Die Conchilien-Sammlung kehrt „nach Hause zurück“. Foto: © NHM Wien, A. Schumacher

Das Naturhistorische Museum Wien / NHM gibt am 31. Mai 2021 eine Sammlung von Conchilien (Weichtierschalen), die im 19. Jahrhundert in den naturkundlichen Sammlungen des niederösterreichischen Benediktinerstiftes Göttweig angelegt worden war und 1941 unrechtmäßig an das Wiener Museum kam, an das Benediktinerstift Göttweig zurück. 

Das Stift war eines der ersten, die beim sogenannten nationalsozialistischen „Klostersturm“ enteignet wurden. Die naturkundlichen Objekte gelangten über die Stadt Krems und das Museum des Reichsgaues Niederdonau in Wien im Jahr 1941 an das Naturhistorische Museum in Wien. Rückstellungsbemühungen nach 1945 des Stiftes blieben erfolglos. Dies lag vermutlich daran, dass der Aufenthaltsort der Sammlung zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war. 

Das Stift Göttweig wurde zunächst im Februar 1939 vom NS-Oberbürgermeister der Stadt Krems mit Unterstützung der SA zwangsweise unter NS-Verwaltung gestellt und aus dem Stiftsgebäude dauerhaft verbannt. Die Stadt Krems sah im Vermögen des Stiftes Göttweig eine Quelle für ihre Finanzierungs- und Repräsentationsangelegenheiten. Die intensiven Bemühungen der Kremser Nationalsozialisten, das Stift zu enteignen, gipfelten in einer Gestapo-Verfügung vom 15. September 1939, wonach das Vermögen des Stiftes zu Gunsten der Stadt Krems auf Grund der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938 eingezogen werden sollte. Göttweig stand somit am Beginn des sogenannten „Klostersturms“, bei dem 1940/41 Klöster und Stifte auf dem ehemaligen Gebiet der Republik Österreich mit fingierten Begründungen enteignet wurden. 

Im Bild von links: Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland, Wirtschaftlicher GF Mag. Markus Roboch, Kuratorin Mag. Anita Eschner und Pater Franz Schuster. Foto: © NHM Wien, C. Rittmannsperger

Seit 1940 waren auf Grundlage der erwähnten Gestapo-Verfügung Liegenschaften, Gemälde und Mobiliar des Stiftes Göttweig, darunter auch naturkundliche Sammlungen, an verschiedene Institutionen verteilt worden. Im September 1940 erhielt das Naturhistorische Museum in Wien vom Kremser Museum nachweislich 53 Faszikel des Göttweiger Herbars und vermutlich im Frühjahr 1941 wurde ebenfalls vom Kremser Museum eine Kiste mit Conchilien dem Wiener Museum übergeben, wie der am NHM Wien tätige Provenienzforscher Dr. Thomas Mayer recherchieren konnte. 

Die Pflanzenbelege des Göttweiger Herbars blieben trotz eingehender Recherche im gesamten Sammlungsbestand und der zugehörigen Dokumentation an der Botanischen Abteilung des NHM Wien nicht auffindbar. Sollte sich dies in Zukunft ändern, werden sie unverzüglich zurückerstattet. Die Kiste mit den Conchilien ist am NHM Wien vorhanden und wird nun – 80 Jahre später – an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. 

Generell kann auf Grund der Aktenlage und der ausführlichen Darstellung von Abt Clemens Lashofer (1941-2009) aus dem Jahr 1983 zu den Restitutionsbemühungen des Stiftes Göttweig nach 1945 gesagt werden, dass die naturkundlichen Sammlungen nicht explizit Thema der Rückstellungsverfahren und außergerichtlichen Vergleiche waren. Allerdings forderte das Stift bzw. sein rechtlicher Vertreter am 31. März 1954 in einem Vergleich mit der Stadt Krems sämtliche „Fahrnisse“, die sich noch im Besitz der Stadt Krems befanden oder von dort an Dritte weitergeben wurden, zurück. Darunter waren implizit auch die naturkundlichen Sammlungen zu verstehen, die von der Stadt Krems zunächst an das Gaumuseum Niederdonau und von dort ans Naturhistorische Museum nach Wien übermittelt wurden. 

Dass die naturkundlichen Sammlungen nicht konkret Gegenstand von Rückstellungsverfahren waren, hing vermutlich auch damit zusammen, dass der Aufenthaltsort des Herbars wie auch der Conchilien-Sammlung dem Stift nach 1945 nicht bekannt war. Da mit dem Naturhistorischen Museum in Wien keine Rückstellungsverhandlungen seitens des Stiftes geführt wurden und das Naturhistorische Museum auch keine Anmeldung nach der Vermögensentzugsanmeldeverordnung von 1946 bezüglich der naturkundlichen Sammlungen des Stiftes Göttweig gemacht hatte, blieb dem Stift das NHM Wien als neuer Besitzer der Sammlungen unbekannt. 

Die Conchilien-Sammlung kehrt „nach Hause zurück“. Foto: © NHM Wien, A. Schumacher

Im Rahmen einer kleinen Gedenkfeier am 31. Mai 2021 in der Kunst- und Naturaliensammlung des Stiftes Göttweig übergab NHM Wien-Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin Dr. Katrin Vohland das Kistchen mit der Conchilien-Sammlung an Pater Franz Schuster, Subprior und Stiftsarchivar von Stift Göttweig, und betonte: „Die Stärkung der Provenienzforschung ist mir ein wichtiges Anliegen. Die Restitution der in der NS-Zeit geraubten Sammlung ist dem Naturhistorischen Museum Wien nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein weiterer wichtiger Schritt zur wissenschaftlichen und ethischen Aufarbeitung geschehenen Unrechts. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir mit der heutigen Rückgabe ein Zeichen setzen können.“ 

Und Mag. Bernhard Rameder, Kustos der Göttweiger Sammlungen, freute sich über die Heimkehr einer kleinen Naturaliensammlung: „Seit dem 18. Jahrhundert wurden in Göttweig naturkundliche Sammlungen aufgebaut. Nachdem diese während des Zweiten Weltkrieges großteils untergegangen sind, freut uns die Rückgabe eines Teils der Molluskensammlung ganz besonders.“

Quelle: NHM / Naturhistorisches Museum Wien

Lesen Sie noch mehr über das Naturhistorische Museum bei uns bitte hier;

www.nhm-wien.ac.at

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