Sommerzeit ist nicht nur Reisezeit und in der Medienlandschaft Sauregurkenzeit – nein, im Fußballsport dreht sich alljährlich hocherfreut das Rad der Transferzeit. Wer wechselt bitte schön wann und warum wohin? Das Transferfenster ist offen, es zieht gewaltig von überall her herein und so manchen Kicker nach überallhin. Es gab aber auch schon Legionäre, die sich bei ihrem Arbeitgeber derart wohlfühlten, dass sie partout nicht im Traum daran gedacht hätten, gerade nach Auslaufen des Vertrages zu wechseln, sondern sie wären gerne noch geblieben. Er war einer davon, Horst Mißfeld;
Kieler Sprotte wird zum Donau-Karpfen
Geboren wurde Horst Mißfeld am 13. Jänner 1949 als eines von fünf Kindern des Eisenbahner-Ehepaares Mißfeld im norddeutschen Kiel. Da der Vater und der ältere Bruder – Horst, den sie daheim „Moppel“ riefen hatte noch drei Schwestern – in ihrer Freizeit gerne kickten, eiferte der kleine Moppel seinen ersten Vorbildern natürlich nach. Beim SV Friedrichsort zerriss Moppel seinen ersten Packeln und erlernte nebenbei den Beruf eines Drehers. Es dauerte nicht lange und der Platzhirsch Holstein Kiel trat an die Familie heran, um sich die Dienste des jungen Horst Mißfeld, zu dessen Vorbild nun der große Günter Netzer zählte, zu sichern. Holstein Kiel spielte in den späten 1960er, frühen 1970er Jahren in der Regionalliga Nord zweitklassig und klopfte immer wieder an die Qualifikationstür zu den Aufstiegsspielen zur 1. Deutschen Bundesliga an. Ganz gereicht hatte es allerdings nicht. Da kam für den 22-jährigen Moppel das Angebot aus Linz – nicht am Rhein gelegen, sondern an der Donau – gerade recht. Der SK VÖEST Linz, im Sommer 1969 in die höchste österreichische Spielklasse aufgestiegen, sicherte sich am 26. Juni 1971 für sein drittes Jahr im Oberhaus die Dienste des jungen deutschen Mittelfeldspielers.
Auf Anhieb Meister in Österreich
Nun, nicht ganz. Der SK VÖEST Linz absolvierte zwar eine sportlich fast perfekte Saison 1971/72 und war bis zum Schluss ganz vorne mit dabei, erlitt jedoch in den letzten drei Runden zum äußerst ungünstigsten Zeitpunkt eine sportliche Schwächeperiode und beendete die Saison auf dem dann doch beachtlichen 3. Platz, den vor der Saison niemand erwartet hätte und der zur erstmaligen UEFA-Cup-Teilnahme berechtigte. Horst Mißfeld stellte sich beim Linzer Publikum jedoch sogleich unmissverständlich vor. Beim ersten Heimspiel gegen den SK Bischofshofen am 8. September 1971 gelangen ihm beim 5 : 2-Erfolg der Linzer Werkssportler drei Tore. Und das als Mittelfeld-Akteur. In Summe absolvierte der Legionär aus dem hohen Norden Deutschlands in seinem ersten Jahr in Österreich alle 28 Meisterschaftsspiele, anhand dieser ihm 13 Tore gelungen waren.
Im Jahr darauf 1972/73 – für die Linzer war nach der 1. Runde des UEFA-Cups Schluss, gegen den DDR-Vertreter Dynamo Dresden passierte nach einem 0 : 2 auswärts zu Hause nurmehr ein 2 : 2 mit einem Mißfeld-Treffer – schrammten die Blau-Weißen als Fünfter um einen Punkt an der neuerlichen UEFA-Cup-Teilnahme vorbei. Was für den noch jungen Verein im Oberhaus aus der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz aber noch wichtiger war, erwies sich in der Tatsache, den alten und angestammten Platzhirsch Linzer ASK (kurz LASK) tabellarisch stets hinter sich gewusst zu haben. Und man plante Großes im Stahl- und Eisenwerk Linz der VÖEST im Sommer 1973 für die nächste Saison.
Zum Abschied haben wir beide geweint
Dies wusste der langjährige SK VÖEST-Obmann Hans Rinner in seinen Lebenserinnerungen über Horst Mißfeld zu berichten. Und das kam so. Mißfeld, ein absoluter Leistungsträger und Stammspieler im Mittelfeld der Linzer Werkssportler wurde plötzlich auch für Deutschland interessant. Ein Manager pries ihn beim TSV 1860 München – damals zweite Leistungsstufe – an. Als man in Linz davon Wind bekam, saß man zwischen den Stühlen. Was also tun? Mit Mißfeld im Jahr darauf nach den Sternen zu greifen oder für ihn eine schöne Stange Geld zu kassieren? In all diese Überlegungen hinein platze Trainer Ernst Ocwirk
mit dem neuen Fusionsklub aus der Südstadt vor den Toren Wiens gelegen. Admira/Wacker hatte das nötige Kapital, bot mit den Münchner Löwen mit und erhielt letzten Endes den Zuschlag. Und jetzt geschah etwas, das niemand für möglich hielt. Der Vertrag lag unterschriftsreif in der Südstadt vor und Horst Mißfeld bat Hans Rinner im Sportreferat in Linz um ein Vier-Augen-Gespräch, in dem er meinte, dass er sich beim SK VÖEST pudelwohl fühle und seine Gattin und er aus Linz absolut nicht weg möchten. Rinner erwiderte, dass der SK VÖEST mit ihm und seinen Diensten überaus zufrieden war, 24 Tore in 54 Spielen eine sehr tüchtige Bilanz sind, aber nun eben die Möglichkeit bestünde, mit ihm ein gutes Geschäft zu machen. Darauf der rotblonde „Moppel“ aus dem hohen Norden ganz und gar nicht kühl, dass er willens sei, wenn es sein müsste, ein Jahr weiter für den SK VÖEST spielen zu wollen und das ganz ohne Prämien! Man einigte sich schließlich doch, der SK VÖEST verkaufte Horst Mißfeld um 700.000 Schilling an Admira/Wacker weiter und wurde im Jahr darauf Österreichischer Fußballmeister, ohne sein Mittelfeld-Ass namens Horst Mißfeld.
Sieben Jahre in Österreich
Horst Mißfeld schlug mit seiner aus Berlin stammenden Gattin Christel also ab dem Sommer 1973 seine Zelte im Süden von Wien auf und spielte fünf Jahre für Admira/Wacker. Für ganz oben reichte es jedoch nicht. Die Südstädter beendeten die jeweiligen Spielzeiten im grauen Mittelmaß der Tabelle, Mißfeld, der sehr gerne Fußballmeister geworden wäre, hatte Linz tatsächlich ein Jahr zu früh verlassen. Der in seiner Freizeit passionierte Hundezüchter für die Rasse Cocker Spaniel kam in seinen sieben Legionärsjahren in Österreich zwischen 1971 und 1978 auf 196 Spiele samt 59 Toren im Oberhaus, ehe es ihn unmittelbar vor der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien in Richtung Kiel nach Hause zurückzog. Nun – die Geschichte könnte hier gut enden, hätte man nicht Anfang Juli 2003 erfahren, dass Horst Mißfeld nach langer schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie verstorben ist. Geblieben ist jedoch die Erinnerung an einen sympathischen rotblonden Hünen aus dem hohen Norden Deutschlands, der als Kumpel kam, um ein echter Haberer zu werden. Ein Fußballspieler, der – so würde man heute wohl dazu sagen – mit seiner menschlich an den Tag gelegten Art und Weise aus der Zeit gefallen ist, dem es dadurch allerdings auch bereits zu Lebzeiten gelungen war, unvergessen zu bleiben.
oepb.at – In eigener Sache
Wenn die Österreichische Fußball-Bundesliga die Saison 2023/24 als 50-jährige Jubiläumssaison ausruft, dann darf dabei nicht vergessen werden, dass in Österreich seit 1911/12 regelmäßig Meisterschaft gespielt wird und es seit 1949/50 eine Gesamt-Österreichische Fußballmeisterschaft gibt. Wir werden hier in regelmäßiger Unregelmäßigkeit an Protagonisten der österreichischen Fußball-Landschaft erinnern, abseits der allseits bekannten Spieler-Größen. An Fußballer, die heute teilweise leider bereits vergessen sind, die aber dennoch der Liga und den Vereinen, für die sie aktiv waren, ihren Stempel aufgedrückt haben.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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