In der Saison 2014/15 gestaltete Michael Heltau im Wiener Musikverein einen Zyklus von vier Vortragsabenden unter dem Motto „Im Anfang war das Wort“. Der dritte dieser Abende galt Texten von Chansons, Schlagern, Songs, Operettenliedern und trug den Titel „Lyrics“. Der Abend war überaus erfolgreich. Seit damals bestand der Wunsch, dieses Programm aufzuzeichnen. Im Herbst 2022 kam Michael Heltau diesem Drängen schließlich nach und ging damit ins Aufnahmestudio. Die Wiener Theatermusiker haben kurze Musikzitate zu den Texten eingespielt und Michael Heltau hat in seiner unnachahmlichen Art eines Sprachmusikanten diese Lyrics meisterlich in Szene gesetzt.
Michael Heltau prägte jahrzehntelang die Theaterlandschaft, ist über Ländergrenzen als Schauspieler, Sänger, Rezitator, Chansonnier oder Entertainer bekannt und zudem wurde er auch zum jüngsten Doyen des Burgtheaters ernannt. Trotz des Bühnenabschiedes vor einigen Jahren blieb er der Kunst jedoch immer treu und so erschien heuer kurz zu seinem 90. Geburtstag diese CD – eine rezitierte Sammlung seiner Lieblingslyrik.
Die Idee dazu stammt aus einer Live-Zyklus-Reihe im Wiener Musikverein. Der dritte Abend mit dem Titel „Lyrics“ blieb nicht nur bei ihm selbst in bester Erinnerung, sondern wurde auch vom Publikum immer wieder nachgefragt. Daher stellt Michael Heltau nun auf einer liebevoll gestalteten Doppel-CD das Wort in den Vordergrund. Eine logische Konsequenz, denn speziell in den letzten Jahren seiner Bühnen-Karriere strebte er künstlerisch immer mehr nach der Einfachheit. Es war die Essenz hinter all den dekorativen Elementen, die er versuchte zu finden, und so landete er unweigerlich bei dem Wort, das allem Anfang innewohnt – ein Wort, ein Gedanke, ein Sinn.
Doch ganz ohne Musik geht es auch bei Michael Heltau nicht und so gibt es vereinzelt immer wieder kleine Musikzitate der Wiener Theatermusiker, die den Künstler ein großes Stück seines Weges begleitet haben. Doch der Schauspieler und Sänger weiß um die Wichtigkeit eines jeden einzelnen Wortes Bescheid, daher nimmt er sich auch Zeit und gibt den einzelnen Buchstaben den Raum, den sie brauchen, um sich vollständig zu entfalten. Somit werden die Betonungen und bewussten Pausen zum wirklich versteckten Highlight der Doppel-CD. Mit Bedacht, singend, beherrscht oder zärtlich liebkosend erweckt er die Wörter zum Leben. Auf einer Herzensebene begegnet er seinem Publikum und bringt dabei zum Lachen, aber genauso auch zum Nachdenken und weckt durch den stressigen Alltag längst vergessene Erinnerungen.
Neben dem Rezitieren stellte vor allem auch die Auslese der am Ende 93 Texte eine große Herausforderung dar. Gemeinsam mit Peter Michael Braunwarth wurde tief in der Welt der Literatur gegraben und ein guter Querschnitt des eigenen Lebensweges eingefangen. Die Sinnlichkeit wurde dabei den großen Namen vorgezogen und so kann man erleben, wie Michael Heltau sich dem auf den ersten Blick Unscheinbaren mit äußerster Seriosität nähert. So erzählt er auf insgesamt über 100 Minuten von den großen und kleinen Freuden der Menschen und geht den unabwendbaren Fragen des Lebens nach. Es geht um die Liebe, um filigrane Herzen, die manchmal zerbrechen oder zu Käfigen werden können, genauso wie um die Einmaligkeit des Lebens und den Beruf des Schauspielers. Er erzählt vom Glück, der Magie, die den Abschieden innewohnt und vielem mehr. Michael Heltau nimmt nicht nur mit auf eine Reise durch sein literarisches Erleben, sondern durch Europa, und so geht es von Wien nach Amsterdam über Prag und Berlin, und er erzählt ganz nebenbei von einzigartigen Träumen auf der ganzen Welt.
Fließend wird sowohl inhaltlich als auch sprachlich Text an Text gehängt, sodass alles zu einem großen Ganzen verschmilzt. „Lyrics“ ist eine poetische Sammlung für Fans und Bewunderer, um zwischen den Zeilen Michael Heltau kennenzulernen oder in den Zauber der Literatur durch grandios gewählte Wörter einzutauchen, denn ohne die geht es nicht. Ohne Literatur geht es nicht. Ohne Heltau geht es schon gar nicht.
Michael Heltau meint darüber:
Wenn Sie diesen dritten Abend im Zyklus unter ein Motto stellen müssten, wie würde es lauten?
„Im Anfang war das Wort“, das gilt für alle vier Programme dieses Zyklus. Ich gehe immer vom Wort aus. Das Wort, der Gedanke, der Sinn. Und wenn eine Musik dazukommt. sozusagen als eine Lokomotive für das Wort, für den Gedanken, für den Sinn, dann ist mir das willkommen. Warum nicht? Und das ist etwas, was ich in diesem Zyklus versuche: Meine Einstellung zu Musik und zu Texten deutlich zu machen. Es gibt ja absolute und Programmmusik, aber ich könnte mir vorstellen, dass viele der Komponisten dann auch etwas erzählen wollen. Und es gibt göttliche Musik. „Die Unvollendete“ von Schubert. Alles, was ich in diesem Zyklus mache, und jetzt vor allem bei den „Lyrics“, da habe ich einmal gesagt: „Ich riskier’s!“ Mit voller Lust vor allen Dingen! Zu beweisen oder vorzuführen oder anzubieten, besser nicht zu beweisen, das gefällt mir nicht – anzubieten, dass ein Text von der Musik in Besitz genommen wurde, und zwar so sehr, dass man gar nicht mehr so genau wissen will, was da jemand sagt, wenn es nur schön klingt. Mir gefällt einfach sehr, dann auch aufzuzeigen, dass der Text, was vor allem natürlich im Genre der Unterhaltung leicht untergeht oder vergessen wird – bei da Ponte und Mozart, bei Hofmannsthal/Strauss, bei Richard Wagner wird von vornherein auf den Text ein ebenso großer Wert gelegt wie auf die Musik – eigentlich ein bisschen wurscht ist. Wenn der Zug, wenn die Lokomotive einmal in Fahrt ist, dann klingt es halt. Das find ich schade. Blöd. Wenn auf einmal nicht mehr wichtig ist, was da gesagt wird. Aber mir ist immer wichtig, was gesagt wird. Ganz, ganz wichtig!
Was sind Auswahlkriterien der Lieder bei einem solchen Programm?
Ganz einfach: Ich singe nichts, was ich nicht auch sagen kann. Ich nehme auch keine Texte, bei denen ich mich genieren muss. Und verspotten will ich nicht. Also ich nehme nicht Texte jetzt bei den Lyrics, um zu sagen, was es da Miserables gibt. Das gibt es. Schlechten Geschmack. Das gibt es. Das gibt es in der Musik und das gibt es natürlich auch bei den Worten.
Michael Heltau blickt zurück auf ein glückliches Leben im Scheinwerferlicht.
„Ich bin ja kein geborener Wiener, sondern stamme aus Ingolstadt. Wien hab´ ich mir erliebt. Ich kann´s nicht anders sagen. Man kann so etwas nicht planen, Wiener zu werden, das muss sich ergeben. Sonst wird es peinlich, wenn man sich anbiedert. Wien ist in meinen Augen eine Metropole, so wie Paris. Wenn man da nicht hinpasst, heißt es schnell: Was macht der denn da?“
Über Michael Heltau:
Es war die Musik. Ich wollte dorthin, wo das Musikherz schlägt. 1945 waren in Wien Burg und Oper zerstört, Österreich war nicht reich, aber die Wiener haben als erstes ihre Theater wieder aufgebaut.
Michael Heltau, eigentlich Michael Heribert Huber (* 5. Juli 1933 in Ingolstadt) ist ein deutscher bzw. österreichischer Schauspieler und Chansonnier. 1968 wurde ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Er lebt in Österreich.
Michael Heltau, ein Meister des Wiener Faches: Singender Schauspieler schmerzlicher Zwischentöne.
Er gilt als bedeutender Sänger von Wienerliedern. Das sind die alten Balladen, Volks- und Straßenlieder, die mit der Urbanisierung der Stadt Wien Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Hierzulande ist Michael Heltau vor allem bekannt als der deutschsprachige Interpret der Chansons von Jacques Brel.
„Beginnen will ich mit dem Beginn, mit meinem Beginn. Das war der Eindruck der Balladen, die mir meine Mutter vorgesprochen hat. Aufgesagt, hat man das genannt. Dieses Abenteuer mit Schiller und Goethe, mit der deutschen Literatur, das hat für mich nie mehr aufgehört.“
Nach dem ersten Jahr am Max Reinhardt Seminar haben mich meine Eltern gefragt: „Wie schaut es denn aus mit dem Studium?“ „Auf jeden Fall lerne ich dort sprechen“, habe ich gesagt. „Das macht mir wirklich Freude. Das ist auch keine verlorene Zeit. Denn wenn es mit dem Theater nichts wird, was schade wäre, dann hilft mir das auch in jedem anderen Beruf.“
Goethe, Schiller, Lessing, Büchner, die großen, die übergroßen Texte, haben mich in dem Beruf immer am meisten interessiert. Das ist natürlich nicht die Alltagssprache, das ist ja klar. Das kann man auch nicht kleiner geben als es ist. Das Handwerk steht an erster Stelle eines Schauspielers, einer Schauspielerin. Die müssen sprechen können. Nicht um einen äußerlichen Effekt willen, nein, um den Sinn zu vermitteln, ja, jetzt sage ich es auch, um die Schönheit unserer Sprache zu vermitteln.
Es ist jetzt üblich, auf der Bühne Mikroports zu verwenden. Also, das geht in meinen Augen schon überhaupt nicht. Da verliert die Stimme die Persönlichkeit, die Direktheit und zwischen Bühne und Publikum entsteht dann eine akustische Wand. Merkwürdig dabei: Die Zuschauer verstehen weniger, manchmal gar nichts. Also mein Fazit: Bei der Schauspielausbildung sollte wieder mehr Wert daraufgelegt werden, worum es eigentlich geht: Am Anfang war das Wort.
Ausdrucksvolle Sprache auf einem Doppel-Album zu Michael Heltaus 90. Geburtstag
Michael Heltau
Lyrics
Doppel-CD, Gesamtspieldauer: 106 Minuten
Erschienen bei PREISER RECORDS
Direkt zu bestellen bitte hier: