„Das Fräulein vom Bankschalter“ hatte es dem jungen Journalisten aus Linz angetan. Sein Werben wurde erhört. Foto: © oepb

Vor über 80 Jahren, im September 1939, setzte in Mitteleuropa die Kriegsmaschinerie langsam aber sicher ein. Polen war bereits von den Deutschen Truppen eingenommen und besetzt worden und das Land Österreich mit einem Federstrich seit März 1938 von der Landkarte verschwunden. Zahlreiche nicht ins System passende Mitbürger mussten untertauchen oder fliehen.

Teils, weil sie anderen Glaubens waren, teils weil sie anderen Parteien angehörten, oder aber auch deswegen, weil sie die nun herrschende Diktatur einfach nicht hinnehmen wollten.

Das Leben ging aber weiter und das Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 ließ mehr als nur „verbrannte Erde“ zurück. Die 60 Millionen Toten aller Couleurs klagen heute noch an!

Lesen Sie hier eine sich anbahnende Romanze am Beginn der Kriegswirren aus dem oberösterreichischen Linz im damaligen Reichsgau Oberdonau:

Das kleine Fräulein an einem Bankschalter / Beobachtungen im Schalterraum in der CA

Seit vielen Monaten steht das kleine Fräulein bereits hinter dem Kundentisch der Creditanstalt-Bankverein Filiale am Taubenmarkt. Tagaus, tagein ist sie liebenswürdig und müht sich im Erfüllen der Kundenwünsche, die vielgestaltig und oftmals auch schwer erfüllbar sind. Immer den Ausgleich zwischen Wunsch und Bankansicht zu finden ist ihr Bestreben und mündet aus ihrem freundlichen Wesen.

Wir betreten den Bankraum, der am frühen Morgen noch durch die Deckenbeleuchtung erhellt werden muss. Hinter hohen Glasfenstern thront der Kassier und häuft die Notenbündel. Das Geklapper des Geldzählers gibt den eigenartigen Unterton des Raumes ab. Vor den Schaltern drängen sich die Wartenden. Sie haben es bereits gelernt, dass Geduldüben ein ernstes Gebot des Kriegsalltages ist.

Was wünschen Sie?“ Ich zögere. Die vor mir und sicherlich auch die anderen, die nach mir kommen haben Zahlenwünsche mit meist beachtlichen Ziffern – und ich möchte bloß eine Auskunft, ob mein Los gezogen wurde. Aber da ich nun einmal hier stehe, muss ich wohl fragen. Ich erwarte eine unwirsche Abfuhr – ich solle später kommen, jetzt sei dafür keine Zeit. Falsch geraten. Das kleine Fräulein am Bankschalter drückt mir einen dicken Wälzer in die Hand und bedeutet mir, mit einem freundlichen Lächeln in den frischen Jungmädchen-Zügen, ich solle doch einmal selbst nachsuchen, wenn ich nichts finde, werde sie mir weiterhelfen …

Also setze ich mich an einen der Tische seitwärts und blättere in den Ziehungslisten. Unterdessen rollt der Schalterverkehr weiter. Ausländische Arbeiter kommen und wollen ihre Ersparnisse heimwärts überweisen, einigen werden sie angenommen, anderen bedeutet, sie müssten in ihren Lagern auf den nächsten Einzahlungstag warten. Aus dem Tresor ist etwas zu holen, das kleine Bankfräulein geht mit der Kundin mit, ein Sparbuch ist anzulegen, sie tut es mit Geschick, ein Wechsel ist einzulösen – mit Ruhe und ohne irgendeine mürrische Äußerung kommt sie ihrer Arbeit nach, die vor dem Kriege bestimmt von einigen Arbeitskräften geleistet wurde.

Blick auf ein junges Glück im Kriegsalltag von Linz / Donau des Jahres 1941. Dieses Paar heiratete zwei Jahre später und wurde erst durch das Ableben der Gattin im Mai 1998 wieder getrennt. Foto: © oepb

Vor der Bank marschieren eben Soldaten vorbei, grüßende Zurufe der Volksgenossen begleiten sie. Niemand steht in diesem Augenblick vor dem Schalter und ich gebe dem kleinen Fräulein mit bestem Dank den Ziehungs-Wälzer zurück. Ob ich Glück hatte? Leider. Ihre Blicke gleiten durch die Fenster hinaus auf den Taubenmarkt hin zu den Marschierenden. Ob sie schon immer hier sei? Eigentlich habe sie studieren wollen, sagt sie, aber nach der Matura habe sie ihre Archäologie-Pläne begraben und einen Beruf ergriffen.

In der Bank fand sie ihren Beruf und die Gewissheit, dass hinter dem anscheinend nüchternen Zahlengewerbe noch ein wenig mehr steckt, wie es dem Außenstehenden erscheinen mag. Letzten Endes greift ja in diesen Zahlen das brausende wirtschaftliche Leben und die Zahlen sind nur ein Papiergewordener Ausdruck dafür.

Die Soldaten sind vorbei, die Kunden warten bereits wieder vor dem Schalter, das kleine Fräulein isst rasch nach ihren Pausebissen und fertigt wieder ab. Das Geld – als Zeichen unseres verstärkten Wirtschaftsbetriebes – rollt durch ihre zarten Hände, die sicher einmal, wenn dem Krieg ein Ende gelegt ist, liebevoll ihren eigentlichen fraulichen Aufgaben nachkommen werden.

Heute steht sie auf ihrem Bankposten für zwei eingerückte Männer und erfüllt auch ihre frühere Arbeit. Pflichterfüllung steht über ihrem Alltagstun und diese spornt sie täglich zu erneuter Leistung an.

Quelle: Erwin H. Aglas / oepb

Anmerkung: Jene zarte Bande, die durch den vermehrten Besuch des jungen Herrn in der Bank beim Fräulein vom Bankschalter geknüpft wurde, intensivierte sich im Laufe der Zeit. Am 6. September 1943 wurde geheiratet, wobei „er“ bereits Kriegsdienst an der Front in Calais versah und nur kurz Hochzeits- und damit Heimaturlaub erhielt. An Flitterwochen war da freilich nicht zu denken. „Er“ überlebte – zwar verwundet – die Kämpfe, geriet jedoch in englische Kriegsgefangenschaft und galt lange Zeit als vermisst. „Sie“ durchlitt in Linz Höllenqualen aufgrund seiner Vermisstheit. Ein kurzes Glück mit der Betonung auf „kurz“, sollte es das für die beiden gewesen sein? Nun, mit dem letzten Transport aus dem Kriegsgefangenen-Lager „Donham-Park“ kehrte „er“ im Februar 1947 via Dover, Calais, Ferlach in Kärnten, Salzburg und Wels nach Linz zurück. Die Wiedersehensfreude war naturgemäß groß. Die Hochzeitsreise nach Rom wurde nachgeholt und im November 1947 gesellte sich ein entzückendes kleines Mäderl – Jutta-Sybille – zu dem immer noch jungen Glück. „The War is over“ – man konnte sich glücklich schätzen, wenn man mit dem nackten Leben davonkam. Und so machte man sich daran, Österreich aus Ruinen wieder auferstehen zu lassen. An Flucht war da nicht zu denken, denn wohin hätte man fliehen sollen? Erstanden ist daraus ein Österreich, in dem wir heute allesamt froh und glücklich gemeinsam leben und existieren können. Dieses Glück zu bewahren sollte stets unser aller Aufgabe sein und auch bleiben!

Das kleine Fräulein am Bankschalter“ hätte heute Geburtstag. Den wievielten sei hier nicht verraten, nur soviel: „Hab Dank „Steins-Bärbel“ für all Dein jahrzehntelanges emsiges Tun für die Familie und auch für das Unternehmen. Du kannst heute zweifellos als die „Frau Mama“ des oepb betrachtet werden. Hab´ es gut, wo immer das jetzt auch ist.“

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