Im vorletzten Bundesligaspiel des FK Austria Wien gegen den Linzer ASK in Pasching (28. Oktober 2017, 2 : 2) wurde der Deutsche Abwehrspieler in Reihen der Wiener Violetten, Heiko Westermann, in der 58. Minute beim Stand von 2 : 0 für die Austria ausgewechselt. Eine Vorsichtsmaßnahme von Cheftrainer Thorsten Fink, weil der Innenverteidiger nach seiner fünfwöchigen Verletzungspause (Sprunggelenk) noch nicht ganz bei 100 Prozent stand. „Ich muss ehrlich sagen, dass die letzten Wochen hart für mich waren. Ich war vier Wochen komplett weg und habe dann eine Woche schon ein bisschen mit der Mannschaft trainiert. Es war einfach Not am Mann, deshalb habe ich in den letzten Partien gespielt. Ich bin jetzt wieder am Weg der Besserung, bekomme immer mehr Kraft. Bis zu den 100 Prozent, wie vor dem AC Milan-Spiel, dauert es aber noch ein bisschen.“, erklärt der 27-fache (in der Zeit von 2008 bis 2014, dabei 4 Tore für die DFB-Elf) deutsche Nationalspieler. Nun – Not am Mann war und ist tatsächlich, denn beim Auswärtsmatch gegen den Aufsteiger LASK fehlten der Austria verletzungsbedingt nicht weniger als 12 Spieler!
Gerade in der Defensive fallen einige Leistungsträger aus. Mit Florian Klein und Christoph Martschinko fehlen nun beide etatmäßigen Außenverteidiger. Insbesondere in der Innenverteidigung wird die Austria schon länger von Verletzungssorgen geplagt, musste Coach Thorsten Fink immer wieder umstellen. Tarkan Serbest hilft hinten aus, Marco Stark wurde von den Amateuren hochgezogen und kam gegen den LASK für Westermann ins Spiel, rettete am Schluss mit einer Kopfabwehr noch den Punkt. „Wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber klar ist natürlich auch: Umso eingespielter man ist, umso besser für die Mannschaft. Tarkan Serbest spielt zum Beispiel als gelernter Mittelfeldspieler in der Innenverteidigung – ich möchte aber betonen, dass das Zusammenspiel mit ihm schon sehr gut funktioniert hat. Wir haben in den letzten Wochen zwar zu viele Gegentore kassiert, aber die meisten davon aufgrund von individuellen Fehlern und nicht, weil wir ausgespielt wurden. Es waren also keine Abstimmungsprobleme ausschlaggebend, sondern wir haben den Ball oft viel zu einfach in der Vorwärtsbewegung verloren. Das müssen wir abstellen.“, schildert Westermann. Und weiter: „Ich denke, wir haben auch in den letzten Partien schon einiges richtig gemacht. Wir waren dann in manchen Situationen auch nicht gerade bevorteilt, wenn ich nur an das Cup-Derby denke, in dem leider zwei klare Elfmeter nicht gegeben wurden.“
Man müsse gerade in dieser schwierigen Phase Positives mitnehmen und den Blick nach vorne richten: „Es sollte Auftrieb geben, dass wir trotz der vielen Ausfälle phasenweise sehr gute Leistungen gezeigt haben.“ Gemeinsam mental wieder aufrichten: Eine Aufgabe, die jetzt gerade auf einen erfahrenen Führungsspieler wie Heiko Westermann zukommt. „Ich versuche, mit jedem einzelnen jungen Spieler zu reden. Bei Ajax Amsterdam ist mir schon eine ähnliche Rolle zugekommen. Wichtig ist, dass die Jungs ein gutes Gefühl haben und Selbstvertrauen bekommen.“
Eine Führungsrolle kam Westermann unter anderem auch schon in seiner Zeit beim Hamburger SV zu, wo er von 2011 bis 2013 unter Thorsten Fink als Kapitän fungierte: „Hamburg war in Summe eine schwere Zeit für mich, mit so einem Klub gegen den Abstieg zu spielen war nicht einfach – das war schon ein enormer Druck, der da auf mich als Kapitän zugekommen ist. Ich habe daraus aber auch viel mitnehmen können. Mich wird jetzt im Leben nicht mehr so leicht etwas umhauen.“, schildert Westermann, der seit seinem Bundesliga-Debüt für DSC Arminia Bielefeld vor zwölf Jahren (Samstag, 6. August 2005, 2 : 5-Niederlage im Weser-Stadion vor 38.156 Zuschauern gegen den SV Werder Bremen, zuvor von Dezember 2000 bis Sommer 2005 über 80 Zweitligaspiele für die SpVgg Greuther Fürth) große Veränderungen im und rund um den Fußball erlebte: „Für mich gibt es da eigentlich unterschiedliche Epochen. In meiner Anfangszeit war alles familiärer, damals gab es noch keine Smartphones. Man hat noch mehr miteinander unternommen. Das ist aber auch der heutigen Gesellschaft geschuldet; es ist heute einfach anders und das muss ja nicht unbedingt schlecht sein. So ist die Entwicklung.“
Auch die Leistungsanforderungen an Fußballer haben sich demnach stark verändert: „Es wird immer jünger und schneller. Wenn du heute die 30 Meter nicht mehr unter vier Sekunden laufen kannst, fällst du schon durchs Raster. Es wird auch immer leistungsbezogener. Wenn du keine Leistung bringst, bist du weg. Das kann der geilste Typ sein – wenn er seine Leistung nicht bringt, wird er nicht spielen.“
Prägende Erinnerungen? „Ich hatte tolle Erlebnisse in meiner Karriere. Ob das jetzt Bielefeld war, wo es ein Riesenerfolg war, dass wir mit dem Abstieg nichts zu tun hatten, oder aber FC Schalke 04, wo wir zweimal Vizemeister wurden und ins Champions-League-Viertelfinale eingezogen sind.“ Nach 10 Jahren und 318 Bundesliga-Spielen mit 26 Toren suchte Heiko Westermann eine neue Herausforderung, spielte noch in Spanien für Real Betis Sevilla und in Holland bei Ajax Amsterdam. „Bei Betis hatte ich bis zu meiner Verletzung eine sehr erfolgreiche Zeit, aus der ich sehr viel mitgenommen habe. Ich habe noch einige Freunde dort und werde sicher mal dorthin fahren und mir das eine oder andere Spiel anschauen. In Spanien wird Fußball noch einmal anders gelebt als in Deutschland. Betis Sevilla ist besonders fußballverrückt und fanatisch. Sevilla ist eine Wahnsinnsstadt. Es war einfach eine geile Zeit.“
Eine geile Zeit will der 34-Jährige nun am Ende einer langen Fußballerkarriere auch noch beim FK Austria Wien erleben, vor allem in der kommenden Saison 2018/19 in der Generali Arena NEU: „Ich glaube, wir brauchen das alle. Die Stadt braucht das, die Fans brauchen das, der Klub braucht das, die Spieler brauchen das. Im neuen Stadion wird es viel mehr Spaß machen, Fußball zu spielen, als im Happel-Oval. Ich war jetzt selbst schon oft bei der Baustelle und bin überzeugt, dass es ein Schmuckkästchen wird. Wichtig ist natürlich auch, dass wir dort erfolgreich reinstarten.“ Wohlgefühlt hat sich der in der unterfränkischen Stadt Alzenau geborene Bayer bei den Veilchen sowieso vom ersten Tag an: „Ich liebe Wien – das ist sicher eine der schönsten Städte in ganz Europa.“
Quelle: AUSTRIA live / Ausgabe 07 / 2017/18
Die Heimspiele des FK Austria Wien werden noch bis Ende der Saison 2017/18 im Ernst Happel-Stadion im Wiener Prater ausgetragen, mit der Wiener Linien U-Bahnlinie U2 direkt und ohne große Umschweife zu erreichen.