„Sekretär! Ich war doch immer nur der Sekretär!“ Dieses bereits zu Lebzeiten berühmte Norbert Lopper-Zitat, das auf den ersten Klang sich selbst kleinmachend erklingen mag, erschallt bei genauerem Zuhören umso lauter, da man in früheren Jahren der Bezeichnung „Sekretär“ das zuteil werden ließ, was heutzutage ein Sport-Direktor oder gar ein Top-Manager ist. Dennoch begannen die Augen des Norbert Lopper stets zu leuchten, wenn man ihn auf seine jahrzehntelange Tätigkeit beim und für den Fußballverein FK Austria Wien ansprach. Doch seine Augen, die leuchteten nicht immer …
Geboren in Wien
Norbert wurde am 4. Juli 1919 als ältester Sohn und eines von fünf Kindern – Rosa war die Älteste, dann kam Norbert, nach ihm David, genannt „Davis“, Herbert und die kleine Klara – des Ehepaares Regine und Leo Lopper in Wien geboren. Die Familie, die „gläubig, aber nicht religiös war“, lebte in der Brigittenau, dem heutigen 20. Wiener Gemeindebezirk. Die Mutter arbeitete als Kürschnerin – damals wurde noch Pelz, wer es sich leisten konnte, getragen – der Vater, der kriegsinvalid vom „Großen Krieg von 1914-18“ heimgekehrt war, schlug sich als Handelsagent durchs Leben. Der Erste Weltkrieg war vorüber, das über die Jahrhunderte andauernde Habsburgerreich komplett in sich zusammengefallen und Österreich zu einem Kleinstaat verkommen. Norbert und seine Geschwister wuchsen als „Schlüsselkinder“ auf. Da die Eltern arbeiten mussten, um die Familie ernähren zu können, waren die Kinder sehr bald schon auf sich allein gestellt. Just in diese Jahre hinein traf Norbert auf seine erste große Liebe.
Kicken im Augarten
Norbert spielte in jeder freien Minute Fußball. Auf der Gasse oder eben im Augarten-Park. Dem Fußballspiel gehörte seine ganze Leidenschaft. „Wir haben mit einem Gummiball oder einem Fetzenball gespielt. Im Winter, wenn es kalt war, mit einem Tennisball. Da es noch keine Autos gab, auch auf der Gasse. Wenn du ein Gefühl bekommen willst, muss der Ball am Gehsteig hüpfen, nur so erhält man das Ballgefühl.“, so Norbert Lopper zu seinen fußballerischen Anfängen im Wien der 1920er Jahre. Über die damaligen Bezirksvereine FC Sparta und Brittania wechselte er 1935 in die Jugend des SC Hakoah Wien. Auch sehr früh wurde er mit Arbeitslosigkeit, Armut und damit einher gehender Aussichtslosigkeit, sowie Judenhass konfrontiert. Später dann, Lopper lief vermehrt für die Hakoah auf, erwachte in ihm seine Liebe zum FK Austria Wien. Beide Vereine waren jüdisch geprägt, waren aber auch gerade deswegen große Rivalen. Ähnlich erging es übrigens dem Schriftsteller Friedrich Torberg. Dieser war zwar Schwimmer bei Hakaoh, in Sachen Fußballsport wandte allerdings auch er sich bald schon der Wiener Austria zu. „Der Unterschied zur Austria lag vor allen an den jüdischen Spielern von Hakoah. Beim FAK waren seinerzeit nur die Funktionäre Juden.“, so Norbert Lopper.
Die Nazis sind da
„Am 12. März 1938 bin ich mit meinem Freund Herbert Meitner im Nestroy-Kino gesessen, als der Film „Der Dibbuk“ mit den lauten Rufen ,Die Nazis sind da!´ jäh unterbrochen wurde. Wir flüchteten durch eine Seitentür hinaus. Draußen auf der Straße ist die SA aufmarschiert und schwere LKWs fuhren vor.“, so Norbert Lopper. Und weiter: „In den dreißiger Jahren wurde die Judenfeindlichkeit immer stärker. Auch mein Chef, ich lernte Installateur, provozierte mich andauernd. Er nannte mich Moishe und stieß mich von der Leiter. Einmal warf ich ihm aus Reflex einen Hammer nach und kündigte dann.“
Flucht aus angestammter Heimat
Norbert Lopper, der zahlreiche nicht-jüdische Freunde hatte, war bewusst, dass er nun aus Wien weg müsse. Ende Mai 1938, zwei Monate nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland hieß es für die Familie Lopper im und vom Augarten Abschied zu nehmen. Mit der Eisenbahn gelangte der 19-jährige Lopper bis nach Aachen und von dort schlug er sich weiter über die belgische Grenze nach Brüssel durch. Er kam bei einer Tante unter und schnürte für den Verein Etoile Bruxelles seine Fußballschuhe.
Weitere Flucht nach Frankreich
Als die Deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in Belgien einmarschierte, floh Lopper weiter bis nach Südfrankreich. Er, der inzwischen Ruth – aus Berlin stammend und ebenso geflohen – kennen und lieben gelernt hatte, kehrte mit ihr nach Belgien zurück. Im Oktober 1940 wurden die beiden getraut. „Wir lebten damals in Brüssel ein ruhiges Leben, arbeiteten beide, und hatten die drohende Gefahr völlig unterschätzt. Wir mussten zwar einen Judenstern tragen, aber das taten viele Belgier aus Solidarität uns gegenüber auch. Im Sommer 1942 war es dann vorbei. Wir, also Ruth, ihre 16-jährige Schwester Sonja und ich, erhielten die Aufforderung „Zum Arbeitseinsatz“. Am 25. August 1942 fuhren wir mit einem normalen Personenzug los und kamen zwei Tage später an der Rampe in Auschwitz an. Hier wurden wir getrennt. Ich sah Ruth und Sonja nie wieder.“, so Norbert Lopper, dessen kräftige Stimme bei derartigen Erinnerungen immer wieder brüchig wird: „Ich erhielt die Häftlings-Nummer 61.983 und meine ersten Arbeiten im KZ Auschwitz waren Galgen tragen. Vor meinen Augen wurde ein Häftling aufgehenkt, das war die Hölle für mich.“
Zertrümmerter Rücken
Im November 1942 war Lopper am Ende seiner Belastbarkeit angelangt. Er wollte sich gegen den unter Hochspannung stehenden Stacheldrahtzaun werfen, weil er wusste, dass ihn entweder der Strom, oder aber die Kugeln der Wachmannschaften töten würden. Dennoch, der Drang in ihm nach Leben – und Überleben – überwog und er wurde versetzt. Beim sogenannten „Kanada Kommando“ fand er „bessere“ Lebensbedingungen vor. Dort musste er Gepäck sortieren und auf LKWs verfrachten. Gepäck, das den Auschwitz-Ankommenden abgenommen und dessen sie beraubt wurden. Als er einem weiblichen Häftling zur Flucht verhelfen wollte, und infolgedessen eine goldene Taschenuhr zur Seite legte, wurde das gesehen. SS-Oberscharführer Karl Höcker verprügelte daraufhin Norbert Lopper dermaßen, dass er ihm dabei die Bandscheiben zertrümmerte: „Normalerweise hätten die mich jetzt ins Gas geschickt, aber Mithäftlinge im Krankenrevier hatten mich versteckt. Mein kaputter Rücken war auch der Grund, warum ich am Fußballspiel Maccabi-Mannschaft gegen eine SS-Auswahl nicht teilnehmen konnte. Maccabi gewann das Spiel und während die Menschen in den Gaskammern getötet wurden, förderte die SS körperliche Betätigungen wie Boxkämpfe und Fußballspiele.“
The War is over
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den Mai-Tagen des Jahres 1945 wurden auch sämtliche Konzentrationslager befreit. Den Alliierten bot sich dabei ein Bild des Grauens. Neben unzähligen Leichenbergen trafen sie auf herumwandelnde „Leichen“, die zwar noch am Leben waren, aber abgemagert bis auf die Knochen und völlig desillusioniert. „Wir waren alle ausgemergelt, abgemagert, krank und völlig verwahrlost. Wer nicht an Hunger starb, den raffte eine Krankheit dahin.“, so Norbert Lopper, der das Kriegsende als Häftling Nummer 61.983 im KZ Mauthausen bei Linz nach insgesamter Inhaftierung von vier Konzentrationslagern er- und überlebt hatte.
Wien (vorerst) KEIN Thema
Norbert Lopper kehrte nach Brüssel zurück. Die Geburts- und Heimatstadt Wien war für ihn 1945 keine Alternative. Von nun an begann er – an aktiven Fußballsport war mit dem kaputten Rücken nicht mehr zu denken – kleine Manager-Tätigkeiten. Er betreute die österreichischen Fußballklubs, wenn diese nach Belgien kamen und organisierte seinerseits fußballerische Freundschaftsspiele in Österreich und in Belgien. Er pendelte zwischen Brüssel und Wien, brachte Lebensmittel mit und wurde in späterer Folge dann doch in Wien ab 1952 wieder sesshaft.
Das Wien des Jahres 1954
Lopper, der gemäß eigener Aussage mit jüngeren Menschen keine Probleme hatte, aber zu den Älteren auf Distanz ging, weil man ja nie wusste, welche Tätigkeit der eine oder andere im Krieg versah, stürzte sich in Wien knapp 10 Jahre nach Kriegsende Hals über Kopf in seine Leidenschaft, den Fußballsport.
Er wurde 1954 Gründungsobmann des „Anhängerklub des F.K. Austria“. Jeden Dienstag traf man sich in der Zeit von 19 bis 21 Uhr im Café Herrenhof in der Inneren Stadt. Es gab dabei ein abwechslungsreiches Kulturprogramm und unter den, die Wiener Austria fördernden Mitgliedern fanden sich auch der Psychiater Friedrich Hacker, Theaterdirektor Ernst Haeussermann, sowie der bereits erwähnte Literat Friedrich Torberg ein.
Aus dem Obmann wird ein Sekretär
Norbert Lopper, der bereits mit 16 Jahren als jugendlicher Anhänger mit der Austria zu einem Mitropacupspiel nach Budapest zu Ujpest Dozsa unterwegs war, war „seinem“ Verein durch die Jahrzehnte hindurch treu geblieben. Als von Seiten des Klubs 1956 der Wunsch geäußert wurde, dass der Anhängerklub quasi in den Stammklub integriert werden sollte, war die Stelle eines diesbezüglichen Sekretärs zu vergeben. Der bisher ehrenamtlich geführten Tätigkeit folgte der Beruf, der für ihn zur Berufung wurde. Lopper erzählte Jahre später, dass der Anhängerklub die Austria-Spieler finanziell unterstützte. Man half den Aktiven beim Wohnungs-Einrichten, griff dem einen oder anderen Akteur mit einem unbürokratischen Darlehen finanziell unter die Arme und noch vieles andere mehr. Diese Tätigkeit fand beim Stammklub große Anerkennung, sodass diese „Fusion“ vorangetrieben wurde. Als es dann auch noch hieß, dass Viktor Hierländer das Amt des Austria-Sekretärs nicht mehr ausüben werde, bat ihn FAK-Präsident Dr. Bruno Eckerl, dieses verwaiste Amt zu übernehmen. Und Lopper sagte kurz entschlossen zu.
Mädchen für alles … auf 12 Quadratmetern
„Die ersten 15 Jahre bei der Austria war ich allein und 14 Stunden am Tag mit dem Klub beschäftigt. Ich hatte in unserem Klubheim, im Café Savoy in der Himmelpfortgasse, ein zirka 12 Quadratmeter großes Büro und kümmerte mich um alles. Ich war Telefonfräulein, Spielervermittler und Sekretär. Es tat mir gut, denn so konnte ich die KZ-Erlebnisse am besten verarbeiten, wenn man das so nennen will. An die Nazi-Zeit bin ich nur manchmal am RAPID-Platz erinnert worden, wenn man dort antisemitische Rufe gehört hat.“, so Norbert Lopper, der als Austria-Sekretär ab 1956 bis Jahresfrist 1983/84 aktiv war. Am Beginn seiner Tätigkeit war die Austria in tief roten Zahlen. Urplötzlich war die Mannschaft weg, da kein Geld da war und der Klub 800.000 Schilling (ca. € 58.140,00) Schulden hatte. „Viele Spieler wechselten über Nacht irgendwo hin und wir sahen keine Transfererlöse. Also ging ich zu uns nahe stehenden Geschäftsleuten in der Innenstadt Geld schnorren. Ein anderes Mal der gleiche Prozess. Wir hatten eine Auslandstournee und nicht einmal das Geld für die Zugkarten.“ Neben zahllosen Erinnerungs-Episoden des Norbert Lopper sticht auch diese besonders hervor. „Es muss 1957 oder 1958 gewesen sein. Die Austria war dabei, ein internationales Turnier in Wien aufzuziehen. Mit Mannschaften wie Spartak Moskau, Westham United und Roter Stern Bratislava. Ich sollte diese drei Mannschaften, die alle in verschiedenen Hotels untergebracht waren, betreuen. So musste ich von einem Hotel ins nächste kutschieren, da ich faktisch nur einen Botengänger hatte, der das Telefon abhob. Alles andere machte ich selber, war demnach der Babysitter für knapp 50 Erwachsene.“
Geld kam ins Haus
Als mit Benfica Lissabon im Herbst 1961 der regierende Europapokalsieger in Wien gegen die Austria gastierte, wickelte Lopper in Eigenregie den Kartenvorverkauf für die späteren 80.000 Zuschauer im Wiener Praterstadion ab. „Die Leute sind tagelang Schlange gestanden vor dem Café Savoy und wollten alle eine Karte haben. Der Vorverkauf lief dermaßen gut, dass ich mehrmals am Tag mit dem Taxi zur Bank gefahren bin, um dort das Geld am Vereinskonto zu deponieren. Gott Lob wurde ich nicht überfallen, ich wäre damals nämlich eine ganz gute Partie gewesen.“, so Lopper Jahrzehnte später mit einem Lächeln auf den Lippen. Aber auch die zahlreichen Auslandstourneen, die die Austria in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren bis nach Neuseeland und Südamerika brachte, verliefen erfolgreich und finanziell gut. Neben Pokalen und Trophäen kehrte der Verein auch immer wieder mit einem dicken Geldbörsel für die Klubkasse ausgestattet nach Wien zurück.
Gewiefter Manager
In der Staatsliga wurden damals die Einnahmen geteilt, also auch der jeweilige Gastverein erhielt 50 Prozent der Zuschauer-Gelder ausgehändigt. Hierzu erzählte Jahrzehnte später Norbert Lopper folgende Geschichte: „Wir spielten in Linz als regierender Meister unser erstes Saisonspiel (Anm.: 31. August 1963) gegen Stickstoff. Die Gugl war bummvoll. Geistesgegenwärtig ließ ich damals von den Zuschauerrängen Bilder machen, denn Stickstoff wollte uns nach dem Match weismachen, dass nur knapp 10.000 Leute im Stadion waren. Aber es gab keinen leeren Platz mehr im Linzer Stadion. Also schaltete ich den ÖFB ein. Was kam dabei heraus? Beim Spiel waren offiziell 24.000 Zuschauer, aber es wurden nur 15.000 Karten verkauft. Die bei Stickstoff waren natürlich böse auf mich, weil wir dann zu Recht mehr Geld von den Einnahmen forderten – und diese Gelder auch bekamen.“
Beginn des Fußball-Sponsoring in Österreich
Während es beispielsweise in Deutschland mit der Trikotwerbung auf der Fußballerbrust erstmals im März 1973 und da beim BTSV Eintracht Braunschweig mit „Jägermeister“ losging, war Norbert Lopper hier in Österreich von Anbeginn an dabei, als die ersten diesbezüglichen Gespräche mit Manfred Mautner-Markhof aufgenommen wurden. 1966 war es dann soweit, dass die Wiener Austria der erste Verein Europas war, der mit der Schwechater Brauerei einen offiziellen Brust-Sponsor an Land gezogen hatte. Von da an prägte das „Biertulpen-Glas“ 5 Jahre lang das Trikot der Austria-Spieler. Bis 1971 sollte diese Kooperation andauern, ehe Mautner-Markhof sein Mäzentum beim gerade eben erst frisch aus dem Boden gestampften Fusionsverein Admira/Wacker fortsetze.
„Heimatlose“ Austria
Was jüngere Fußballfans heute nicht mehr wissen, ist die Tatsache, dass die Austria in früheren Jahren in ganz Wien und darüber hinaus auch in der Südstadt in Maria Enzersdorf ihre Heimspiele austragen musste. Jeder Verein hatte in Wien seinen Bezirk und sein Stammpublikum. Bloß eben die Wiener Violetten nicht. Von Ober St. Veit in den Prater, vom Wacker-Platz in Meidling über die Hohen Warte und den Sportklub-Platz bis in die Südstadt. Später dann, 1977, sogar ins neu erbaute West-Stadion. Dass dies jedoch nicht immer so bleiben konnte, das war Norbert Lopper naturgemäß lange Zeit ein Dorn im Auge.
Sommer 1973
„Wir spielten unsere Heimspiele 1972/73 am Sportclub-Platz. In der Sommerpause stellten mich die Sportclub-Funktionäre vor die Alternative: Einnahmeteilung in Zukunft 60 : 40 für den WSC (bisher war 50 : 50 vereinbart) oder aber wir müssen weg. Was sollte ich also tun? Es war Urlaubszeit, ich konnte niemanden erreichen. Gott sein Dank war uns der Wiener Fußball-Verband und sein Präsident Franz Horr wohlwollend zugetan. Ich fuhr in sein Büro und erklärte ihm die Lage. Nach einer kurzen Unterredung haute dieser auf den Tisch und meinte, dass wir ab sofort den Verbandsplatz in Favoriten haben können. Und sollten baupolizeiliche Bedenken aufkommen, würde er persönlich dafür gerade stehen.“, so Norbert Lopper. Und das war der Beginn der Austria, in Wien-Favoriten heimisch zu werden.
Auftakt zur Saison 1973/74
Norbert Lopper erinnerte sich sehr lebhaft an den Sommer 1973: „Die Auslosung zur Saison brachte uns mit Wacker Innsbruck einen Verein, gegen den wir im Stadion spielen konnten. Was wir auch taten. Die nächste Runde bescherte uns Eisenstadt auswärts. Und dann das Heimspiel gegen die Vienna. Es schien unmöglich, den Spieltermin 26. August 1973 einhalten zu können. Der Verbandsplatz war ein Krautacker und die Wiesen um das Spielfeld herum verwuchert. Einzig und allein die Haupttribüne war einigermaßen in Schuss. Also verdonnerte ich die Arbeiter dort, dass sie „anzahn“ sollten. Damit sie nicht zur Mittagspause weggingen und wir unnötig Zeit verlieren würden, karrte ich Bier und Wurtsemmeln in großen Mengen herbei. Und Horr besorgte seinerzeit auch einige Arbeiter, die uns halfen. Es gelang, der Spieltermin konnte eingehalten werden. Unseren 4 : 1-Erfolg über die Vienna sahen damals offiziell 11.000 Zuschauer, der Platz war restlos ausverkauft.“ Dennoch sollte es abermals bis zum Mai 1982 und dem ÖFB-Cupfinale gegen Wacker Innsbruck andauern, ehe die Austria dann endgültig im zwischenzeitlich nach dem verstorbenen Franz Horr benannten Horr-Stadion heimisch wurde.
Sportzeitungen allwöchentliche Lektüre
Jeden Montag studierte Norbert Lopper die großen europäischen Sport- und Fußballzeitungen wie beispielsweise Kicker, Gazzetta dello Sport und Le Figaro. So wurde er auf aktuelle Spieler aufmerksam, von denen er sich wertvolle Verstärkungen für seine Austria versprach. Auf diese Art und Weise gelang ihm die Verpflichtung von Günter Kuntz (Vater von Stefan, DFB-Nationalspieler, Bundesliga-Torschützenkönig und heute Unter 21-Teamchef beim DFB) der zwischen 1968 und 1970 in Wien aktiv war und in diesen beiden Jahren mit der Austria zweimal Meister wurde. Vorab wollte Kuntz allerdings gar nicht kommen, da seine Frau bereits Heimweh verspürte, noch bevor der Transfer überhaupt stattfand. Aber Lopper behielt die Nerven: „Wir haben die Familie stundenlang durch Wien geführt, haben der Frau gezeigt, wo man einkaufen kann, wo es Babysachen gibt, wie gemütlich es bei uns ist …“ Aber auch der Schachzug Jahre zuvor mit dem Brasilianer Waldemar Graziano, kurz Jacare genannt, lief über seinen Telefonapparat im Café Savoy. Der pfeilschnelle Südamerikaner, der als erster dunkelhäutiger Spieler in die österreichische Bundesliga-Geschichte einging, avancierte sehr rasch zum Publikumsliebling der Violetten. Oder aber Horst Paproth aus Deutschland. Norbert Lopper überbrachte persönlich die vereinbarte Summe an den Verein SV Saar 05 Saarbrücken, ohne den Spieler jemals live spielen gesehen zu haben. Paproth stand dick unterstrichen im Notizbüchl des Deutschen Teamchefs Sepp Herberger. Dieser Umstand genügte. Gute Kontakte nach Südamerika erleichterten Lopper auch die Verträge für die beiden Top-Leute aus Uruguay – Alberto Martinez und Julio Morales. Beide stießen im Winter 1972/73 zur Austria und sahen erstmals in ihrem Leben Schnee.
Erfolge, Trophäen und Triumphe
In den 27 Jahren seiner – nennen wir es Manager-Tätigkeit – gewann der FK Austria Wien sagenhafte 20 Titel. 11 gewonnenen Meisterschaften stehen 9 Cupsiege gegenüber. Dreimal holte die Austria in dieser Zeit – 1962, 1963 und 1980 – das Double, also gewonnene Meisterschaft und Cup. Und im Europapokal erreichten die Violetten als erster österreichischer Verein 1978 das Endspiel. Im Jahr darauf, als auch 1983 stand der FAK im Europapokal-Semifinale. Und quasi zum Drüberstreuen gewannen die Veilchen unter der Sekretär-Tätigkeit von Norbert Lopper auch zehnmal die Stadthalle.
Herbert Prohaska
Zeitzeugen und Fußball-Nostalgikern fällt beim Begriff Wiener Stadthalle automatisch der Name des Jahrhundert-Austrianers Herbert „Schneckerl“ Prohaska ein. Auch für diesen Schachzug zeichnete Norbert Lopper verantwortlich. Der junge Prohaska, damals beim Unterligaklub Ostbahn XI aktiv und mit den RAPID-Funktionären quasi einig, hätte 1971 ein Grün-Weißer werden sollen. Lopper besuchte den „Schneckerl“ an seinem Arbeitsplatz und legte ihm einen unterschriftsreifen Vertrag mit einer höheren Gage, als eben die RAPID zu zahlen bereit gewesen wäre, vor. Und so landete der Ur-Simmeringer Herbert Prohaska aus der Hasenleiten bei der Austria in Favoriten. Der Rest ist Österreichische Fußball-Geschichte.
Hoch Austria, aber noch Höher Norbert Lopper
In damaliger Zeit war es gute Sitte geworden, Korrespondenzen und Briefe der violetten Freunde mit dem Gruß „HOCH AUSTRIA“ zu beenden. Und Norbert Lopper fiel eine große Last vom Herzen, als er mit Fräulein Angelika Wanek nach 15 Jahren Eigenregie im Jahre 1971 endlich eine Sekretärin zur Seite gestellt erhielt. Die beiden schupften nun den violetten Laden, der aus der Annagasse 20 kommend in die Schellinggasse 6 gezogen war. Dennoch ist es aus heutiger Sicht nach wie vor überaus bemerkenswert, dass dieser große Verein damals einzig und allein von einem kleinen Sekretariat, bestehend aus zwei Leuten betreut wurde.
Ein erfülltes Leben ging zu Ende
Als vor 5 Jahren, am 18. April 2015, Norbert Lopper im 96. Lebensjahr stehend verstarb, ging mit ihm auch ein großes Stück Geschichte des Österreichischen Fußballsports dahin. Sein Gedächtnis blieb bis zuletzt jung und er war stets und gerne bereit, aus seinem Leben, das wahrlich ereignisreich und arbeitsam war, zu erzählen. Lopper besaß auch die Begabung, eine sagenhafte Erinnerungsgabe zu besitzen. Das, was heutzutage wohl Wikipedia ist, das war Norbert Lopper als Mensch. Und zu erzählen hatte er wahrlich genug. Wir hatten einige Male die Gelegenheit mit ihm ausführlich zu plaudern. Und im Zuge dessen soll auch diese kleine Geschichte hier an Norbert Lopper erinnern. Möge er nicht nur in Frieden ruhen, sondern sein Leben und sein Tun nicht vergessen werden und somit nicht umsonst gewesen sein.
„HOCH NORBERT LOPPER„
Quelle: oepb
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