Fahrts nach Hütteldorf, heut spielt Rapid!
I fahr nach Hütteldorf, kummts alle mit.
A so a Match, dös loss I net aus.
Ob´s stürmt, ob´s schneit, i mach ma nix draus.
Heut spült der Bimbo wieder mit im Sturm,
und wann er halbwegs hat sei Furm,
schießt er den Tormann samtn Ball ins Netz –
drum kummts nach Hütteldorf, da gibt´s a Hetz!
So ein Liedtext aus den 1930er Jahren; Dem hier Besungenen wurde Jahre später erneut musische Aufmerksamkeit zuteil. Ernst Track (Text) und Eduard Macku jun. (Musik) komponierten den „Bimbo-Marsch“ – Ein heiterer Fußball-Marsch-Fox anlässlich der im Jahre 1949 dritten gewonnenen „Sportfunk“-Wahl von Franz „Bimbo“ Binder vom SK Rapid Wien zum „Populärsten Fußballer Österreichs“.
Ein Leben lang der Bimbo
„Da war ich schon ein paar Jahre bei Rapid, ich glaube, es war 1935. Wir sind von einer Afrika-Tournee mit dem Schiff zurück nach Marseille gekommen und am Abend dort in ein Kino gegangen. Der Film hat „Wirbelsturm“ geheißen und der Hauptdarsteller war ein gewisser „Bimbo“. Der war auch so ein Riesenlackel wie ich, auch so um 1,90 Meter und hat sich genauso bewegt wie ich. Nach dem Film hat die Mannschaft dann beschlossen, dass ich ab sofort nur mehr der „Bimbo“ bin…“, so Franz Binder sen. anhand eines oepb-Interviews aus dem Jahre 1981 anlässlich seines 70. Geburtstages.
Aus St. Pölten nach Wien-Hütteldorf
Franz Binder kam am 1. Dezember 1911 in St. Pölten / Niederösterreich zur Welt. Franz hatte neun Geschwister, der Vater war Gemeindeangestellter. Beim FC Sturm 19 St. Pölten begann der kleine Franzi mit dem Fußballspielen. Beim täglichen Dribbeln wird eines Tages ein Talentespäher auf ihn aufmerksam. Und bei einem Rapid-Gastspiel in der Traisen-Metropole beeindruckte der junge Stürmer den Hütteldorfer Sektionsleiter Dionys Schönecker derart, dass ihn dieser daraufhin verpflichten wird. Franz Binder unterschrieb 1930 kaum 19-jährig seinen ersten Profivertrag bei den Grün-Weißen.
Den Zug in Hütteldorf eingebremst
Franz Binder, der in St. Pölten wohnte, fuhr jeden Tag mit der Bahn nach Wien und nach dem Training wieder zurück. Dabei bat er jeden Tag aufs Neue den Lokomotivführer, kurz vor Hütteldorf-Hacking die Geschwindigkeit der Lok ein bisserl zu drosseln, damit er abspringen konnte. So ersparte er sich den mühsamen Umweg über den Westbahnhof und erschien stets pünktlich auf der Pfarrwiese zum Training. Die Hütteldorfer übernahmen auch die Kosten für die Bahnfahrt. 35 Schilling (€ 2,54) kostete in den frühen 1930er Jahren eine Monatskarte.
Prämien ver“fressen“
Franz Binder verdiente für einen jungen Burschen seines Alters bei Rapid bereits gutes Geld. Die Prämien investierte er in Essen. „Wir waren alle sehr ausgehungert damals und weder in Wien, noch in St. Pölten hatten die Leute viel. Also brachte ich das Geld nach Hause und meine Mutter bekochte uns alle reichlich.“, so Franz Binder. Sein Monatsfixum betrug damals 150 Schilling (€ 10,90). 30 Schilling (€ 2,18) gab es „Startgeld“ und 20 Schilling (€ 1,45) pro Sieg.
Tore, Tore und immer wieder Tore
Am Sonntag, 12. Oktober 1930 debütierte Franz Binder am Wacker-Platz in Meidling für Rapid. Gegner war der SK Slovan Wien. Rapid blieb mit 4 : 1 erfolgreich, der junge Lulatsch im Sturm der Hütteldorfer traf bei seinem Debüt gleich zweimal. 18.000 Zuschauer verfolgten die Doppel-Veranstaltung mit SC Wacker Wien gegen SK Admira Wien (1 : 5). Es dauerte zwar bis in die darauf folgende Saison, ehe Franz Binder wieder in der Kampfmannschaft von Rapid eingesetzt wurde, dies änderte aber nichts an seinem steten Drang Tore zu erzielen. Am Sonntag, 30. Oktober 1932 beispielsweise gelangen Binder sechs Tore beim 7 : 4-Erfolg der Hütteldorfer über den SK Admira Wien im Wiener Praterstadion. 16.000 Zuschauer waren bei der Doppelveranstaltung mit SC Nicholson (dem späteren FC Wien) gegen den Floridsdorfer AC (2 : 2) dabei. Die Zeitungs-Kritik tags darauf wusste folgendes zu berichten: „Binder war der populärste Mann des Nachmittags. Er schoss sechs Tore, eines schöner als das andere. So hat seit den Tagen Josef Uridils noch kein Stürmer in der Meisterschaft geschossen. Dieser Binder ist aber kein Neuling, man konnte immer wieder feststellen, dass er über eine geradezu unheimliche Schusskraft verfüge.“ Der „Lange“ war aber nicht nur ein großartiger Schütze – und das nicht nur im Sternzeichen – er war auch technisch perfekt, spielte klug und bewies dabei viel Übersicht.
Scharfschütze vom Dienst
Rapid brachte im Laufe der Jahrzehnte immer wieder echte Scharfschützen und wahre Bomber hervor. Auf Josef „Pepi“ Uridil kam Franz Binder, dem wiederum Robert Dienst und Hans Krankl nachfolgten. Binder galt jedoch als wahrer Scharfschütze vom Dienst. Seine Schüsse vollzog er kerzengerade, mit dem Vollrist und der Wucht einer Kanonenkugel. „Wie viele Netze ich im Laufe meiner Karriere zerschossen habe, weiß ich nicht mehr, aber ein paar werden es schon gewesen sein.“, so der Mann, der immer wieder gerne aus gut 30 Metern trocken abzog und dabei den Ruf genoss, das Leder samt dem gegnerischen Torhüter ins Netz zu „kanonieren“. Seine Erfolgsquote anhand von Freistößen oder Elfmetern lag bei fast 100 Prozent. Wenn er zur Exekution antrat, gab es für die jeweiligen Torhüter des Öfteren gebrochene Finger oder Hände anhand der vergeblichen Abwehrversuche zu beklagen.
Duell mit Pele gewonnen
Der große Pele (dreimaliger Fußballweltmeister mit Brasilien 1958, 1962 und 1970) wurde in den 1970er Jahren als erster „1.000er-Schütze“ in der Fußballgeschichte gefeiert. Dies stimmte nicht, denn es war nachweisbar der lange „Frauunz“ aus St. Pölten in Österreich gewesen, der Franz „Bimbo“ Binder, der in 756 Pflichtspielen 1.006 Tore für Rapid erzielte. Sechsmal (1933, sowie 1937 bis 1941 in Serie) war Franz Binder auch Torschützenkönig geworden. „Wenn man die Freundschaftsspiele dazurechnet, dann habe ich 1.300 Tore für Rapid gemacht.“, so Franz Binder in seinen Lebenserinnerungen.
Der Fan – das bekannte Wesen
Franz „Bimbo“ Binder erinnerte sich 1981 anlässlich des oepb-Interviews an seine aktiven Jahre bei Rapid. „Wenn ich heute zu Rapid ins Hanappi-Stadion gehe, die Gitterzäune und die viele Polizei dort sehe, dann stimmt mich das traurig. Es hat natürlich auch schon zu unserer Zeit B´soffene gegeben, aber die sind von den Zuschauern selbst raus´gschmissen worden, da hat es ka Poilzei gebraucht dafür. Und auch keinen Zaun. Wir haben uns bei jedem Outeinwurf und bei jedem Eckball mit den Zuschauern unterhalten und auch an Schmäh angebracht. Und nach dem Match haben alle gewusst, wo wir hingehen. Da waren dann viele von den Anhängern schon dort, bis wir gekommen sind und haben uns das Essen gezahlt, wenn wir gewonnen haben.“, so ein freundlich lächelnder Franz Binder.
Länderspiele für Österreich UND Deutschland
Die Fußballer-Karriere des Franz „Bimbo“ Binder fiel genau in jene unsägliche Zeit der politischen Umstürze in Österreich samt den damit einhergehenden Vorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg. Am 11. Juni 1933 debütierte der 21-jährige Franz Binder beim 4 : 1 Österreichs über Belgien vor 50.000 Zuschauern in Wien in der Österreichischen Nationalmannschaft. Dass ihm dabei Tore gelangen – nämlich das 2 : 1 und 4 : 1 – versteht sich hier wohl von selbst. Bis 1937 trug er den ÖFB-Adler auf der Brust, ehe Binder, wie so viele andere österreichische Auswahlspieler auch, in den Jahren 1939 bis 1941 von Reichstrainer Sepp Herberger in die Deutsche Nationalmannschaft einberufen wurde. Wie das möglich ist? Ganz einfach, Österreich hatte 1938 mit dem politischen Anschluss an Hitler-Deutschland aufgehört zu existieren. Die Bilanz Binders für die DFB-Auswahl spricht ebenso für sich: 9 Länderspiele mit 10 Toren! Nach dem Krieg lief Franz Binder wieder für sein Heimatland auf, diesmal sogar als Kapitän der rot-weiß-roten Auswahl. In Summe betritt er von 1933 bis 1947 19 A-Länderspiele für Österreich mit 16 Toren und 9 Länderspiele für Deutschland mit 10 Volltreffern.
Aus dem Kanonier wird ein Sektionsleiter
In der Saison 1948/49 zeichnete sich langsam das Karriere-Ende von Franz Binder ab. Er bestritt in der Meisterschaft zwar noch 9 Spiele (2 Tore), tauschte aber vermehrt den Dress mit dem guten Anzug. Gemeinsam mit seinem Trainer und Freund Hans Pesser baute er eine Rapid-Mannschaft auf, die in Europa zur absoluten Spitze zählte. Binder hatte das Auge für Talente, so wie einst sein Entdecker Schönecker für ihn. Robert Dienst (vom FAC), Franz Golobic (FC Wien), Gerhard Hanappi (Wacker), Erich Probst (Vienna), Johann Riegler (FC Wien), Walter Zeman (FC Wien) und so weiter, er brachte sie alle nach Hütteldorf. Teilweise warb er die Spieler direkt aus den Trainingslagern der Konkurrenz ab mit oft den dubiosesten Dreiertauschgeschäften. Immer das Ziel vor Augen, „seine“ Rapid stark zu machen. Dreimal (1948 bis 1951, 1962 bis 1966, sowie 1975/76) war Franz Binder als Sektionsleiter und Trainer in Hütteldorf tätig. Die Jahre dazwischen zog es ihn ins Ausland. Jahn Regensburg, der 1. FC Nürnberg, PSV Eindhoven sowie der TSV München 1860 hießen hier seine Stationen. Im Frühjahr 1969 trainerte Franz Binder Schwarz-Weiss Bregenz.
Runder Geburtstag
Im Dezember 1986 würdigten ihn die großen österreichischen Tageszeitungen noch einmal aus Anlass seines 75. Geburtstages. Sein Verein, der SK Rapid Wien gewährte ihm eine Ehrenkarte auf Lebenszeit, die Franz Binder sen. auch nützte. Beim „Bund Österreichischer Fußballlehrer“ (Bezeichnung Binder) jeden Freitag im Hanappi-Stadion trafen die Helden von einst zusammen. Die „Körner-Brüder“, Ernst Reitermaier, Josef Bugala, Franz Binder und Konsorten. Dass dabei nur über den Fußballsport „der guten alten Zeit“ geplaudert wurde, muss hier wohl nicht weiter erklärt werden.
Ableben
Am 24. April 1989 verstarb Franz „Bimbo“ Binder in Wien im 78. Lebensjahr. Sein Sohn, Franz Binder jun. hatte als langjähriger Sekretär und Manager des SK Rapid Wien (von 1979 bis 1994) die nun undankbare Aufgabe, die Todesnachricht zu verbreiten. Auf dem Baumgartner Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.
Was blieb von Franz „Bimbo“ Binder
In der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten, seiner Heimatstadt gibt es eine Franz-Binder-Straße. Der FC Sturm 19-Platz trug jahrelang seinen Namen. Mit der Auflösung dieses Fußballvereins im September 2016 wurde beschlossen, das Fußballplatz-Areal in einen Stadtpark umzuwandeln. Die Bevölkerung wurde dazu aufgerufen, bei der Namensgebung mitzuhelfen. Schade, dass es sich in Zukunft um den Sturm 19-Park und nicht um den Franz „Bimbo“ Binder-Park handeln wird. Hier merkt man einmal mehr, dass die ruhmreiche Geschichte des Fußballsports in Österreich – wenn überhaupt – leider nur peripher wahrgenommen wird.
Tore, Titel und Triumphe
6 gewonnene Meisterschaften und ein Cupsieg mit Rapid, sechsmal Torschützenkönig in Österreich, dreimal zum populärsten Fußballer des Landes gewählt, sowie ein Deutscher Pokalsieg (1939) und eine Deutsche Meisterschaft (1941) mit Rapid gewonnen. In Summe aller Spiele 1.300 Tore für die Grün-Weißen erzielt, das sind Superlativen, die man wohl nie mehr wieder toppen kann. Franz „Bimbo“ Binder, der grün-weiße Kanonier der Hütteldorfer, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen einer 12-köpfigen Arbeiterfamilie, drückte dem österreichischen Fußballsport unmissverständlich seinen Stempel auf. Am heutigen Tage wäre Franz „Bimbo“ Binder 110 Jahre alt.
Übrigens – der legendären Geschichte mit dem FC Schalke 04 widmeten wir eine eigene Story. Mehr dazu bei uns bitte hier:
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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