Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) baut seinen Online-Schwerpunkt zu 1945 weiter aus: Die neue Web-Ausstellung „Zwischen den Zeiten. 1945 in Fotos“ spannt den Bogen vom Frühling bis in den Sommer 1945.
Hundert Fotografien geben teils völlig neue Einblicke in die Erfahrungen der Menschen vor 75 Jahren, in einer Zeit des Übergangs zwischen NS-Herrschaft und Demokratie, totalem Krieg und alliierter Verwaltung.
Am 27. April 2020 jährt sich die Geburtsstunde der Zweiten Republik zum 75. Mal: Schon wenige Tage nach der Befreiung Wiens erklärte die Provisorische Staatsregierung die Unabhängigkeit Österreichs und die Wiedererrichtung einer demokratischen Republik.
Zu dem Zeitpunkt waren aber noch weite Teile des Landes unter der Kontrolle des NS-Regimes, das trotz des absehbaren Kriegsendes seine Verfolgungspolitik fortsetzte und Versuche der friedlichen Übergabe oft drakonisch bestrafte. Deshalb wurden gerade in den letzten Tagen der NS-Herrschaft besonders viele Grausamkeiten in ganz Österreich verübt. Dieser widersprüchlichen Zeit widmet das hdgö seit März einen Themenschwerpunkt, der laufend ausgebaut wird.
Nach „Elf neue Perspektiven auf 1945“ (1945.hdgoe.at) startet nun die neue Web-Ausstellung „Zwischen den Zeiten. 1945 in Fotos“. Das Haus der Geschichte Österreich präsentiert neben bekannten Bildern viele bislang noch nie öffentlich gezeigte Fotografien aus spezialisierten Archiven und privaten Sammlungen aus ganz Österreich. Die Erläuterungen des Museums machen die Unterschiede zwischen spontanen Momentaufnahmen und sorgfältig inszenierten Aufnahmen ebenso deutlich wie die Funktion von Fotos für Presse und Propaganda.
„Der Beginn des demokratischen Lebens in Österreich, die Ausrufung der Zweiten Republik, hat keine fotografische Ikone bekommen. Symbolisch für den Frühling 1945 steht stattdessen das Bild vom brennenden Stephansdom, mit dem sich ausgerechnet jener Fotograf profilierte, der im März 1938 die bis heute am häufigsten abgedruckte Aufnahme der „Anschluss“-Rede am Heldenplatz gemacht hatte. Nach dem Ende des Krieges wurden die Zerstörungen durch die militärischen Auseinandersetzungen ein beliebtes Motiv – ein Blick auf die weniger bekannteren Bilder lohnt sich jedoch.“, sagt dazu die hdgö–Direktorin Monika Sommer.
„In unserer Web-Ausstellung haben wir hundert einzigartige Fotos gesammelt, in denen greifbar wird, welche Erfahrungen hier aufeinanderprallten. Wir stellen Bilder von Profis und AmateurInnen, von Militärpropaganda und Fotojournalisten gegenüber und geben damit einen neuen Einblick in diese Zeit zwischen den letzten Kampfhandlungen und beginnendem Alltag“, so Stefan Benedik, der gemeinsam mit Markus Fösl die Foto-Ausstellung kuratiert hat.
Fotos von der neuen Normalität bis zum langen Atem der Gewalt
Nach dem Ende der Kämpfe in Wien ließen sowjetische Fotografen diese wieder aufführen, um vor dem Hintergrund der Ringstraßenbauten Material für die Presse zu bekommen. Dagegen dokumentieren einzigartige Aufnahmen von AmateurInnen den eigentlichen historischen Moment: Oft waren es Frauen, die aus Fenstern oder hinter Verstecken den Einmarsch von Truppen oder die plötzliche Teilung ihrer Ortschaften durch Zonengrenzen fotografieren. Nur wenige Wochen danach kündigen Plakate wieder eine breite Palette an Veranstaltungen an, darunter auch Jazz oder Mendelssohn, der davor verboten war. Die Fotos zeigen Litfaßsäulen inmitten von Schutt und Veranstaltungsräume, die nur improvisiert sind.
Dennoch vermitteln solche Bilder Zuversicht inmitten einer Gesellschaft, deren Leben von Mangelversorgung geprägt ist. Die alliierte Verwaltung verspricht auch einen neuen – modernen – Lebensstil zwischen amerikanischem Kaugummi und sowjetischen Straßenpolizistinnen. Zum Aufbruch in Normalität und Solidarität hat ein demokratisches Presse- und Medienwesen entscheidend beigetragen – lange Schlangen vor Zeitungsständen beweisen den Hunger nach Informationen, den die Jahre der Hetzpropaganda und die langen Monate ohne verlässliche Nachrichten hervorgerufen haben. Die neuen Zeitungen sind auch ein wichtiges Organ für die Aufklärung über NS-Verbrechen, die von den Alliierten in drastischen Bildern öffentlich sichtbar gemacht werden.
Weitere neue Online-Angebote zu 1945
Neben der neuen Web-Ausstellung bringt das hdgö seit Anfang April in der Aktion „41 Tage“ online und auf Social Media eine einzigartige Serie von Fotografien von Stefan Oláh, die die Orte von NS-Verbrechen aus 1945 in der Gegenwart zeigen. In einer Videoserie erläutert die Historikerin Heidemarie Uhl, warum die extreme Gewalt gerade zu Kriegsende so explodiert ist und ORF-Anchorman Tarek Leitner wann es zulässig ist, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vergleichen.
Unter dem Schwerpunktthema 1945 sind auf der Webseite auch weitere Videos, Artikel und Lexikon-Einträge zu den Ereignissen dieses widersprüchlichen Jahres gebündelt. Eine Chronologie der Entwicklungen 1945 – von der Befreiung des KZ Auschwitz bis zur ersten Nationalratswahl – ist hier abrufbar:
Quelle: HdGÖ / Haus der Geschichte Österreich
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Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum der Republik. Zeitgemäß vermittelt und pointiert erzählt, lädt das neue Museum in der Hofburg zur Auseinandersetzung mit der ambivalenten österreichischen Geschichte ein. Ausgehend von der Gründung der demokratischen Republik 1918 werden gesellschaftliche Veränderungen und politische Bruchlinien thematisiert sowie Fragen gestellt, die damals wie heute Österreich und Europa bewegen. Als Diskussionsforum für ganz Österreich konzipiert, eröffnet das Museum mit vielfältigen Vermittlungsangeboten und einer innovativen Webplattform neue Perspektiven auf die Vergangenheit und Gegenwart Österreichs – mit Blick auf die Zukunft.