien, wo nicht ein Loch zum Durchschlüpfen vorzufinden war. Ein nahezu perfektes Areal für ein solches Unterfangen bot der WAC-Platz, dessen Zaun entlang der Seite der Straßenbahn schon recht mitgenommen war. Dort gab es zahlreiche Möglichkeiten zum Durchschlängeln. Zwar patrouillierte ein Ordner diese „Eingänge“, doch zwischen „Delinquent“ Gratisblitzer und „amtshandelnden“ Vereines-Organ lagen oftmals Jahrzehnte an Leben, die der in die Jahre gekommene Ordner nie aufholen konnte. Und auf Hilfe aus der bereits anwesenden Besucherschicht war nicht zu zählen, da das „zahlende“ Volk für die jungen Gratisblitzer stets ein Herz hatte. Auch auf dem Rapid-Platz und der Anlage der Rudolfshügler gab es etliche solcher Möglichkeiten, gratis auf einen Stehplatz zu gelangen. Nur in Favoriten musste man schnell sein, da die „Masse“ der Gratisblitzer von Spiel zu Spiel zunahm, so groß war dort die Begeisterung der jungen Leute für den Fußballsport. Auch auf der Hohen Warte war dies möglich, man war jedoch auf die Hilfe von Freunden, die eine „Räuberleiter“ boten, angewiesen, zu hoch war der Zaun in Döbling. Im neuen Praterstadion war die Epoche der Gratisblitzer jedoch vorbei. Die zahlreichen Eingänge flankiert von noch zahlreicheren grimmigen Ordnern „bewacht“, sowie die massiven und gewaltigen Gitter – das Praterstadion glich einer uneinnehmbaren Festung. Und dennoch war ein Einstieg möglich, allerdings bereits in der Nacht vor dem Spiel. Man überwand den hohen Zaun, versteckte sich unter den zahlreichen Stufen und huschte dann am nächsten Tag, wenn offizieller Einlass war, irgendwo auf den Stehplatz, um in der oftmals anwesenden Masse untertauchen zu können. Dennoch boten genau solche Stadien, wie eben jenes im Prater, der Gratisblitzer-Romantik heftig die Stirn. Später brachten es die Jahre mit sich, dass der Fußballplatz-Besuch aufgrund des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg für jedermann leistbar wurde.
Dunkle Jahre in Österreich
Das Praterstadion in Wien wurde unmittelbar nach dem politischen Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 von der Deutschen Wehrmacht zur Kaserne umgestaltet. Ein letztes Länderspiel am 3. April 1938, das sogenannte „Anschluss-Spiel“ zwischen Österreich und Deutschland (2 : 0) wurde noch ausgetragen, ehe Österreich für die nächsten sieben Jahre völlig von der Landkarte verschwand. Der FK Austria Wien wurde – zwar nur kurzzeitig, aber doch – zum SC Ostmark und den zahlreichen Sportlern wurde es verboten, ihrer sportlichen Betätigung im Stadion nachzugehen. Sport wurde in den folgenden Jahren zur vormilitärischen Erziehung für die Buben und jungen Männer, zum Mutterschaftstraining für die Mädchen und jungen Frauen, die in Adolf Hitlers Krieg kämpfen, beziehungsweise für den nötigen menschlichen Nachschub des „Tausendjährigen Reiches“ sorgen sollten. Dazu gab es Vereinigungen wie die „Hitlerjugend“, den „Bund deutscher Mädel“ und dergleichen, die dem Sport große Bedeutung zumaßen. Im August, knapp vor Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurden noch die Studentenwettspiele abgehalten und kein Mensch weiß, wie viele davon sechs Jahre später noch am Leben und gesund waren. Immer wieder gab es kleinere Scharmützel. So wurden beispielsweise dem Gauleiter von Wien Baldur von Schirach nach dem „Freundschaftsspiel“ zwischen dem SK Admira Wien gegen den FC Schalke 04 (1 : 1 vor 50.000 Zuschauern) am 17. November 1940 die Autoreifen zerstochen, der Bus der „Knappen“ demoliert und auch zuvor war es immer wieder zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen „Ostmärkern“ (Österreich) und „Herren aus dem Altreich“ (Deutschland) gekommen. So sehr die Österreicher 1938 am Heldenplatz begeistert von der Übernahme durch Adolf Hitler waren, so sehr kannten sie beim Fußballsport keine Freunde. „Wir wollen keine Preußen“, so der einhellige Tenor des Wiener Publikums. 1944 – das Praterstadion war zum Planungsbüro der Wehrmacht umgestaltet worden – verbuchte die Schüssel 275 Einschläge. Der Sektor E war völlig zerstört, die Radrennbahn unbenützbar und das Stadionbad wurde ein Raub der Flammen. Weiters diente das Stadion als Gefängnis. Vom 11. bis zum 30. September 1939 verhaftete die Gestapo in Wien über 1.000 staatenlose und polnische jüdische Männer. Da die Gefängnisse bereits hoffnungslos überfüllt waren, wurden diese Personen kurzerhand im Praterstadion interniert. Eingepfercht im Sektor B unterhalb der Tribünen harrten diese Menschen aus, hatten keine Möglichkeiten zur Körperpflege und wurden in späterer Folge in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Zahllose der damals im Praterstadion in Summe 1.038 eingesperrten Personen überlebten diese Tortur nicht. Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 und der Befreiung Wiens durch alliierte Soldaten-Verbände wurde das Ausmaß dieser menschlichen Tragödien im zerbombten Wiener Praterstadion augenscheinlich. Nichtsdestotrotz kehrte alsbald der Alltag nach Österreich und Wien zurück und am 6. Dezember 1945 stieg im Stadion wieder ein Länderspiel, Österreich schlug Frankreich mit 4 : 1.
Fußball, Leichtathletik, Musik, Radfahren, Boxen, Speedway, Tennis und der Papst
Aber auch die Musik kam im Praterstadion nicht zu kurz und das bereits weit vor dem berühmten Konzert der Rolling-Stones im Jahre 1982. Am 1. August 1931 gaben 800 Wiener Musiker unter der Leitung von Johann Strauß III., dem Neffen des Walzerkönigs, ein Strauß-Konzert. „Der Beifall wollte kein Ende nehmen und erzwang mehrfache Wiederholungen!“, so damals die „Wiener Bilder“ in ihrer Konzert-Kritik. Am 15. August 1931 kamen die Radfahrer nach einer mehrjährigen Pause in Wien wieder zum Zug. Die Radwettfahrten auf der neuen Radrennbahn des Wiener Stadions wurden abgehalten und auch hier fand eine erfolgreiche Renaissance anhand der Bahnradrennen statt. 1950 wurde das Stadion kurzerhand in eine Boxarena umfunktioniert. Österreichs Box-Aushängeschild Joschi Weidinger wurde im Kampf gegen den Franzosen Stefan Olek Europameister im Schwergewicht. 35.000 Besucher waren hellauf begeistert, gleichbedeutend für eine Rekordkulisse in der Geschichte des österreichischen Boxsports. 1954 wurde die Speedway-Weltmeisterschaft im Wiener Praterstadion ausgetragen und am 4. September 1971 gelang Ilona Gusenbauer, regierende Europameisterin im Hochsprung, unglaubliches. 1,92 m wurden von der Leichtathletin, nachdem sie bis dato an dieser Höhe stets gescheitert war, erstmals übersprungen. Ein neuer Weltrekord war damit geboren. 25.000 Zuschauer im Stadion waren entzückt, noch ehe die ÖFB-Auswahl später dann am gleichen Tag im Rahmen der EM-Qualifikation für die Europameisterschaft 1972 die Schweden vor 42.000 Besuchern mit 1 : 0 besiegen konnte. Anlässlich des Papst-Besuches in Wien von 10. bis 13. September 1983 zelebrierte Johannes Paul II. eine Jugendmesse im Praterstadion. Überaus interessant war es auch vom 21. bis 24. September 1990, als das Österreichische Tennis-Davis-Cup Team im Praterstadion auf die USA traf und nach einem Vergleichskampf auf Biegen und Brechen ehrenvoll mit 2 : 3 den Kürzeren zog. Über 40.000 Zuschauer waren insgesamt gekommen und sahen dabei – allen voran vom 23-jährigen Thomas Muster – ein Tennis der absoluten Weltklasse.
Immer wieder Musik im Stadion
Das was mit einem Strauß-Konzert im August 1931 begann, avancierte ab dem Jahre 1980 zu einer liebgewordenen Regelmäßigkeit. Carlos Santana, Eric Burdon, Jimmy Cliff, Van Morrison und last but not least der Harri-Stojka-Express begeisterten am 8. Juli 1980 über 12.000 Musik-Fans im weiten Prater-Oval. Mit 60.000 Musik-Begeisterten restlos ausverkauft war die Schüssel am 3. Juli 1982. „Ladies and Gentlemen, The Rolling Stones“ versetzte das Publikum samt tropischen Temperaturen in wahre Ekstase. David Bowie, Genesis, Michael Jackson, Tina Turner, The Beach Boys, Elton John, Herbert Grönemeyer, Die Drei Tenöre, Bon Jovi, Guns N´ Roses, Dire Straits, Bryan Adams, Supertramp, Pink Floyd – alle gaben sich ein Stelldichein in Wien und sorgten dabei immer wieder für ein gut gefülltes, oftmals restlos ausverkauftes Praterstadion mit einem entzückten Publikum.
Europapokal der Landesmeister / Champions League Finale / EM 2008
Das Wiener Praterstadion war auch viermal Austragungsort des Finales im Europapokal der Landesmeister, der heutigen Champions Legaue. Erstmals am 27. Mai 1964 zwischen Inter Mailand und Real Madrid (3 : 1) vor 71.333 Zuschauern. Ebenso am 27. Mai 1987 vor 57.500 Besuchern. Der FC Porto schlug den FC Bayern München mit 2 : 1. Erneut am 23. Mai 1990 zwischen dem AC Milan und Benfica Lissabon (1 : 0) vor 57.500 Zuschauern und letztmals am 24. Mai 1995 beim Finale zwischen Ajax Amsterdam und dem AC Milan (1 : 0) vor 49.730 Zuschauern. Wien war aber auch mehrmalige Veranstaltungsstätte anlässlich der abgehaltenen Fußball-Europameisterschaft 2008 gemeinsam mit der Schweiz. Das vormalige Praterstadion, das seit dem Jahre 1993 Ernst Happel-Stadion heißt, war dabei stets mit 51.428 Zuschauern ausverkauft, so auch am 29. Juni 2008, als Spanien über Deutschland in Wien mit einem 1 : 0-Erfolg Fußball-Europameister 2008 geworden war.
Heimstätte der Wiener Austria
Das Wiener Stadion wurde vom Beginn weg nicht von der Gemeinde Wien direkt geführt und auch nicht von der ASKÖ, wie ursprünglich geglaubt. Vielmehr war es so, dass Wien gemeinsam mit dem Verein Wiener Festausschuss und den Vertretern der drei Hauptverbände für Körpersport die Stadion Betriebsgesellschaft gründete und diese auch das Stadion verwaltete. Und da neben der Österreichischen Nationalmannschaft keine regelmäßigen Spiele im Oval abgehalten wurden, mietete sich der FK Austria Wien ab 1932 in regelmäßiger Unregelmäßigkeit ins Stadion ein. Die erste Epoche dauerte größtenteils durchgehend bis 1966. Dann wieder zwischen 1967 und 1969. Erneut im Jahre 1974 und zwischen 1978 und 1980 abermals. Dies hatte auch zur Folge, dass sämtliche Nachwuchsmannschaften der Austria im Stadion und auf den Trainingsplätzen davor trainierten. Kein Geringerer als Hansi Hölzel, später als FALCO weltberühmt, erzählte gerne, dass er als Bub von zu Hause immer wieder heimlich abrauschte, um „…drunten im Stadion meinen Idolen von der Austria beim Training zuschauen zu können.“ Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die größte Zuschauerkulisse – sieht man von der Nationalmannschaft ab – die ein heimischer Fußballklub bisher aufweisen konnte, bei einem Austria-Heimspiel erreicht wurde. Am 31. Oktober 1961 strömten über 80.000 Zuschauer in den Prater, um dem Europapokalspiel der Landesmeister (heutige Champions League) zwischen dem FAK und Benfica Lissabon (1 : 1) live beiwohnen zu können.
Ein Stadion für alle
Aber auch Admira, die Vienna, Wacker, der Wiener Sport Club und letzten Endes sogar RAPID trugen im Laufe der Jahrzehnte teilweise immer wieder ihre Heimspiele im Stadion aus. In früheren Jahren wurden auch sogenannte „Doppel“ abgehalten. Dabei handelte es sich um Doppel-Veranstaltungen, also zwei Fußballspiele hintereinander an ein und demselben Ort. Am 15. September 1976 zum Beispiel. Das „Vorspiel“ im Europapokal der Pokalsieger bestritt um 17.30 Uhr vor 50.000 Zuschauern der SK RAPID Wien gegen Atletico Madrid (1 : 2), zum „Hauptspiel“ im Europapokal der Landesmeister empfing der FK Austria Wien den VfL Borussia Mönchengladbach (1 : 0). Hier war der Anstoß um 19.30 Uhr, über 60.000 Zuschauer hatten sich bis dahin eingefunden. Am 27. September 1978 erneut das gleiche Prozedere. Zuerst war die Austria im Vorspiel um 18 Uhr im Europapokal der Landesmeister dran (4 : 1 gegen Vllaznia Shkodra), im Hauptspiel um 20 Uhr gewann RAPID im UEFA-Cup gegen Hajduk Split vor 25.000 Besuchern mit 2 : 1. Und weil es so schön war, im Herbst 1981 abermals und diesmal wurde gleich doppelt ein Europapokal-Doppel im Wiener Praterstadion gespielt. Zuerst am 16. September 1981 vor 30.000 Zuschauern: Das Vorspiel im UEFA-Cup bestritt um 18 Uhr RAPID gegen Videoton Stuhlweißenburg (2 : 2), im Landesmeister-Bewerb trat die Austria um 20 Uhr gegern Partizan Tirana (3 : 1) an. Und das letzte Europapokal-Doppel im Prater stieg am 21. Oktober 1981. Im Vorspiel der Landesmeister um 18 Uhr verlor die Austria gegen Dynamo Kiew mit 0 : 1, RAPID hingegen schlug im UEFA-Cup im Hauptspiel um 20 Uhr den PSV Eindhoven mit 1 : 0. Abermals 30.000 Zuschauer wohnten den beiden Europacup-Matches bei. Und da sich die Zeiten bekanntlich ändern, schlug 2014 mit dem Bau des Allianz-Stadions, besser bekannt als Weststadion, nun RAPID seine Zelte im Prater auf und positionierte den grün-weißen Nachwuchs im nunmehrigen Ernst-Happel-Stadion.
90-jährige Geschichte einer Schüssel
Time to say goodbye? Mitnichten! Auch wenn in den letzten Jahren immer wieder der Ruf nach einem neuen österreichischen „Nationalstadion“ laut wurde, so ist die er- und damit auch gelebte Geschichte des Wiener Praterstadions, seit 1993 Ernst Happel-Stadion lautend, nicht von der Hand zu weisen. Ein mehr als nur geschichtsträchtiger Ort, eingebettet im Wiener Prater in der Leopoldstadt, dient als stummer Zeuge längst vergangener Zeitläufte, ein Monument österreichischer Geschichte. Seit Corona-Zeiten dient das Areal vor dem Stadion als Test- und Impfstraße und ein Spaziergang, auch ganz ohne Stadion-Veranstaltung, rund um die Schüssel lässt hoffnungslose Romantiker immer wieder gerne in Erinnerungen schwelgen. Das Stadion, es gehört ganz einfach zu Wien und wird auch immer wieder gerne und zahlreich von Touristen aus aller Welt besucht, die abseits der bekannten Trampelpfade rund um den Stephansdom lustwandeln. Und wenn man wieder im „Konzert der Großen“ mitspielen möchte, was den Prater als Austragungsort für internationale Fußballspiele anlangt, so kommt eine Adaptierung bei weitem günstiger als ein völliger Neubau. Und dass Wien ein guter Gastgeber ist, das hat die Stadt bekanntlich bereits bewiesen!
ZEITTAFEL
12. November 1928: Grundsteinlegung für den Bau des Wiener Stadions aus Anlass des 10-jährigen Bestandes der Republik Österreich;
1. Dezember 1928: Baubeginn;
11. Juli 1931: Feierliche Eröffnung des neuen Wiener Stadions im Rahmen eines Sportfestes vor 20.000 Zuschauern;
19. bis 26. Juli 1931: II. Arbeiter-Olympiade in Wien mit insgesamt 240.000 Besuchern;
13. September 1931: Erstes ÖFB-Länderspiel im neuen Praterstadion. Deutschland wird vom Wunderteam vor 50.000 Zuschauern mit 5 : 0 aus dem Stadion geschossen. Warum das Stadion nicht ausverkauft war, stand am nächsten Tag in den Zeitungen zu lesen: „Zahlreiche leergebliebene Sitze, gerade in den ersten Reihen, waren eine wirkungsvolle Demonstration gegen die Preispolitik des Verbandes, weil damit nachgewiesen wurde, dass wir nicht genug Publikum haben, das Preise von sechs Schilling (ca. € 0,44) zahlen kann und will.“
8. September 1933: Die erste völlig ausverkaufte Vereinsvorstellung im Praterstadion. Die Wiener Austria gewinnt das Rückspiel im Finale gegen Ambrosiana-Inter Mailand vor 60.000 Zuschauern mit 3 : 1 und holt sich damit erstmals den Mitropacup. Dreifacher Torschütze war Matthias Sindelar;
6. Mai 1936: Erster Sieg einer ÖFB-Auswahl über England im Ausmaß von 2 : 1 vor 60.000 Zuschauern;
6. September 1936: Die Austria trennt sich im Hinspiel des Mitropacup-Finales vor 42.000 Zuschauern von Sparta Prag 0 : 0. Das Rückspiel eine Woche später in Prag gewinnen die Wiener Veilchen mit 1 : 0 und holen sich damit nach 1933 den zweiten Titel im Mitropacup, vergleichbar mit der heutigen Champions League;
21. März 1937: Österreich führt im Länderkampf gegen Italien vor 49.000 Zuschauern mit 2 : 0. Der schwedische Referee Carl Olsson brach das Match in der 73. Minute ab, da er sich aufgrund der zahlreichen Fouls auf beiden Seiten nicht mehr in der Lage sah, die Partie ordentlich zu Ende zu führen.
13. März 1938: Die Deutsche Wehrmacht „übernimmt“ das Stadion, das von nun an als Kaserne dient;
3. April 1938: Im sogenannten „Anschlussspiel“ gewinnt das am Papier politisch ausradierte Österreich gegen Deutschland mit 2 : 0. Diese Begegnung scheint bis heute nicht in der offiziellen Wertung der Länderspielstatistik dieser beiden Nationen auf;
August 1939: Studentenwettspiele;
1944: Große Teile des Stadions wurden aufgrund der Bombardierungen auf Wien völlig zerstört;
6. Dezember 1945: Frankreich erklärte sich als erste Nation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bereit, gegen Österreich auf Wiener Boden ein Länderspiel auszutragen. Österreich nahm mit 50.000 Zuschauern im Rücken das Angebot dankend an und gewann mit 4 : 1;
23. Oktober 1949: RAPID führt gegen die Austria nach 69 Minuten 4 : 1. Endstand 4 : 4. Die Doppel-Veranstaltung mit zuvor Admira gegen Sportklub (2 : 4) verfolgen 55.000 Zuschauer;
17. September 1950: Wieder ein Wiener Derby im Praterstadion, dem diesmal 53.000 Zuschauer bei strömendem Regen beiwohnen. Ein heroisch geführter Kampf von beiden Seiten geht mit einem 7 : 5 für RAPID in die Annalen ein.
8. Oktober 1950: Österreich demoliert vor 65.000 Zuschauern Jugoslawien mit 7 : 2;
4. April 1953: Der FK Austria Wien unterliegt vor 60.000 Zuschauern im Stadion Honved Budapest mit 6 : 7, nach folgender Torfolge: von 0 : 4 auf 4 : 4 aus Sicht der Austria, dann 6 : 6. Endstand 6 : 7. „Major“ Ferenc Puskás meinte hinterher, dass dies das schönste Spiel seiner Karriere war;
27. September 1953: Österreich „kegelt“ Portugal im Rahmen der WM-Qualifikation mit 9 : 1 aus dem Stadion. 60.000 Zuschauer waren hellauf begeistert;
1956: Da das Stadion oftmals aus allen Nähten platzte, wurde beschlossen, einen dritten Rang aufzustocken. 42 Millionen Schilling (ca. € 3,052.000,-) wurden für den Zubau veranschlagt. Fassungsvermögen nach Fertigstellung: 91.150 Personen;
14. November 1956: Flutlichtpremiere im Praterstadion vor 53.000 Zuschauern. RAPID und Ernst Happel ging beim 3 : 1-Triumph über Real Madrid mehr als nur ein Licht auf und der „Aschyl“ scorte alle drei Treffer für die Hütteldorfer;
1. Oktober 1958: Eine weitere fußballerische Sensation im nächtlichen Prater. Der Wiener Sport Club gewinnt im Europacup der Meister nach einem 1 : 3 im Hinspiel von Turin gegen Juventus in Wien glatt mit 7 : 0. 33.000 Besucher trauten ihren Augen kaum im von mit 92 Scheinwerfern hell erleuchteten Praterstadion;
1959: Ausbau der Praterarena zu einer modernen Mehrkampfarena erfolgreich abgeschlossen;
1960: Die ÖFB-Länderspiele gegen die UdSSR (4. September) und Spanien (30. Oktober) weisen mit 85.000 bzw. 91.000 Besuchern neue Zuschauerrekorde auf;
1961: Auch in der „Decker-Ära“ geht es in dieser Tonart weiter: Zweimal über 90.000 kamen am 27. Mai gegen England sowie gegen die Ungarn am 8. Oktober; Besucher-Rekorde, die nie mehr wieder erzielt wurden. Weiters wurde in diesem Jahr die Stadion-Betriebsgesellschaft aufgelöst und stattdessen die Einverleibung in die Wiener Stadthallengesellschaft erwirkt. Da darüber hinaus der Ausbau der Sitzplätze beschlossen wurde – sehr zum Leidwesen des stets zahlreich erschienenen Stehplatz-Publikums – war danach die Kapazität des Wiener Praterstadions auf 72.000 Plätze reduziert;
27. Mai 1964: Erstes Endspiel im „Europapokal der Landesmeister“ in Wien. Inter Mailand schlägt vor 71.333 Zuschauern Real Madrid mit 3 : 1;
1968: Die Leichtathletik-Anlage wurde den modernsten Gegebenheiten angepasst;
29. April 1970: Zweites Endspiel im „Europapokal der Pokalsieger“ in Wien. Manchester City gewinnt gegen Gornik Zabrze mit 2 : 1, geleitet von einem österreichischen Schiedsrichter-Trio: Paul Schiller pfiff, ihm zur Seiten an den Linien standen Erich Linemayr und Franz Wöhrer. Strömender Regen und nur 9.000 Zuschauer im Stadion. Die UEFA entschied: NIE MEHR EIN FINALE IN WIEN.
1971: Errichtung einer neuen TV-gerechten Flutlichtanlage bestehend aus lediglich zwei Masten;
5. April 1972: ÖFB-Teamprobespiel im völlig leeren Praterstadion gegen Ostbahn XI. Ein 16-jähriger Wuschelkopf in Reihen der Simmeringer, ein „Schmalpickter“, häkerlt die gestandenen Nationalspieler. Österreich tut sich schwer und gewinnt gegen das Team aus der Wiener Liga mühevoll mit 1 : 0. Willi Kreuz sorgt für die Entscheidung. Dem „Schneckerl“ gelingt beinahe der Ausgleich. Ein Stern ging auf am Fußballhimmel. Herbert Prohaska trat als späterer „Fußballer des Jahrhunderts“ erstmals in Erscheinung.
1976: Die Leichtathletik-Anlage wird auf Kunststoff umgestellt;
24. September 1977: Österreich gegen die DDR steht in der 85. Minute vor 72.000 Zuschauern 1 : 1. Hans Krankl gelingt per Kopf der vermeintliche Siegestreffer. Der walisische Schiedsrichter Tom Reynolds gibt den Treffer nicht, Hans Krankl wird wegen heftiger Kritik ausgeschlossen, das Stadion kocht über;
12. April 1978: Die Wiener Austria erreicht nach einem Penalty-Krimi im Ausmaß von 5 : 4 gegen Dynamo Moskau das Finale im Europapokal der Pokalsieger. Für 72.000 Zuschauer im restlos ausverkauften Praterstadion hing der violette Fußballhimmel voller Geigen.
21. Mai 1980: Der ÖFB verabschiedet vor 65.000 Zuschauern seinen verdienstvollen Kapitän Robert Sara nach 55 A-Länderspielen. Argentinien gratuliert und ein kleiner Mann namens Diego Maradona erledigt beim argentinischen 5 : 1-Erfolg Österreich mit drei Toren quasi im Alleingang.
25. Mai 1981: Der VIP-Club in den neu adaptierten Räumlichkeiten des Sektor B wird eröffnet;
29. Mai 1982: RAPID feiert gegen Partizan Belgrad vor 7.500 Besuchern den Gewinn der Österreichischen Fußballmeisterschaft 1981/82. Beim 3 : 1-Erfolg bricht eine Zaunumrandung ab und 30 jugendliche Anhänger stürzen auf die Laufbahn. 13 davon wurden verletzt. Rapid-Kapitän Hans Krankl schäumt und fordert eine sofortige Sperre der „Bruchbude“ Praterstadion.
17. Mai 1983: Letztes Länderspiel vor der Generalsanierung: Österreich und die UdSSR spielen freundschaftlich 2 : 2, 15.000 Besucher waren live dabei.
21. März 1984: Letztes Europapokalspiel vor der Generalsanierung: Die Austria trennt sich von Tottenham Hotspur und 20.000 Zuschauern im Stadion mit einem 2 : 2;
8. Mai 1984: Letztes Fußballspiel vor der Generalsanierung im „alten“ Prater-Oval: die Austria gewinnt vor 11.000 Besuchern gegen RAPID im ÖFB-Cupfinale Hinspiel mit 3 : 1.
14. November 1984: Während Österreich im Ing. Gerhard Hanappi-Stadion vor 15.000 Besuchern die Niederlande 1 : 0 schlägt, rollen im jahrzehntelangen Heimstadion, dem Prater, die Bagger an. Um 420 Millionen Schilling (ca. € 30,522.000,-) wird das alte Praterstadion binnen zwei Jahren einer Frischzellenkur samt kompletter Überdachung unterzogen;
29. Oktober 1986: Das Wiener Praterstadion ist zurück! Mit einer Kapazität von 60.000 Zuschauern, einem neuen Flutlicht, modernen Kabinen und perfekten Sicherheitsvorkehrungen wird das Stadion wiedereröffnet. Der Länderspiel-Gegner Vize-Weltmeister Deutschland erleidet abermals gegen eine entfesselnd aufspielende ÖFB-Auswahl ein Debakel in Wien. 4 : 1 für Rot-Weiß-Rot heißt es nach denkwürdigen 90 Minuten;
5. November 1986: Erstes Europapokalspiel nach der Wiedereröffnung: Die Wiener Austria trennt sich vom FC Bayern München vor 45.000 Zuschauern 1 : 1;
27. Mai 1987: Frei nach Winston Churchill – „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ – vergibt die UEFA nach 1970 nun doch wieder ein EC-Finale nach Wien. Umso mehr, da das neue Praterstadion zu den schönsten und funktionellsten Stadien Europas zählt. Der FC Bayern München trifft im Endspiel des Europapokals der Landesmeister auf den FC Porto und lässt sich beim 1 : 2 vor 57.500 Zuschauern sprichwörtlich die Lederhosen ausziehen. Die bereits im Vorfeld bestellte Heurigen-Partie in Grinzing nach dem Finale wurde zum bajuwarischen Leichenschmaus;
18. November 1987: „Bonjour Tristesse“. Zuschauermäßig am Null-Punkt angelangt. Österreich trennt sich von Rumänien vor 6.200 Unentwegten torlos.
15. November 1989: Abermals ein denkwürdiger Fußball-Abend im Prater. Österreich schlägt die DDR dank dreier Treffer von Toni Polster 3 : 0 und qualifiziert sich damit für die Fußball-WM 1990 in Italien;
12. Mai 1990: Ein denkwürdiges ÖFB-Cupfinale zwischen Austria und RAPID wird in der sprichwörtlich letzten Sekunde entschieden. 1 : 1 nach 90 Minuten, 3 : 1 für die Wiener Violetten nach 120 Minuten. Der sicher geglaubte Sieg RAPIDs schwimmt vor 16.000 Zuschauern im Donaustrom davon;
23. Mai 1990: Beinahe schon das obligatorische EC-Finale der Landesmeister im Prater. Der AC Milan gewinnt gegen Benfica Lissabon mit 1 : 0. Ausverkauftes Haus, 57.500 Zuschauer waren zugegen;
3. Juni 1992: Die Wiener Austria gewinnt gegen die Salzburger Austria am letzten Spieltag mit 2 : 1 die Meisterschaft. 40.000 Besucher im nur zu zwei Drittel geöffneten Stadion steigen sich beim Jubeln auf die Füße;
28. Oktober 1992: Mit einem todkranken Teamchef Ernst Happel auf der Bank gewinnt Österreich gegen Israel vor 20.000 Zuschauern im Praterstadion 5 : 2. Zwei Wochen später, am 14. November 1992, verstirbt der „Wödmasta“.
Jänner 1993: Gleichzeitig mit der Bestellung von Herbert Prohaska zum neuen ÖFB-Teamchef wird das Praterstadion in Ernst Happel-Stadion umbenannt;
12. Juni 1993: Die Austria schießt RAPID mit 4 : 0 aus dem Stadion und holt sich damit abermals vor 27.000 Anhängern den Meistertitel;
1994: „Austria Salzburg für Österreich, Österreich für Austria Salzburg!“, so lautet der ausgegebene Slogan von Mäzen Rudolf Quehenberger. Es gelang seiner Salzburger Austria im Europapokal das Ernst Happel-Stadion mehrmals zu füllen. Die Euphorie in Salzburg war dermaßen groß, dass das Stadion in Lehen mit einer Kapazität von 18.000 Zuschauern schlichtweg zu klein war. Daher der Gang nach Wien.
26. April 1994: Hinspiel im UEFA-Cup-Finale zwischen dem SV Austria Salzburg und Inter Mailand (0 : 1) vor 47.770 „Österreichern für Salzburg“.
2. Juni 1994: Österreich empfängt anlässlich „90 Jahre ÖFB“ im Ernst Happel-Stadion Deutschland. 1 : 5 heißt es am Ende vor „nur“ 35.000 Zuschauern;
11. Juni 1994: Geisterkulisse im Ernst Happel-Stadion. Zum 60. ÖFB-Cupfinale zwischen der Wiener Austria und dem FC Linz (vormals SK VÖEST) verirren sich beim 4 : 0-Erfolg der Veilchen gut geschätzte 6.000 Zuschauer im weiten Rund;
24. Mai 1995: Letztes von insgesamt sechs Europapokal-Endspielen (vier im Meistercup, und je eines im Cupsieger-, als auch UEFA-Cup-Bewerb) in Wien. Ajax Amsterdam schlägt den AC Milan 1 : 0. Diesmal waren 49.730 Zuschauer im ausverkauften Ernst Happel-Stadion zugelassen.
5. Juni 1995: Ein letzter Triumph für die Ewigkeit? RAPID gewinnt letztmals ein ÖFB-Cupfinale, in diesem Falle mit 1 : 0 gegen den DSV Leoben. 15.000 Zeitzeugen waren dabei;
Herbst 1996: RAPID spielt in der UEFA-Champions League im Ernst Happel-Stadion gegen Fenerbahce Istanbul, Juventus Turin und Manchester United und verzeichnet dabei stets guten Besuch;
11. Oktober 1997: Vor 48.000 enthusiastischen Zuschauern qualifiziert sich die ÖFB-Auswahl um Teamchef Herbert Prohaska mit einem 4 : 0 gegen Weißrussland für die Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Der 2015 – Österreich qualifizierte sich für die Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich – neuerlich aufgewärmte Hit „FRANKREICH – WIR KOMMEN“ feierte bereits damals im Oktober 1997 im Ernst Happel-Stadion seine Uraufführung.
Jänner 2002: Mit der Bestellung von Johann Krankl zum ÖFB-Teamchef per 21. Jänner 2002 kehrten auch postum neue Sitten zur Nationalmannschaft zurück. Beispielsweise jene, dass das Team anhand der Heimspiele ausschließlich in rot-weiß-roter Dress auflaufen wird. Zum Hans Krankl-Debüt als Teamchef in Wien kamen am …
Mittwoch, 17. April 2002 32.100 Zuschauer in den Prater und sahen die Österreichische Nationalmannschaft gegen Kamerun beim 0 : 0 und weiß und schwarz gekleidet einlaufen.
Herbst 2005: RAPID spielt in der UEFA-Champions League im Ernst Happel-Stadion gegen FC Bayern München, Club Brügge und Juventus Turin und verzeichnet dabei abermals guten Besuch;
Juni 2008: Das Ernst Happel-Stadion ist Austragungsort zahlreicher EM-Spiele, so auch des Finales zwischen Deutschland und Spanien (0 : 1) vom 29. Juni 2008. Die Schüssel war dabei immer mit 51.428 Zuschauern ausverkauft;
Herbst 2013: Erstmals nimmt auch der FK Austria Wien an der Champions League teil. Die Gegner im Ernst Happel-Stadion waren der FC Porto, Atletico Madrid, sowie Zenit St. Petersburg;
2014/2015: Die Österreichische Fußball-Nationalmannschaft absolviert unter Teamchef Marcel Koller eine makellose Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich. Die Länderspiele im Ernst Happel-Stadion sind durchwegs auserkauft und die Euphorie im Lande ungebrochen groß;
2019: Österreich qualifiziert sich unter Teamchef Franco Foda abermals für die Fußball-Europameisterschaft 2020, Corona-bedingt ausgetragen 2021. Das Ernst Happel-Stadion wird jedoch nicht mehr so oft genützt, wie die Jahre und Jahrzehnte zuvor. Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt wurden zur ernsthaften Konkurrenz für den Spielort Ernst Happel-Stadion in Wien;
Anmerkung: Diese Zeittafel ist unvollständig und soll lediglich einen „kurzen“ Ausschnitt aus intensiven neun Jahrzehnten darstellen!
Quelle: Redaktion www.oepb.at