Und wieder verließ ein wertvoller Zeitzeuge des Linzer Werkssports das Fußball-Spielfeld dieser Welt. Alfred Günthner sen. schied am 30. Dezember 2016 im 81. Lebensjahr stehend aus dem Leben. Um ihn trauern nicht nur seine Gattin Sieglinde, mit Jürgen, Brigitte und Alfred jun. drei Kinder, fünf Enkelkinder, sowie zwei Urenkerl, sondern auch viele Freunde, Wegbegleiter und Anhänger des Fußballsports, denn der Name Günthner war ein starker Begriff in den 1960er und 1970er Jahren im Fußballsport hierzulande.
Alfred Günthner, am 18. Juli 1936 in Linz geboren, startete seine sportliche Laufbahn beim Linzer ASK. Der LASK sollte jedoch nicht lange seine fußballerische Heimat bleiben, er wechselte kurzerhand den Dress und ging zum SK VÖEST Linz, der damals noch ziemlich klein und unscheinbar in den Niederrungen der oberösterreichischen Unterhausligen agierte. Günthner stieg sehr rasch zum Spielführer auf, 1957 – bereits mit 21 Jahren – avancierte er zum Kapitän der Werkssportler. Diese Position hatte er bis 1965 inne und war maßgeblich am Aufstieg des Sportklub VÖEST mitbeteiligt – 1957/58 Meister der 1. OÖ-Landesliga, 1960/61 Wiederholung dieses Triumphs, samt gleichbedeutendem Aufstieg in die Regionalliga Mitte, der zweiten Liga Österreichs. 1965/66 beendete Günthner seine aktive Laufbahn und schlug die Trainer-Karriere ein – dass dies beim SK VÖEST vonstatten ging, versteht sich hier von selbst.
Mit Alfred Günthner und den damals noch „schwarz-weißen“ VÖEST-Fußballern ging es weiter steil bergauf. Scheiterte man 1968 als Zweiter noch am WSV Donawitz, so hieß der Meister der Regionalliga Mitte 1968/69 SK VÖEST Linz. Die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz hatte 1969/70 nach dem vierjährigen Gastspiel von SV Stickstoff (später SV Chemie Linz) in den Jahren 1960 bis 1964 somit mit dem LASK und dem Aufsteiger SK VÖEST wieder zwei Vereine in der Nationalliga, der höchsten österreichischen Spielklasse.
Und Alfred Günthner agierte emsig weiter, galt sein Team doch als Abstiegskandidat Nummer 1. Nun, man kann es vorweg nehmen, 28 Punkte auf der Habenseite, erzielt in 30 Spielen anhand der damals noch vorherrschenden 2-Punkte-Regel für den Sieg sollten reichen, der SK VÖEST etablierte sich im Fußball-Oberhaus. Günthner´s Arbeit gefiel und fiel auch auf. Aus der südwestdeutschen Regionalliga trudelte ein 4.000,- DM-Monatsgehalt Offert ins Haus. Dazu Alfred Günthner in einem Zeitungs-Interview: „Locken würde es mich schon, aber mir gefällt es derzeit ganz ausgezeichnet bei meinen VÖESTlern. Interessant wäre für mich die Sporthochschule in Köln, um die Trainerlizenz für die Bundesligaklubs zu erwerben.“, sprach´s mit dem Hinweis, mit seinem Gehalt als VÖEST-Angestellter zufrieden zu sein und bei den Prämien für die Fußballer ohnehin „mitzulaufen“.
Im Winter 1970/71 wurde Alfred Günthner von Günther Praschak als sportlicher Leiter abgelöst, sein Weg führte ihn weiter zum SC Eisenstadt. 1971 – das Burgenland beging seinen 50. Geburtstag und der traditionsreiche SCE feierte die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus. Günthner hielt zwei Jahre lang mit der launischen burgenländischen Diva die Klasse, ehe es im Sommer 1973 weiter nach Graz zum GAK ging. Da der GAK im Sommer 1974 der Liga-Reform zum Opfer fiel und als 12.-Platzierter in die 2. Liga absteigen musste, war das Günthner´sche Gastspiel an der Mur beendet, der SV Stockerau war seine nächste Station. Mit den Niederösterreichern konnte er zwar die Klasse der Nationalliga halten (Zweite Leistungsstufe), dennoch war auch dort nach nur einem Jahr wieder Endstation für Alfred Günthner.
SV Austria Salzburg, so lautete die nächste Karriere-Station 1975/76 im Trainer-Leben von Alfred Günthner sen., Sohn Alfred „Fredi“ jun. erblickte als Nesthäkchen der drei Kinder im September 1974 das Licht der Welt. Und mit den Violetten von der Salzach sollte es auch unter Günthner´s Regie bergauf gehen. Den Talenten Gerald Haider und Wolfgang Schwarz ging nicht nur der Knopf auf, sie explodierten förmlich. 31 Volltreffer (15 Haider/16 Schwarz) scorten die beiden Konterstürmer für die Mozartstädter. In diesem Jahr gelang auch mit dem 1 : 0-Erfolg (Torschütze Haider) in Wien der erste Auswärts-Triumph der Salzburger über RAPID. Günthner wurde Vierter, Salzburg spielte im Jahr darauf im UEFA-Pokal.
Alfred Günthner folgte jedoch dem Ruf der alten Liebe – der SK VÖEST sicherte sich im Sommer 1976 neuerlich seine Dienste und da die Unter 21-Mannschaft der Werkssportler in diesem Jahr Meister wurde, führte er die zwischenzeitlich „blau-weißen“ Rohdiamanten Siegfried Bauer, Hans Halter, Manfred Schill, Gerhard Ulmer und Helmut Wartinger Schritt für Schritt an die Kampfmannschaft heran. Ein altes Lied in Linz bei VÖEST war allerdings auch, dass man dem Team nie Zeit gab, zu wachsen. Der sofortige Erfolg musste her, koste es, was es wolle. Günthner beendete die Herbst-Saison 1976 auf dem aussichtsreichen 4. Tabellenplatz, nach 24 Runden wurde er jedoch gefeuert und durch Iwan Brzic ersetzt. Und so ging er neuerlich nach Salzburg und sollte von Juli 1977 bis Juni 1980 in Lehen wertvolle Aufbauarbeiten leisten. Warum? Nun, Salzburg schlitterte direkt aus dem UEFA-Cup-Bewerb in die 2. Division. Gemeinsam mit Günther Praschak formte man ein Team voller Talente, das versehen mit den Leistungsträgern wie Karl Kodat und Heinz Libuda mit 10 Punkten Vorsprung auf Verfolger DSV Alpine Donawitz Zweitliga-Meister wurde und erneut aufstieg.
Immer wieder der SK VÖEST! Im ÖFB-Cup-Halbfinale 1977/78 traf man auf die Linzer und verlor in Salzburg-Lehen erst im Elfmeterschießen mit 7 : 8. Diese Erfolge – sofortiger Aufstieg ins Oberhaus, Ausscheiden erst im Halbfinale als Zweitligist des Cup-Bewerbes – rief Sponsoren auf den Plan. Im Sommer 1978 stieg mit Casino Salzburg ein potenter und gewichtiger Geldgeber bei den Violetten ein, der für viele Jahre das Bild und die Geschicke dieses Vereins leiten sollte. Im Mai 1980 stand Alfred Günthner mit SV Casino Austria Salzburg sogar im Endspiel des ÖFB-Cups. Dieser Bewerb wurde damals noch mit Hin- und Rückspiel ausgetragen. Das Hinspiel in Salzburg gewann man gegen den haushohen Favoriten FK Austria Wien mit 1 : 0, das Rückspiel im Wiener Praterstadion verlor man jedoch mit 0 : 2. Da die Wiener Austria in diesem Jahr 1979/80 jedoch auch Fußball-Meister wurde, somit sich das begehrte Double sicherte, spielte Austria Salzburg im Jahr darauf erneut auf der europäischen Fußball-Bühne … abermals und erneut jedoch ohne Alfred Günthner auf der Betreuerbank. Sein Abschied aus Salzburg war kurios. Er wurde von der Klubleitung gefeuert, weil er unentschuldigt der Meisterschaftsfeier ferngeblieben war, so hieß es offiziell.
1980/81 war der SK Vorwärts Steyr seine nächste Station. Der angepeilte und auch geforderte Aufstieg in die 2. Division wurde als Tabellen-Dritter knapp verpasst, und Günthner nach nur einem Jahr in Steyr gestanzt. Von 1982 bis 1984 trainierte Alfred Günthner neuerlich den SK VÖEST, diesmal die Unter 21-Mannschaft, mit der er am Nachwuchs-Sektor tolle Erfolge feiern konnte. Helmut Baic, Norbert Eder, Ralf Dotter, Harald Kaiserseder, Fritz Pöhli, Emil Samrykit, Peter Schimmel, Karl Schwarzlmüller, Günther Stöffelbauer und andere bereitete er für die Kampfmannschaft der Werkssportler vor, die dann ihre durchwegs gelungenen Debüts im Oberhaus feiern konnten.
Auch seine Söhne, Jürgen und Fredi, konnte er für den Fußballsport begeistern. Beide waren hoffnungsvolle Talente als Torhüter im Nachwuchs-Bereich des SK VÖEST. Beide zogen jedoch die aktive Fan-Karriere der Sportler-Laufbahn vor, avancierten Jahre später allerdings zu guten Trainern im Nachwuchs- und Unterhausbereich.
Bei Jürgen Günthner verhielt es sich so, dass sich dieser als SK VÖEST-Torhüter im Unter 21-Bewerb, der das Vorspiel zu den jeweiligen Bundesliga-Partien war, vorzeitig austauschen ließ. In der Kabine wartete dann bereits die Fan-Kutte, der Schal und die Fahne und Jürgen gesellte sich in den Block 3 des Linzer Stadions, wo die „Blue Army ´77“ und Konsorten bereits für Stimmung und Bahöl bei den Heimspielen sorgte. Und Fredi war auch in sämtlichen Nachwuchsklassen des SK VÖEST im Gehäuse aktiv, zog aufgrund einer Verletzung allerdings die Fan-Laufbahn vor und reiste seinen Werkssportlern in jedes noch so abgelegene Nest Österreichs nach. Wo die Linzer Blau-Weißen auch kickten, irgendein Günthner war bereits stets vor Ort.
Und noch einige nette Episoden sind überliefert:
„Wickel“ mit Ernst Happel. Austria Salzburg bestritt im Juli 1975 in Lehen ein „Freundschafts-Spiel“ gegen Club Brugge KV. Der Wiener Happel, gerade erst vom FC Sevilla nach Belgien engagiert, lieferte sich mit Günthner ordentliche Wortgefechte am Rande dieser Begegnung, sehr zum Gaudium der Zuschauer. Salzburg gewann mit 3 : 2 und Günthner reichte Happel nach dem Spiel sportlich fair die Hand.
Der SK VÖEST spielte im Rahmen des Intertoto-Sommerbewerbes 1976 in Polen gegen Zaglebie Sosnowiec. Alfred Günthner, als emotionaler Trainer bekannt, verließ die damals noch nicht vorhandene Coaching-Zone und betrat den „geheiligten Rasen“ des Ludowy-Stadions. Der Schiedsrichter fühlte sich dadurch von ihm derart „bedroht“, dass er auf polnisch um Hilfe rief. Zwei herbeigeeilte Milizangehörige „geleiteten“ Alfred Günthner im Polizeigriff vom Feld. Erst das vehemente Einschreiten von SK VÖEST-Sektionsleiter Hermann Lackner verhinderte Schlimmeres, der mit Händen und Füßen der polnischen Exektuive „ausdeutschte„, „dass dies unser Trainer sei“. Günthner durfte wieder auf der Ersatzbank Platz nehmen und weiter coachen. Die Begegnung endete übrigens mit einem freundschaftlichen 1 : 1. Beim abendlichen Bankett entschuldigte sich die Vereinsleitung von Zaglebie Sosnowiec in aller Form und Höflichkeit für dieses Missgeschick. „Eine polniscche Wirtschaft!“, eben.
Und im Mai 1980, um am Vorwärts-Platz die Unterschrift für den Vertrag für die kommende Spielzeit zu leisten, reiste Günthner mit Gattin und Filius Fredi an. Der SK Vorwärts Steyr verlor gegen den Kapfenberger SV mit 1 : 3 und stieg nach nur einem Jahr zweithöchster Spielklasse wieder in die Landesliga ab. Torhüter Otto Schwaiger wurde zum Sündenbock erklärt und die grimmigen Vorwärts-Anhänger verbrannten ihre mitgebrachten rot-weißen Fahnen. Die Stimmung war am Kochen … und Günthner unterschrieb, denn noch schlimmer konnte es ja nicht mehr werden.
Diese Erzählungen ließen sich fortsetzen. Geschichten eben, die eine Fußballer-Laufbahn so mit sich bringt.
Und selbst, wenn es in den letzten Jahren um ihn sehr ruhig geworden war, so verfolgte er das Geschehen rund um den Fußballsport in Österreich nach wie vor genau. Einem kleinen Plausch am Gartenzaun, wenn er in der Garage bei seinem OPEL herumwerkelte, war er nie abgeneigt und zeigte sich hocherfreut, dass man ihn beim Vorbeiradeln in Leonding-Hart nach so vielen Jahren immer noch (er)kannte.
Kurios ist, dies sei noch zu erwähnen, dass es aus seiner Ära viele von ihm betreute Vereine in der altbekannten Form nicht mehr gibt. Der SK VÖEST ist nur mehr Schall und Rauch, der SC Eisenstadt hat detto zu existieren aufgehört. Der GAK, als auch Austria Salzburg, sowie Vorwärts Steyr fingen ganz unten neu an und sind heutzutage vom Oberhaus Lichtjahre entfernt. Und Stockerau krebst auch irgendwo im niederösterreichischen Unterhaus herum. Ein Gesamt-Leiden des Österreichischen Fußballsports.
Alfred Günthner galt als gerade, ehrlich und aufrecht, er ließ sich nicht verbiegen. Er hatte eine, seine, Meinung und stand auch dahinter. Ein weiteres Kapitel traditionelle oberösterreichiche Fußball-Geschichte wurde zur Geschichte. Dennoch wird man ihm stets ein ehrendes und dankbares Andenken – gerade aus Sicht der Anhänger des SK VÖEST Linz – bewahren.
GLÜCK AUF!