Diese Headline muss wohl nach dem ersten Blick sofort in die Kategorie „Journalisten-Ente“ eingestuft werden, denn derzeit scheint ein Gastspiel des argentinischen Ausnahme-Kickers Lionel Messi auf der Linzer Gugl in etwa in jener Reichweite zu sein, ähnlich der Meldung, dass die voestalpine neuerlich in den fußballerischen Spitzensport einsteigen möchte.
Jedoch ein Messi-Vorgänger, ein ganz Großer seines Faches, war tatsächlich zu Gast in Linz und zwar just zu einer Zeit, als der nunmehr leider nicht mehr existente SK VÖEST Linz als regierender Meister Österreichs zur Premiere im Europapokal der Landesmeister lud, dem Vorgänger der heutigen UEFA Champions-League.
40 Jahre ist es nun her, als die Stahlstadt Linz in Sachen Fußball komplett aus dem Häuschen war. Bescherte doch im Juni 1974 mit dem SK VÖEST zum zweiten Male in der Geschichte der Stadt ein Fußball-Verein der Linzer Bevölkerung eine gewonnene Meisterschaft – 1964/65 war dies bereits dem Linzer ASK als erstem Verein nicht wienerischer Provenienz gelungen. Und so fieberte man im Lager der Werksportler der Auslosung zu diesem Europapokal-Spektakel entgegen. Die Mannschaft wünschte sich alles, bloß keinen Gegner aus dem damaligen Ostblock. SK VÖEST-Obmann Johann Rinner weilte bei der Auslosung in Zürich vor Ort und verspürte, gemäß eigener Aussage, ein leichtes Beben in der Brust, als UEFA-Präsident Artemio Franchi die Spielpaarung persönlich und feierlich bekannt gab: CF Barcelona gegen SK VÖEST Linz förderten die Lostöpfe zu Tage. Neben der innerlichen Freude über dieses Traumlos hieß es nun, einen Platztausch vorzunehmen, denn der Österreichische Meister wollte unbedingt das Hinspiel in Linz austragen. Rinner verhandelte sofort an Ort und Stelle mit den anwesenden Katalanen und nach Rücksprache mit deren Trainer Rinus Michels kehrte der emsige VÖEST-Obmann mit freudiger Kunde nach Linz ins Werk zurück: Der SK VÖEST empfängt am Mittwoch, 18. September 1974 um 19.30 Uhr im Linzer Stadion anlässlich seiner Premiere im Europapokal der Landesmeister den spanischen Champion, den CF Barcelona mit seinem holländischen Ausnahmefußballer Johan Cruyff.
Der diesbezügliche Jubel im blau-weißen Lager war dementsprechend groß, der Kartenvorverkauf für dieses Spiel setzte sofort ein.
Die VÖEST´ler waren als regierender Meister so lala in die neu geschaffene 10er Liga/1. Division der Saison 1974/75 gestartet. Eine Woche zuvor konnte man am 6. Spieltag gegen den bisherigen Tabellenführer Austria Wien/WAC vor 6.200 Zuschauern in Linz mit einem 3 : 1-Erfolg den zweiten Sieg in der laufenden Meisterschaft verbuchen, unmittelbar vor dem Europapokal-Spiel gegen Barcelona verlor man allerdings in Klagenfurt gegen die dortige Austria sang- und klanglos mit 1 : 2. Der Meisterschaftsstart war demnach durchwachsen, dennoch lag ganz Linz im Fußball-Taumel. Nur noch wenige Tage bis zum großen Spiel.
Auch anhand des Programms hatte man sich einiges einfallen lassen: Die Stadiontore öffneten bereits um 16 Uhr. Ab 16.45 Uhr spielte die Werksmusik der VÖEST-ALPINE auf. Um 17.10 Uhr erfolgte der Anpfiff zum Junioren-Städtespiel Linz gegen Wels. In den Reihen der Welser standen mit dem damals 13jährigen Jürgen Werner und dem 15jährigen Helmut Wartinger übrigens zwei Spieler, die Jahre später den Dress des SK VÖEST und auch jenen der Österreichischen Nationalmannschaft tragen sollten. Ab 18.45 Uhr landeten drei OÖ-Landes-Rettungsflugwacht-Fallschirmspringer, die den Matchball im Gepäck aus luftiger Höhe gen Gugl-Rasen brachten. Unter den strammen Klängen der Werks-Kapelle betraten die Teams ab 19 Uhr das Areal zum Aufwärmen, ehe um 19.30 Uhr der ungarische Referee Gyula Emsberger beide Mannschaften zum Anstoss bat.
Die Kulisse für diesen Abend schwankt zwischen 24.000 und über 26.000 Zuschauern. Zeitzeugen wussten jedoch zu berichten, dass die Gugl, die hinter dem Ost-Tor offen war – und auch heute noch ist – ohne Zusatztribünen auskam und die Menschmassen Kopf an Kopf am Sitzplatz, als auch auf der großen Steh-Terrasse gereiht waren. Während es vor dem Stehplatz-Eingang einen Riesenwirbel gab, als Leute – auch mit gültigen Eintritts-Karten – nicht mehr Einlass fanden, da der Stehplatzsektor hoffnungslos überquoll.
Es war somit angerichtet und alles wartete auf eine Johan Cruyff (der Lionel Messi von einst)-Galavorstellung. Doch Barcelona war nicht nur Cruyff, das gesamte Team hatte – natürlich auch schon damals – Welt-Format. Folgende Akteure standen in der Startaufstellung:
CF Barcelona: Pere Valenti Mora, Joaquim Rife, Antoni Torres, Quique Costas, Antonio de la Cruz, Juan Carlos, Johan Neeskens, Manuel Pina Morales Marcial, Juan Manuel Asensi, Johan Cruyff und Manuel Clares.
SK VÖEST: Erwin Fuchsbichler, Herwig Kircher, Georg Kottan, Ivan Brzic, Wilhelm Huberts, Ferdinand Milanovich, Fritz Ulmer, Hans Scharmann, Josef Stering, Michel Lorenz und Josef Larionows. Peter Rath löste in der 58. Minute Ulmer ab.
Karl Schatz, Sportchef des OÖ TAGBLATT, verfasste seinen Match-Bericht am 19. September 1974 folgendermaßen:
Von spanischer Grandezza war nur wenig zu sehen
„Barcelona gewinnt das Los und VÖEST hat Abstoß. In der 2. Minute zieht Cruyff-Bewacher Kottan erstmals die „Notbremse“. Kurz darauf faustet CFB-Keeper Mora einen Scharmann-Freistoß aus dem Gefahrenbereich. In der 8. Minute krachen Stering und Mora zusammen, der Referee entscheidet auf Freistoß für die Katalanen. In der 19. Minute dreht Tormann Fuchsbichler einen Freistoßball von Torres über die Latte. Wieder ist es Mora, der in der Folge das Ärgste verhindern kann und vor dem durchbrechenden Stering per Fuß abwehrt. Nach einer harten Attacke von Kottan reklamiert Cruyff Elfmeter (32.), doch Referee Emsberger winkt ab. Die Stadionuhr zeigt die 36. Spielminute, als es falschen Toralarm gibt. Die aufgerückten Spanier deuten auf Abseits, Huberts sprintet in Linksaußenposition davon, gewinnt das Laufduell gegen den herausgerückten spanischen Keeper, seinen Flankenball kann Larionows aber nur mehr mit der Hand in das Tor befördern. In der folgenden Debatte gibt es für Torres die Gelbe Karte. Knapp vor dem Pausenpfiff streicht ein gefährlicher Kopfball von Marcial knapp über das VÖEST-Gehäuse. Pausenstand 0 : 0.
In der 49. Minute wird Larionows von Rife im Strafraum gelegt, die Pfeife des Referees bleibt aber stumm. VÖEST übernimmt nun eindeutig das Kommando. In der 55. Minute bricht Lorenz durch, legt für Kircher auf, doch dessen Schuss pariert Mora. Drei Minuten später muss der verletzte Ulmer für Rath Platz machen. Der VÖEST-Keeper unterbindet in der Folge ein Doppelpaßspiel von Cruyff und Neeskens in prächtiger Manier. In der 70. Spielminute dann ein negativer Höhepunkt! Marcial foult ohne Ball Stering schwer und wird ausgeschlossen. Knapp vor dem Schlusspfiff kann der spanische Keeper einen scharfen Schuß von Scharmann nicht bändigen, der Ball springt von seiner Brust weg, der Nachschuß von Larionows geht aber über das Tor. Cornerstand nach 90 Minuten: 2 : 3.
Fazit: Prachtvolles Fußballwetter, eine tolle Zuschauerkulisse, viel Prominenz aus dem In- und Ausland und ein SK VÖEST, der gegen den spanischen Titelträger CF Barcelona ein beachtliches 0 : 0 erreichte. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der SK VÖEST zu einer Form auflief, die einfach nicht für möglich gehalten wurde. Sicherlich wird man gegen diesen Gegner im Rückspiel wenig Chancen haben, doch zog sich – und das kann jetzt schon festgehalten werden – der österreichische Meisterklub mit dieser Darbietung hervorragend aus der Affäre. Auffallend war, daß die Linzer vor allem dann besonders gefährlich wurden, wenn sie über die Flügel spielend die spanische Abwehr aufrissen.
Die Europacup-Premiere der Linzer war also sportlich und finanziell ein Erfolg. Es waren nicht viele, die vorher an ein solches Resultat zu hoffen wagten. Dank der großartigen Darbietung in diesen ereignisreichen 90 Minuten haben sich die Mannen um Kapitän Milanovich dieses Resultat aber verdient. Jeder sprang für den anderen in die Bresche, keiner steckte auf und so wurde schließlich diese gute Leistung mit einem Achtungserfolg belohnt. Der SK VÖEST hat durch dieses 0 : 0 sicherlich viele neue Freunde gewonnen.“
Michels war sauer
Zu einem kleinen Misston kam es nach dem Spiel, als Barcelona-Trainer Rinus Michels kein Fernseh-Interview gab. Er war verärgert, dass er erst nach Herbert Rettensteiner und Georg Kottan interviewt werden sollte. Diese Wartezeit war dem Star-Trainer zuviel, er eilte wieder in die Kabine und gab dort vor den versammelten Journalisten folgenden Kommentar zum Spiel ab: „Es war ein typisches Europacup-Match, VÖEST hätte jedoch als Heimmannschaft risikofreudiger spielen müssen. Der Ausschluss von Marcial war korrekt. Neeskens hat seinen Aktionsradius nicht eingehalten. Stering war der beste Spieler der VÖEST´ler. Kottan hat seine Aufgabe als Cruyff-Bewacher bestens erfüllt. Es war ein gerechtes Unentschieden.“
Weitere Stimmen zum Spiel:
Helmut Senekowitsch (Trainer SK VÖEST): „Nach der Pause haben meine Burschen die Scheu vor dem großen Gegner abgelegt. Mit der Leistung meiner Mannschaft war ich 100prozentig zufrieden, die Taktik ist aufgegangen.“
Herwig Kircher: „Ich glaube es war ein faires und schönes Spiel. Bei etwas Glück hätten wir sogar gewinnen können.“
Ferdinand Milanovich: „Wenn wir am 2. Oktober Barcelona aus dem Europacup werfen, marschieren wir mit den VÖEST-Leibchen von Linz nach Pregarten und zurück.“
Hans Scharmann: „Als wir den Respekt vor dem Gegner ablegten, lief es bei uns ausgezeichnet. Eine von den drei Torchancen hätte verwertet werden müssen.“
Josef Stering: „Meiner Meinung nach können die Zuschauer mit diesem Spiel zufrieden sein. Nach Seitenwechsel waren wir tonangebend.“
In einem Punkt waren sich die VÖEST-Spieler nach dem Match einig: „Wir haben zu lange übertriebenen Respekt vor dem CF Barcelona gehabt. Wenn wir ihn schon nach 20 und nicht erst nach 45 Minuten abgelegt hätten, wäre das Spiel vielleicht anders ausgegangen.“
Johan Cruyff: „Mein Gegenspieler Kottan ist ein harter, unangenehmer, aber guter Fußballer. In Spanien hätte der Schiedsrichter öfters abgepfiffen. Für das Rückspiel in Barcelona würde ich mir einen anderen Bewacher wünschen.“
Johan Neeskens: „VÖEST hat gegen uns eine sehr gute Leistung geboten. Trotzdem war es zu wenig, denn vor dem eigenen Publikum werden wir viel besser spielen. Wir haben uns in Linz eine gute Ausgangsposition geschaffen.“
Und die Prominenz meinte:
Franz Hillinger, Bürgermeister der Stadt Linz: „Nach einer eher mäßigen ersten Hälfte lief VÖEST nach der Pause zu fulminanter Form auf. VÖEST hätte sich auch einen Sieg verdient. Kottan spielte sehr gut.“
Friedrich Jahn, Gründer der Wienerwald-Kette: „Eine großartige kämpferische Leistung der Linzer, die nach der Pause auch spielerisch bestens zu gefallen wussten. Dieser VÖEST-Elf muss mach uneingeschränktes Lob zollen.“
Gerhard Possart, Sportreferent und OÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter: „VÖEST bot eine gute Leistung, hat den Spaniern alles abverlangt und war nach Seitenwechsel dem Sieg näher als Cruyff und Co.“
30.000 Bierbecher blieben zurück
Für die Spieler beider Teams war das Spektakel längst vorüber, für die Stadionarbeiter dagegen noch lange nicht. Ein verstärktes Arbeitskommando musste bis zum nächsten Spiel, 21. September 1974: SK VÖEST gg. Austria Klagenfurt, 3 : 1, 4.000 Zuschauer, raschest Ordnung machen. Zurückgeblieben sind 30.000 Bier- und andere Getränkebecher und zahlreiche Dinge, die daran erinnerten, dass die Stadionbesucher bei Durst und gutem Appetit waren. Auch Autoschlüssel, Ausweise, Regenschirme, Hüte, Jacken und andere Gebrauchsgegenstände wurden laufend gefunden.
Nun, das Rückspiel in Camp Nou am Mittwoch, 2. Oktober 1974, wurde vor 50.000 Zuschauern mit 0 : 5 (0 : 3) verloren und für den SK VÖEST war bereits nach Runde 1 „Endstation: Alles aussteigen“ angesagt in Sachen Europapokal der Landesmeister.
Und selbst, wenn der LASK 11 Jahre später, am 23. Oktober 1985 im UEFA-Cup-Hinspiel/2. Runde Inter Mailand mit 1 : 0 schlug, so ist dieser Achtungserfolg des SK VÖEST gegen Barcelona bis in die heutige Zeit als höher einzustufen, als beispielsweise auch die ÖFB-Teamerfolge in Linz mit 3 : 1 gegen die Schweiz (1976) oder 5 : 1 gegen Finnland (1981). Die Werksfußballer waren in jenen Jahren an ihrem Zenit, es folgten 1975 und 1980 noch zwei Vizemeister-Titel, ehe es ab den 1980er Jahren stetig und steil bergab ging.
Nichts desto trotz sollten diese Jahre und Erfolge für die Nachwelt erhalten bleiben. Linz war damals eine Fußball-Macht in Österreich und der SK VÖEST trug einen riesengroßen Teil dazu bei.
Zahlreiche Spieler von einst trafen im heurigen Juni in Linz zusammen, um alte Erinnerungen aufzufrischen und noch einmal die sportlichen Taten und Höhepunkte schwankmäßig zu erörtern:
Das Österreichische Pressebüro / oepb beendet nun mit dieser Geschichte die Erinnerungen an die Jubiläums-Feierlichkeiten des SK VÖEST Linz des Jahres 1974
in dessen Rahmen auch umfangreiche Interviews mit Obmann Johann Rinner (kurz vor seinem Ableben)
als auch den Spielern Erwin Fuchsbichler
erfolgt sind.
Quelle: Redaktion Österreichisches Pressebüro / oepb