Heinz Marecek ist Generationen von Österreichern überaus gut bekannt. Sei es aus früheren Zeiten und unzähligen Schauspiel-Rollen ab dem Jahre 1971 im Theater in der Josefstadt sowie den dazugehörigen Kammerspielen in Wien, oder aber aus dem Fernsehen, beispielsweise „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ (1972 und 1975), „Der Bockerer I-IV“ (1981, 1996, 2000 und 2003), sowie „Die liebe Familie“ (1980 bis 1993). Zuletzt stand er seit 2001 – und das noch bis 2021 – in der TV-Serie „SOKO Kitzbühel“ vor der Kamera.
Genau genommen war er für uns immer schon da. Und wir, seine Bewunderer, konnten uns an zahllos vorgetragenen Geschichten und Erzählungen, aber auch an Heiterem und Lustigen – von Heinz Marecek an seinen Theaterabenden immer wieder perfekt dargeboten – erfreuen. Eigentlich weiß ja bis heute niemand so ganz genau, ob er jemals „den Schwarz angerufen hat“. (Anm.: Herrliche Text-Passage aus dem Sketch „Levkojen“)
Geboren und aufgewachsen in Wien
Heinz Marecek kam am 17. September 1945 im zerbombten Nachkriegs-Wien zur Welt. Seine Eltern Elfriede und Franz – die übrigens beide aus allen Teilen der versunkenen Monarchie, also Mähren, Galizien und vom Gardasee stammten – sollten ihm drei Jähre später, 1948, noch ein Brüderchen schenken, Walter, der liebevoll „Schwammerl“ gerufen wurde, weil er kleiner, rundlicher und lustiger als sein später berühmt werdender Bruder war. Die Familie wohnte „klassisch“ auf „Zimmer-Küche-Kabinett“ im 7. Bezirk, in Wien Neubau. Man war damals froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben und eine Klein-Familie ernähren zu können.
Heinz Marecek später dazu: „Eines meiner ersten großen oralen Erlebnisse hatte ich, als ich bei einem Schulfreund zum Spielen eingeladen war und zur Jause Buttersemmeln mit Schinken und Gurkerln serviert wurden. Das erste Weißgebäck meines Lebens! Ich habe den Geschmack immer noch im Mund. Und bis heute hat für mich eine Buttersemmel mit Schinken nach wie vor den Hauch von Luxus!“
Und weiter: „Zu viert lebten wir bis 1959 hier. Alle Fenster gingen zum Hof, der nur wenige Stunden am Tag von etwas Sonne gestreift wurde. Trotzdem wurde dieser Hof der Schauplatz unzähliger Rollerwettfahrten, Fußballschlachten und ähnlicher Vergnügen. Und – im Keller war ein Turnverein untergebracht. Die nächsten Jahre bildete dieser Turnverein der Wiener Arbeiter-Turner das Zentrum meines Interesses und wurde von mir bis zu fünfmal in der Woche frequentiert. Was für ein herrliches, fast kostenloses Vergnügen. Ich konnte auf den Händen von unserer Wohnung die Stiege hinunter in den Keller gehen und auch wieder zurück hinauf. Und man konnte nachher sogar heiß duschen. Ein einschneidendes Erlebnis für jemanden, der bis dahin nur Lavoir und Waschbecken kannte.“
Kein Fernsehen, nur Radio, Kino und Bücher
Da das Fernsehen damals noch nicht erfunden war, Plattenspieler und die dazugehörigen Langspielplatten jenseits der finanziellen Möglichkeiten der Familie lagen, blieb nur ein kleiner Volksempfänger als einziger Draht hinaus in die Welt. Gemeinsam lauschte auf dem Bett sitzend die Familie Marecek 1954 das Spiel um den dritten Platz bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz. Österreich gewann gegen Uruguay und war hinter Deutschland und Ungarn Dritter geworden. Heinz Marecek entdeckte sehr bald schon seine Leidenschaft für Bücher und das Kino, denn, wie er Jahre später in einem Interview erzählte, waren für Kinokarten und Lektüre immer wieder Geldquellen vorhanden.
Die Leidenschaft für das Lesen wird geweckt
Der Großvater mütterlicherseits war verstorben, als Heinz drei Jahre alt war. Die Erinnerung an ihn ist so gut wie nicht vorhanden. Das was vorhanden blieb, ist der Umstand, dass der Großpapa eine riesengroße Bibliothek hinterließ. Und in eben diese Bibliothek vertiefte sich Heinz Marecek bereits sehr früh. Immer, wenn es die Zeit erlaubte – und die Zeit erlaubte es eigentlich immer – fuhr er mit der Tramway nach der Schule zu seiner Großmutter und verbrachte den Nachmittag in besagter Bibliothek, die in Sachen Lektüre wirklich alle Stückerln spielte. Auch war die Familie Mitglied bei sämtlichen Buchgemeinschaften.
Und Heinz Marecek war oft zu Gast im großen Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Er hat dort neben der Leseleidenschaft auch die grünen Leselampen für sein späteres Leben gepachtet. Bis heute verfügt er auch privat über solch grüne Leselampen. Ein netter Umstand, der jahrzehntelange Tradition besitzt.
Nachmittage im Kino
Neben seiner Liebe zur Lektüre war Marecek auch bereits sehr früh ein emsiger Kino-Pilger gewesen. Dieser allwöchentliche Besuch in einem der damals noch sehr zahlreich vorhandenen Wiener Kinos war ihm lieb geworden, wenngleich er stets um das Geld für die Kinokarte fechten musste, wenn er wieder einmal mit völlig verdreckter Kleidung vom Spielen auf der Gasse kommend unpünktlich zum Essen erschienen und darüber hinaus auch noch vorlaut war. Aber, das war eben der kleine Heinz … ab und an.
Der Weg zum Schauspieler
Bereits sehr früh wuchs in Heinz Marecek der Wunsch, dereinst einmal Schauspieler zu werden. Er sah sich in keinem Büro sitzend, auf keiner Feuerwehrleiter Schwindel erregende Höhen erklimmen, an keinem Operationstisch stehend und auch nicht hinter dem Lenkrad eines Rennwagens sitzend, nein – er wollte Schauspieler werden. Also fing er bereits ebenso sehr zeitig dafür zu üben an. Nach jedem Kino- und später dann auch Theater-Besuch lief nach der Vorstellung vor seinem geistigen Auge nochmals die eine oder andere Szene und Text-Passage ab, die er laut rezitierend auf der Gasse auf dem Nachhauseweg nachspielte. Doch immer nur dann, wenn gerade niemand in Hörweite war. Später reifte in ihm der Gedanke, in andere Bezirke – Neubau war ihm aufgrund der Tratschereien, sollte ihn jemand erkennen, zu gefährlich – zu gehen, um sich dort in Buchhandlungen in einer fremdländischen Sprache nach dem einen oder anderen Druckwerk zu erkundigen. Kurioserweise wurde ihm stets Glauben geschenkt und er trug bereits als Kind diese selbst auferlegten Rollen sehr glaubhaft vor.
Den Berufswunsch den Eltern vortragen
Walter „Schwammerl“ und Heinz Marecek waren keine besonders guten Schüler. Einser-Benotungen für beide waren selten und es gab auch nur einen einzigen Tag in der Schullaufbahn beider Mareceks, an dem beide eine glatte „1“ nach Hause gebracht hatten. Auch dazu gibt es eine lustige Anekdote. Die Frau Mutter bereitete das Essen zu.
Es gab Marillenknödel und zuvor Gemüsesuppe. Als der Vater nach Hause kam und die Best-Benotungen der Söhne sah, meinte er nur kurz: „Na, des Hirn haben die Beiden von mir!“. Worauf die Frau Mama, die seelenruhig die Marillenknödel weiter wuzelte, nur kurz antwortete: „Ganz bestimmt, weil ich hab´ meines ja noch!“. In diesem nun aufbrausenden Gelächter schien für Heinz Marecek, der sich monatelang zuvor überlegt hatte, wie er seinen vermutlich unerreichbaren Schauspiel-Berufswunsch am besten seinen Eltern vortragen wird, der Moment günstig. Er war für jedwede Antwort und Entgegnung der Eltern gewappnet, denn er war felsenfest davon überzeugt, dass sie natürlich nicht damit einverstanden sein würden. Und dann geschah Unvorhergesehenes. Sein Vater sah nach der künftigen Berufs-Offenbarung des älteren Sohnes nicht einmal von der Suppe auf und meinte nur: „Da ist es am besten Du gehst ans Max Reinhardt Seminar…!“
Eine Schauspiel-Karriere kommt in Fahrt
Noch während seiner Ausbildung am Reinhardt-Seminar erhielt Heinz Marecek 1966 sein erstes Engagement am Wiener Ateliertheater in „Narr und Nonne“, zwei Jahre später, 1968 spielte er in der „Westside Story“ an der Wiener Volksoper. Im gleichen Jahr passierte – wenn man so will – sein TV-Debüt: Als Statist in „Der Kaufmann von Venedig“. Marecek´s Lehrer Otto Schenk bezeichnete er später einmal in einem Interview als „absolutes Elementarerlebnis.“. „Wenn er in die Klasse kam, hat er uns stundenlang erzählt, wie Theater sein muss. Immer hat er vorgespielt, wie eine Rolle falsch und wie sie richtig gespielt werden muss.“
1969 folgte nach Beendigung der Ausbildung das Theater der Jugend, in der Spielzeit 1970/71 erhielt er ein Engagement nach Graz ins dortige Schauspielhaus und schließlich landete Heinz Marecek 1971 im Theater in der Josefstadt, das wiederum für Jahrzehnte seine schauspielerische Heimat wurde. In den Kammerspielen konnte er große Erfolge feiern und so ganz nebenbei zog es Marecek auch vor die Kamera. So war er (1971) in den Fritz Eckhardt Fernsehserien „Wenn der Vater mit dem Sohne“ und 1974 in „Hallo … Hotel Sacher … Portier!“ zu sehen. Für den ORF führte Heinz Marecek bei der 20-teiligen Sketch-Serie „Die Nachbarn“ 1996/97 auch Regie.
Dem Theater in der Josefstadt blieb Marecek bis 1998 eng verbunden. Er spielte unter anderem den Kasimir in Ödön von Horvaths „Kasimir und Karoline“, den Weinberl in „Einen Jux will er sich machen“ von Johann Nestroy, oder den Fabio in William Shakespeares „Was ihr wollt“. Zu Beginn der Helmuth Lohner-Ära verließ Marecek das Ensemble und orientierte sich beruflich anderweitig.
Die Liebe zu Geschichten
Heinz Marecek hatte das Glück und auch die Begabung, einstigen Größen wie Marcel Prawy, mit denen er zusammenarbeitete, noch zu Lebzeiten – oder Friedrich Torberg, und Sir Peter Ustinov mehrmals zu begegnen und deren Erzählungen und Geschichten für die Nachwelt – und somit auch für uns – zu bewahren. Er traf sie beinahe alle und hielt zuerst geistig und später dann schriftstellerisch fest, was sie bewegte, was sie antrieb und was auch viele von ihnen zu Fall brachte. Oskar Werner zum Beispiel. Dieser grandiose Schauspieler war für Marecek seit frühester Jugend an ein Idol. Die Stimme, mit der Werner spielte und seine Gedichte vortrug, das dazugehörige Mienenspiel faszinierte den jungen Marecek ungemein. Ja, er war von dem „wirren Blondschopf einfach elektrisiert.“ (Zitat Heinz Marecek) Später dann, Oskar Werner hatte seinen Zenit längst überschritten, begegnete Marecek seinem einstigen Vorbild ab und an in einem Wirtshaus in der Nähe des Theaters in der Josefstadt. Werner stand dann an der Theke oder saß alleine an einem Tisch, monologisierte über das Theater und das Leben im Allgemeinen und war dabei dem übermäßigen Alkoholgenuss nicht gerade abgeneigt…
In diesen wenigen Augenblicken verstand Heinz Marecek, warum viele der großen und berühmten Schauspieler der Trunksucht anheimfallen. Nach der Vorstellung, wo ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit hunderter Zuschauer und Bewunderer zuteil geworden war, wo sie mit Applaus und Bravo-Rufen überschüttet wurden, fallen viele von ihnen in ein tiefes, dunkles Loch. Sie entschwinden nach Hause in die Nacht und sie sind allein. Es gibt niemanden mehr, der ihnen zujubelt. Meist kommen sie dann alleine zu Hause an und suchen Zuneigung im besten Freud, dem Alkohol. Der große Schauspieler, Showmaster und Entertainer Harald Juhnke bestätigte diesen traurigen Um- und späteren Zustand noch zu Lebzeiten. Vielen großartigen Bühnen- und Leindwandstars erging es so und noch mehr davon verloren einfach dabei den Boden unter den Füßen: Richard Burton, Harald Juhnke, Curd Jürgens, Helmut Qualtinger, Ernst Waldbrunn, Oskar Werner, … die Liste ließe sich fortsetzen;
Allabendlich Geschichten erzählen
Diese Liebe zu Geschichten vervollkommnete Heinz Marecek. Mit unzähligen Anekdoten aus seiner Schauspielkarriere, die er zu einem „Das ist ein Theater!“-Programm ausarbeitete, füllte Marecek jahrelang allabendlich die Säle. Er besprach auch CDs – zum Beispiel „Alles Theater“ von Egon Friedell“ – und seine Anhänger, Freunde und Bewunderer konnten nun das Programm zu Hause nochmals in aller Ruhe nachhören. In seinem Memoiren „Ich komme aus dem Lachen nicht heraus“ schildert der beliebte Schauspieler lustige und amüsante Episoden aus seinem gestalterisch vielseitigen Schauspiel-Leben.
Was lachen Sie? Kabarett mit Erwin Steinhauer und Karlheinz Hackl
Im Sommer 1990 reifte in Heinz Marecek die Idee, die Hugo Wiener und Fritz Grünbaum-Texte und somit die legendären Doppelconférencen Farkas-Waldbrunn wieder aufleben zu lassen. Ein „Mitstreiter“ war mit Erwin Steinhauer rasch zur Stelle und so tourten die beiden Vollblut-Komödianten mit dem Programm „Was lachen Sie?“ quer durch Österreich. Bis, ja bis eines schönen Tages Steinhauer Marecek offenbarte, nach diesen gemeinsamen Jahren nun wieder etwas anders machen zu wollen. Die beiden trennten sich in aller und alter Freundschaft und von nun an – und das bis zu seinem Tod – sollte Karlheinz Hackl die Rolle von Erwin Steinhauer übernehmen. Auch hier wurde das Programm herrlich dargeboten und das Publikum bog sich mit Tränen in den Augen vor Lachen. Es gab damals nichts Schöneres, als mit Hackl-Marecek und der „Melodie des Lachens“ zu Silvester im Wiener Burgtheater ins Neue Jahr zu schlittern. Seit dem tragischen Ableben Hackls im Jahre 2014 wurde das Programm nicht mehr aufgeführt. „Die Abende mit ihm sind so, wie ich mir Theater immer vorgestellt habe. Das pure Vergnügen. Ich gehe glücklich hin und genauso glücklich wieder nach Hause.“, so Heinz Marecek über Karlheinz Hackl. Marecek disponierte um und erfreute sein Publikum von nun an in der Adventszeit mit „Das kleine Fest des Lachens“.
Lebensmittelpunkt Ibiza
Gemeinsam mit seiner Gattin Christine lebt Heinz Marecek seit vielen Jahren auf Ibiza. Diese kleine spanische Mittelmeer-Insel, die zu den Balearen gehört, hatte es dem Paar bereits vor Jahren angetan. Das Ehepaar Marecek bekocht dort leidenschaftlich gerne Freunde und Gäste und Heinz Marecek frönt – wenn er nicht gerade mit dem Texte erlernen beschäftigt ist – seiner liebsten Tätigkeit, dem Lesen. Er zieht sich in ein kleines Café zurück, zwei, drei Stunden am Vormittag, und vertieft sich in seine Bücher. Ein herrlicher Zustand und wohl dem, der sich den Luxus für die Zeit dafür auch wahrlich leisten kann.
Und so schließt sich langsam aber sicher der Kreis um unseren heutigen Jubilar Heinz Marecek, der nun am 17. September 2020 seinen 75. Geburtstag feiert. Ein Vollblut-Schauspieler, der uns bereits seit Jahrzehnten erfreut und um den es Gott Lob nie still geworden war. Er hat uns sein Schaffen, sein Wirken und seine zahlreichen Tätigkeiten in Büchern, Theater-Abenden und CDs bereits offenbart, und es bereitet uns, seinen Bewunderern, immer wieder große Freude, sein umfangreiches Mienenspiel, seine pointierten Sätze mit der scharf geschliffenen Wortwahl, oder einfach auch „nur“ seine Aura auf der Bühne oder eben im Fernsehen inhalieren und genießen zu dürfen.
Lieber „Onkel Burli“ – frei nach dem unvergessenen Heinz „Honzo“ Holecek, – hab Dank dafür!
Quelle: Redaktion www.oepb.at