1874: Blick auf die Talstation der Drahtseilbahn und die Bahnstation „Leopoldsberg-Drahtseilbahn“. Foto: Michael Frankenstein / Sammlung: Wien Museum

„Das Zahnrad knurrt mürrisch in seiner Schiene und gibt dem Waggon eine rüttelnde Bewegung. So geht es weiter zwischen Weingärten und Kirschbäumen voll roter, glänzender Frucht. Je höher die Bahn steigt, desto weiter dehnt sich die Gegend aus. Zuerst kommt die blanke Donau bei Nußdorf zum Vorschein, dann zeigen sich die weiten Auen und der Bisamberg, später steigt über dem Gebüsch die Spitze des Stephansturmes auf und nun liegt ganz Wien da unten – ein wundervoller Anblick! Zur Linken aber sieht man vom Schneeberg, dessen Schründe wie Silber blinken, bis nach dem blauen Zuge der Karpaten hin. Oberhalb Grinzing ist die größte Steigung der Bahn, nämlich 1 : 10, was enorm ist und nur durch das Zahnrad bewältigt werden kann.“, so vor über hundert Jahren ein begeisterter Fahrgast nach seiner Anreise mit der Zahnradbahn hinauf auf den Kahlenberg bei Wien.

Neue Illustrirte Zeitung, 4. April 1875. „Die Zahnradbahn auf den Kahlenberg bei Wien. Nach der Natur gezeichnet von J. J. Kirchner“. Blick Richtung Nussdorf mit der Station Krapfenwaldl rechts im Bild. Quelle: ÖNB

Die Kahlenbergbahn

Errichtet wurde die erste Zahnradbahn Österreichs im Zuge der Wiener Weltausstellung von 1873 nach dem Vorbild der Schweizer Rigibahn. Das „System Rigi“, benannt nach Plänen des Schweizer Ingenieurs Niklaus Riggenbach war so, dass das mittig angeordnete Antriebs-Zahnrad der Lokomotive in die zwischen den Schienen verlegte Zahnstange greift, sodass Bergfahrten mit stärkeren Steigungen möglich wurden. Da die Bahn, trotz vehementer Bemühungen der Lokführer, während der Fahrt hin und wieder einen Ruck vollzog, wurde sie im Wiener Volksmund auch gerne als „Ruckerlbahn“ bezeichnet. Die feierliche Eröffnung der „Ruckerlbahn“ stieg am 7. März 1874. Sie führte in einer zweigleisigen Strecke für die Berg- und Talfahrt von der Talstation Nußdorf – das Stationsgebäude steht noch heute – über Grinzing zum Krapfenwaldl und von dort aus weiter in einer Schleife hinauf auf den Kahlenberg. In Nußdorf, als auch am Kahlenberg gab es eine Schiebebühne, anhand dieser die Zugsgarnituren das Gleis wechseln konnten. Dort baute die Kahlenberg A.G. in den Jahren 1872/73 ein Hotel, nachdem zuvor ein Großteil des Berges angekauft wurde. Nach der Fertigstellung des Hotels am Kahlenberg wurde 1876 die Endstation der Zahnradbahn eingleisig noch näher an das Hotel herangeführt. Die Bahn, gleichfalls im Besitz der Gesellschaft, „ruckelte“ mit ihren Holzwagen gut 40-mal täglich eine Wegstrecke von 5,5 Kilometern mit 316 Metern Höhenunterschied. Die dabei erreichte Höchstgeschwindigkeit betrug 12 Stundenkilometer.

Fahrplan der Zahnradbahn auf den Kahlenberg im Jahre 1899. Foto: © oepb

Bahnen auf die Wiener Berge

Drei Bergbahnen transportierten in früheren Jahrzehnten die Erholungssuchenden hinauf auf die Gipfel des Wienerwalds und zu den dort in reichlicher Zahl ansässigen Wirtshäusern und Ausflugsgaststätten. Das Motto: „Nur wer am Kahlenberg war hat (auf) Wien gesehen!“ wurde bereits damals touristisch verwendet. Was folgte war ein beinharter Konkurrenzkampf der Kahlenbergbahn mit der zur Weltausstellung – die Eröffnung war am 1. Mai 1873 – ebenso geplanten Drahtseilbahn auf den Leopoldsberg, deren Inbetriebnahme am 3. September 1873 erfolgte. Die Donauwarte-Leopoldsbahn beförderte ihre Fahrgäste aus der Kuchelau zur Elisabethwiese, gelegen zwischen Leopolds- und Kahlenberg. Im Jahre 1875 erwarb die Kahlenberg A.G. die Leopoldsbahn und trug sie 1876 nach einem Erdrutsch und keinen 500 Betriebstagen wieder ab. Die Stephaniewarte entstand aus den Ziegeln des Maschinenhauses. Und auch die älteste Wiener Bergbahn, die Drahtseilbahn, die vom Halterbachtal in Nähe der Rieglerhütte auf die Sophienalpe fuhr, hielt sich nicht sehr lange. Diese, von den Wienerinnen und Wienern liebevoll als „Knöpferlbahn“ bezeichnete Bahn, die kutschenähnliche offene viersitzige Wagen, die an Eisenkugeln eingehängt waren, an einem Seil beförderte, wurde bereits neun Jahre nach der Eröffnung im Jahre 1881 wieder stillgelegt. Die Trasse der Bahn ist heute ein überaus beliebter und frequentierter Spazier- und Wanderweg. Die Kahlenbergbahn hingegen konnte sich bis 1922 behaupten, allerdings diente sie zuletzt nur noch als Wasser-Transport für die Bewohner entlang der Strecke hinauf zum Kahlenberg. Ihre letzte offizielle Reise als Personenzug trat die Zahnradbahn auf den Kahlenberg vor über 100 Jahren, am Samstag, 26. November 1921 an.

Drahtseilbahn auf die Sophienalpe, Trasse im unteren Streckenabschnitt, 1875. Foto: Michael Frankenstein / Sammlung: Wien Museum

Bergbahnfriedhof Wienerwald

Die Zeitschrift „Architektur und Bautechnik“ publizierte 1931 einen Brandartikel unter dem Titel „Der Bergbahnfriedhof im Wienerwald“. Darin wurde an die drei Bahnen, deren Namen „das junge Geschlecht“ heute kaum mehr kenne, die aber noch „Großvaters und Großmutters Sensation“ gewesen seien, erinnert. Achtlos und gedankenverloren würden an den Sonntagen nun Tausende an ihren Gräbern im Wienerwald vorbeigehen, „… meist ohne zu ahnen, dass sie auf einem Boden stehen, der im Leben der Großstadt immerhin eine gewisse Rolle spielte“.

Ein ausgedienter Waggon der „alten Zahnradbahn“ befindet sich heute noch auf dem Wiener Kahlenberg zur Besichtigung. Foto: © oepb

Seilbahn auf den Kahlenberg

In der Tat waren und sind diese Bahnen bis in unsere heutige Zeit hinein nie wirklich ganz vergessen worden – ganz im Gegenteil, sie sind, auch im Zusammenhang mit (noch) nicht verwirklichten Nachfolgeprojekten, seit den 1920er Jahren immer wieder intensives Thema anhand von Stadterinnerungen und Stadterneuerungen. Inwieweit sich Wien an ähnlichen Stadt-Seilbahn-Projekten wie beispielsweise jenen in Lissabon, Zürich, New York, Barcelona oder Innsbruck anschließen wird, bleibt abzuwarten. An ihre Geschichte wird jedoch immer wieder gerne erinnert und auch in mehreren Publikationen, in technischer und unternehmensgeschichtlicher Hinsicht, gründlich aufgearbeitet. Und auch der unvergleichliche seinerzeitige Publikumsliebling Heinz Conrads zelebrierte in der für ihn so typischen Art und Weise ab den 1960er Jahren bis zu seinem Tod im Jahre 1986 hin „Die alte Zahnradbahn“, nach einer Komposition von Ludwig „Luigi“ Bernauer aus den späten 1930er Jahren.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

www.wienmuseum.at

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