Buchcover
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Das neueste Buch des Archivs der Stadt Linz anhand der lückenlosen Aufarbeitung von Linz in der Zeit vor, während und nach der Nazi-Diktatur wurde gestern, 3. Mai 2005 im Alten Rathaus im Rahmen einer Pressekonferenz von Bürgermeister Dr. Franz Dobusch präsentiert. Das Werk beschäftigt sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen in der Zweiten Republik. Die Studie ist als umfangreicher Bildband soeben erschienen. Sie ist der vorläufige Abschluß der zehnjährigen Forschungsarbeit des Archivs der Stadt zum Themenbereich ,Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Linz´.

,Als einstmalige Patenstadt des Führers Adolf Hitler hat Linz geradezu eine moralische Verpflichtung, die braunen Flecken der Vergangenheit nicht nur aufzuarbeiten, sondern auch für die Nachwelt so detailgetreu wie möglich zu dokumentieren. Dazu gehört auch, daß der einstige äußerst beliebte Linzer Bürgermeister – ,Propeller-Franzi Franz Hillinger´- mit unter auch Mitglied der NSDAP war.´, so der heutige Bürgermeister Franz Dobusch.

Dr. Walter Schuster, Direktor des Archivs der Stadt Linz, meinte, daß anhand dieser Publikations-Reihe, die seit dem Jahr 2001 Zug um Zug vorgestellt wurde, weitere Aspekte und Gesichtspunkte Linz in ein Bild stellen sollen, die zeigen, daß sich die Stadt sehr wohl mit ihrer Geschichte und Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Die Werke sollen aber auch dokumentieren, warum es damals überhaupt soweit kommen konnte. Derzeit wird in Betracht gezogen, mit noch lebenden Zeitzeugen Gespräche zu intensivieren, um diese auch in Buchform zu dokumentieren.

Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus

Das Buch beinhaltet eine Bestandsaufnahme, wie die Stadt Linz in der Zweiten Republik mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen umgegangen ist. Am Beispiel von Linz werden das ,österreichische Gedächtnis´ und die Erinnerungskultur der Zweiten Republik zum Nationalsozialismus und zum Zweiten Weltkrieg beleuchtet. Einen Schwerpunkt stellen dabei die seit 1945 gesetzten Zeichen der Erinnerung und Mahnung wie Straßenbenennungen, Denkmäler und Gedenktafeln, aber auch wissenschaftliche Publikationen, Vorträge, Statements von Politikern sowie Ausstellungen dar.

Umgang mit dem Nationalsozialismus seit 1945

Die Art, wie sich die Stadt Linz mit den Folgen des Nationalsozialismus auseinander setzte, unterschied sich über Jahrzehnte lang nicht von der im übrigen Österreich. Man tilgte 1945 die an die NS-Diktatur erinnernden Straßennamen. Personelle Kontinuitäten – wie etwa auf Beamtenebene – überdauerten jedoch das Jahr 1945. Die angestrebte rasche Reintegration der ehemaligen Nationalsozialisten in die Gesellschaft geschah vielfach dadurch, daß die großen politischen Parteien ehemalige NS-Führer umwarben. In diesem geistigen Klima konnte es geschehen, daß dem letzten NS-Oberbürgermeister von Linz, Franz Langoth, der auch SS-Brigadeführer und Richter des NS-Volksgerichtshofes war, nach dessen Tod im Linzer Gemeinderat eine positive Gedenkrede gehalten wurde. Auch eine Straßenbenennung nach Langoth erfolgte noch 1973 (1986 allerdings Rückbenennung in Kaisergasse). Der Linzer Gemeinderat beschloß in den Fünfzigerjahren, auch von den drei NS-Oberbürgermeistern Porträts für die Bürgermeistergalerie anfertigen zu lassen. Diese Gemälde wurden allerdings nie in der Bürgermeistergalerie aufgehängt. Heute befinden sie sich in einem Depot des Stadtmuseums Nordico. Auch in Linz kam – besonders in den 50iger- und 60iger Jahren – dem Gedenken an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges eine starke Bedeutung zu. In Linz stehen den zwischen 1945 und 1985 errichteten fünf Denkmälern oder Gedenktafeln für NS-Opfer zwanzig für die im Krieg gefallenen Soldaten der Wehrmacht gegenüber. Allerdings setzte die Stadt bereits Mitte der 60iger Jahre mit der finanziellen Beteiligung an der Wiedererrichtung der 1938 zerstörten Synagoge ein deutliches Zeichen der Erinnerung für die jüdischen Opfer.

Verstärkte Aufarbeitung der NS-Zeit seit 1986

Nach der Umbenennung der Langothstraße im Jahr 1986 und während des Gedenkjahres 1988 – 50 Jahre Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland – begann in Linz – unter anderem auch ein Verdienst des damals frisch angetretenen Bürgermeisters Dr. Franz Dobusch – die systematische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Dabei ging es um das Setzen von Zeichen der Erinnerung wie Denkmäler und Gedenktafeln (inzwischen insgesamt 14 an der Zahl) sowie Straßenbenennungen nach NS-Opfern und Widerstandskämpfern. So gelang 1988 etwa die zuvor umstrittene Benennung einer Straße nach dem Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter. Weiters erhielten auch wegen ihres engagierten Auftretens gegen die NS-Diktatur Persönlichkeiten wie Simon Wiesenthal, Ceija Stojka und Peter Kammerstätter städtische Auszeichnungen. Als weitere Zeichen der Erinnerung gab es städtische Vortragsreihen, Ausstellungen, Forschungsprojekte und Publikationen.

Das Archiv der Stadt Linz hat die Forschungsvorhaben über ,Nationalismus in Linz´ (1996-2001) und ,Entnazifizierung im regionalen Vergleich´ (2001-2004) gemeinsam mit 44 internationalen Wissenschaftern erfolgreich abgeschlossen. Mit der Übergabe von zwei wertvollen Gemälden aus der nach 1945 erworbenen ,Sammlung Gurlitt´ an die Erben der ehemaligen jüdischen Eigentümer setzte die Stadt Linz besondere moralische Standards, ohne dazu rechtlich verpflichtet gewesen zu sein.

NS-Diktatur 1938-1945

Das nun vorliegende Buchwerk beschäftigt sich nicht nur mit der Zweiten Republik, sondern auch direkt mit den Jahren 1938 bis 1945. Die Zeit der NS-Diktatur stellte eine große Zäsur für Österreich und besonders für die Stadt Linz dar. Auf 270 Bildern dieser Zeit wurde deshalb nicht verzichtet, weil der nähere Blick auf die NS-Herrschaft erst verständlich macht, weshalb die Aufarbeitung dieser Zeit in Österreich so große Probleme bereitet hat. Für Linz gab es so genannte ,positive´ Maßnahmen der NS-Machthaber. Da Linz seit dem März 1938 ,Patenstadt des Führers´ war, erfolgte der rasche Aufstieg zur Großstadt durch Eingemeindungen, die Ansiedlung von industriellen Großbauten und mehrere Bauvorhaben, wie die Nibelungenbrücke und zahlreiche Wohnanlagen. Tausende KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter arbeiteten in den verschiedensten Betrieben, sowie für den Luftschutz und die Versorgung der Bevölkerung bis zum Ende des NS-Regimes. Die Verfolgung von ,rassischen´, politischen und sozialen Minderheiten stieß in Linz – wie auch sonst im III. Reich – auf breite Akzeptanz.

Nationalsozialismus – Auseinandersetzung in Linz – 60 Jahre Zweite Republik

Herausgegeben von Walter Schuster, Anneliese Schweiger und Maximilian Schimböck, unter Mitarbeit von Markus Altrichter, Cornelia Daurer und Renate Matt, 216 Seiten, 270 Abbildungen
ISBN 3-900388-84-9.

Die Publikation ist im Archiv der Stadt Linz, Neues Rathaus, Hauptstraße 1-5, 4041 Linz, Tel.: 0732/7070-2961 sowie im Buchhandel zum Preis von EUR 30,- erhältlich.

www.linz.at

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