Was heute kaum noch bekannt scheint, ist jener Umstand, dass es fußballtechnisch in Linz sehr wohl begann. Der ÖFB bestritt jahrzehntelang seine Heim-Länderspiele stets und nur in Wien. Bis man im Winter 1967/68 in der Mariahilferstraße 99 im Haus des Österreichischen Fußballsport die Idee gebar, doch auch einmal mit einem Ländermatch in die Bundesländer gehen zu wollen. Linz war mit seinem begeisterungsfähigen Publikum in seiner den hohen Ansprüchen entsprechenden 16-jährigen Gugl geradezu prädestiniert dafür. Demnach fiel die Wahl auf die oberösterreichische Landeshauptstadt. Und Linz war stets ein guter Boden für die Österreichische Fußball-Nationalmannschaft. Ein Blick in den Rückspiegel bestätigt dies:
- Am 1. Mai 1968 trat die Nationalelf in ihrem 350. Ländermatch der Geschichte erstmals heimspieltechnisch außerhalb von Wien, in diesem Falle in Linz an. Anhand eines Freundschaftsspieles gegen Rumänien gab es vor 32.000 Besuchern ein 1 : 1 (Pausenstand: 0 : 1), wobei August Starek und Josef Hickersberger zu ihrem Team-Debüt kamen. Für Österreich traf der Innsbrucker Helmut Siber und als Lokalmatadoren waren Gerhard Sturmberger und Helmut Köglberger vom LASK mit von der Partie. In diesen Jahren war der LASK in Österreich eine sehr gute Adresse. Drei Jahre zuvor holte man als erster Nicht-Wiener-Verein das Double, also die Meisterschaft und den Cup-Sieg nach Oberösterreich. Linz war also heiß auf die Nationalelf und das Stadion war restlos überfüllt. Dem Slogan „In Linz beginnt´s“ wurde man damals absolut gerecht. Erst später folgten weitere ÖFB-Auftritte in Graz, Salzburg und Innsbruck. Klagenfurt kam erst anhand der neu erschaffenen EM-Arena für 2008 hinzu. In dieser Tonart ging es in Linz aber vorerst weiter.
- Am 10. Oktober 1971 gewann die Nationalelf in Linz im Rahmen der EM-Qualifikation für 1972 gegen Irland mit 6 : 0 (Pausenstand: 3 : 0). Vor 20.000 Zuschauern scorten zweimal Kurt Jara, einmal Hans Pirkner und dreimal Thomas Parits. Diesmal feierte Torhüter Adolf Antrich in Linz sein Team-Debüt. Aus Linzer Sicht war Gerhard Sturmberger (LASK) dabei sowie Rudolf Horvath (SK VÖEST Linz).
- Die Schweiz war im Rahmen eines Freundschaftsspieles am 22. September 1976 in Linz zu Gast. Österreich gewann mit 3 : 1 (Pausenstand: 0 : 0). Herbert Oberhofer kam erstmals zu Team-Ehren und ÖFB-Pressechef Ludwig Stecewicz meinte vor dem Match, mit 15.000 Besuchern zufrieden zu sein. Allein im Vorverkauf gingen allerdings bereits 16.000 Karten weg, beim Anstoß war die Gugl mit 22.000 Besuchern äußerst gut gefüllt. Viele Anrainer riefen empört nach der Polizei, da zahlreiche Stadion-Pilger durch die umliegenden Gärten turnten, um sich somit Gratis-Zutritt in die damals noch sehr weitläufig wirkende Beton-Schüssel zu verschaffen. Helmut Köglberger vom LASK war dabei und traf zum zwischenzeitlichen 2 : 0. Willi Kreuz, damals für Feyenoord Rotterdam unter Vertrag und zwei Jahre später vom SK VÖEST Linz verpflichtet, erzielte das dritte Tor aus einem Elfmeter. Ein lustiges Detail am Rande: Josef Schuligoj, Hauptkassier des SK VÖEST Linz wurde mit seinem Team vom ÖFB für den Kartenverkauf und die darauffolgende Abrechnung gechartert, wunderte sich über die seiner Ansicht nach gelebte Blauäugigkeit beim Fußball-Verband. Kein einziger Polizist war zu sehen, als im kleinen Kassen-Kämmerlein im Bereich des Stehplatz-Eingangs zur Abrechnung geschritten wurde. Da lagen Münzen und Scheine unzähligen Ausmaßes auf dem Tisch und niemand bewachte die gut 1,1 Million Schilling ausmachende Einnahme-Quelle. „Die beim ÖFB glauben wahrscheinlich, wir haben ohnehin einen gut funktionierenden Werksschutz. Bloß ist dieser, wie der Name schon sagt, im Werk und nicht hier. Also bildeten wir mit unseren SK VÖEST-Ordnern einen Kordon, damit niemand auf dumme Gedanken kommt.“, so der SK VÖEST-Hauptkassier Josef Schuligoj. Die Begeisterung damals war dermaßen groß, dass Leuchtraketen in den Nachthimmel geschossen wurden und drei leere Bierflaschen auf der Laufbahn im Stadioninnenraum gelandet sind – Gott Lob ohne Konsequenzen für die Austragung des Spiels. Der ORF strahlte seinerzeit keine Direktübertragung aus Linz aus, man führte dies auf die fehlende Farbtüchtigkeit der Flutlichtanlage zurück.
- Ein Kuriosum ereignete sich am 10. April 1977. Eine ÖFB-Auswahl traf in Linz freundschaftlich auf den SC Fortuna Köln. Deutschland-Legionär Roland Hattenberger, eine Stütze der Österreichischen Nationalmannschaft musste allerdings gegen seine ÖFB-Kollegen antreten, da ihn sein Arbeitgeber Fortuna-Präsident Jean Löring erst nach dem Testspiel frei gab. Löring verwies auf ein diesbezüglich unterfertigtes Papier der ÖFB-Granden und war somit im Recht. Also kickte der Tiroler Hattenberger im Dress der rheinischen Fortuna aus Köln gegen Österreich und war beim 1 : 1 vor 3.000 Besuchern der beste Mann auf dem Platz.
- Es folgte ein Team-Probespiel gegen SG Eintracht Frankfurt. Am 25. Mai 1978 gewann die ÖFB-Auswahl unmittelbar vor der Abreise zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Argentinien gegen die Hessen mit 2 : 0 (Pausenstand: 1 : 0) 17.000 (!!!) begeisterte Besucher bejubelten Treffer vonWilli Kreuz und Herbert Prohaska. Die SK VÖEST-Spieler Erwin Fuchsbichler und Gerhard Breitenberger kamen spielerisch zum Zug und standen gleichzeitig im Aufgebot für Südamerika. Teamchef Helmut Senekowitsch war mit der Leistung der Nationalmannschaft zufrieden, da voll gespielt wurde. Und auch Dettmar Cramer, Coach der Eintracht, zollte den Österreichern Lob: „Die Mannschaft ist für eine Überraschung in Argentinien gut. Ich muss vor allem ihre hervorragende Kondition anerkennen.“ Tags darauf hob der gesamte ÖFB-Tross aus Wien-Schwechat in Richtung Südamerika ab. Der 7. Platz am Ende bedeutete für die ÖFB-Auswahl ein sehr gutes Ergebnis, das Österreich vor allen Dingen nach dem 3 : 2-Erfolg in Cordoba über den regierenden Weltmeister Deutschland in große Euphorie versetzte.
- Am 17. Juni 1981 war Finnland im Zuge der WM-Qualifikation für 1982 zu Gast in Linz. Diesmal bevölkerten 26.000 lautstarke Stadion-Pilger die Linzer Gugl und bejubelten einen 5 : 1-Erfolg (Pausenstand: 2 : 0). Es trafen zweimal Herbert Prohaska (zum 1 : 0 mit einem sehenswerten Seitfallzieher), Hans Krankl, Kurt Welzl und Gernot Jurtin für Österreich. Willi Kreuz, zu dieser Zeit Publikumsliebling beim SK VÖEST Linz, absolvierte sein 56. und gleichzeitig letztes Länderspiel für Österreich. Mit Hans-Dieter Mirnegg stand ein weiterer Ex-SK VÖEST-Spieler im ÖFB-Aufgebot.
- Am 16. Oktober 1985 wurde das Stadion im Rahmen eines Freundschaftsspieles gegen Jugoslawien nach einer einjährigen Umbauarbeit bei laufendem Betrieb wieder eingeweiht. ÖFB-Präsident Beppo Mauhart meinte unter anderem dazu: „In Linz beginnt´s. Ein Satz, der sehr treffend die dieser Stadt innewohnende Dynamik und Aufgeschlossenheit charakterisiert. In Linz beginnt´s aber auch für den österreichischen Fußball. Unsere Nationalmannschaft steht vor einem Neubeginn. Obwohl es nicht leicht sein wird, den Weg zurück zur Europaspitze zu finden, bin ich zuversichtlich, dass mit diesem Länderspiel ein guter Start gelingen wird. Einmal mehr, weil das großzügig renovierte Linzer Stadion eine prachtvolle Kulisse abgibt und hier ein phantastisches Publikum existiert, und zum anderen, weil unser Team in bisher vier Spielen auf der Gugl noch nie besiegt werden konnte …“ Nun, gegen bärenstarke Jugoslawen hatte Österreich nicht den Funken einer Chance und verlor sang- und klanglos mit 0 : 3 (Pausenstand: 0 : 2) Die Kuriosität am Rande des Spiels vor 15.000 Besuchern war, dass mit Marko Elsner im Dress der Jugoslawen just der Sohn des damaligen ÖFB-Teamchefs Branko Elsner quasi gegen seinen Vater spielte. Michael Konsel, Gerhard Rodax und Manfred Linzmaier trugen erstmals den ÖFB-Adler auf der Brust. Aus Linzer Sicht stand kein Spieler im ÖFB-Aufgebot. Als lokaler Held hätte LASK–Keeper Klaus Lindenberger agieren sollen, dieser musste jedoch verletzungsbedingt passen. In späterer Folge brachte er es auf 41 Länderspiele. Und im Gästesektor beobachteten die zwei SK VÖEST Linz-Legionäre Frane Poparic und Milomir Odovic das Spielgeschehen ihrer Landsleute. Aus Respekt zu ihrem österreichischen Arbeitgeber wurden die Treffer jedoch nicht beklatscht.
- Am 31. August 1988 kam es zum freundschaftlichen Aufeinandertreffen mit dem Erbfeind Ungarn. Ein Länderspiel, das in früheren Jahren wohl nie außerhalb von Wien ausgetragen worden wäre, da in der Bundeshauptstadt gegen das Kronland oftmals ein volles Haus garantiert war. Die Begegnung endete vor 12.000 Besuchern mit einem 0 : 0. Und auch hier gibt es eine Anekdote. Zahlreiche Besucher forderten in lautstarken Sprechchören vehement den SK Vorwärts Steyr-Publikumsliebling Daniel Madlener. Teamchef Josef Hickersberger brachte den Vorarlberger jedoch erst ab der 85. Minute. Kurz zuvor wurde Toni Polster nach einem Foul an ihm im Strafraum im Zuge der Ausübung des Elfmeters dermaßen gnadenlos ausgepfiffen, dass der Schütze ganz aus dem Häuschen das Leder nur an die linke Torstange knallte. Warum Linz damals Toni Polster und dem Nationalteam samt Debütanten Gerald Glatzmayer derartig feindselig gegenüberstand, konnte nicht festgestellt werden.
- Vier Jahre später stieg erneut ein freundschaftlicher Länderkampf. Am 2. September 1992 gastierte Portugal auf der Gugl. Roman Mählich feierte sein Team-Debüt. Der von seinem Krebsleiden bereits schwer gezeichnete Teamchef Ernst Happel genoss das Linzer Gastspiel sichtlich, gab geduldig Interviews, erfüllte jedweden Autogrammwunsch und setzte auf den damaligen LASK-Stürmer Andreas Ogris von Beginn an als Team-Kapitän. Die Begegnung endete freundschaftlich 1 : 1 (Pausenstand: 1 : 0) Toni Polster wurde diesmal anhand seines Treffers überschwänglich bejubelt. Und ÖFB-General Alfred „Gigi“ Ludwig meinte vor dem Spiel: „Wenn wir 21.000 zahlende Zuschauer haben, gebe ich ein Fest.“ Aus Sicherheitsgründen wurden so viele Karten aufgelegt, geworden sind es letztendlich 14.000 Besucher.
- Wiederum zwei Jahre später gastierte erneut Ungarn in Linz. Man trennte sich am 23. März 1994 vor 15.000 Zuschauern von den Magyaren neuerlich Remis, diesmal mit 1 : 1 (Pausenstand: 0 : 0) Heimo Pfeifenberger war Österreichs Torschütze gewesen. Da das Spiel von LASK-Präsident Otto Jungbauer finanziell begleitet wurde, zog dieser Umstand einen Stimmungsboykott der SK VÖEST Linz-Fans nach sich. Darüber hinaus gab es gleich vier Rote Karten – drei bei den Ungarn, eine auf der Seite Österreichs – zu bestaunen. Ein Freundschaftsspiel sieht wahrlich anders aus.
- Am 18. März 1997 traf Österreich im Zuge eines neuerlichen Freundschaftsspieles und dem ersten Länderkampf überhaupt in der Geschichte auf Slowenien. Was folgte war jedoch ein schlechtes Match. 14.500 Zuschauer erlebten eine lustlos agierende Nationalmannschaft, die mit 0 : 2 verlor. Goran Kartalija vom LASK war mit von der Partie.
- Und last but not least schloss sich dieser illustre Kreis am 14. November 2012. Just zum 20. Todestag von Ernst Happel und nach 15 Jahren Pause lud der ÖFB wieder einmal zu einem – dem letzten – Länderspiel nach Linz, Gegner war die Elfenbeinküste. Das Linzer Stadion war zuvor einer kompletten Frischzellenkur unterzogen und um über 30 Millionen Euro generalüberholt worden. Die Gugl wurde dabei merklich verkleinert und bot lediglich 14.000 Besuchern Platz. Die waren auch an jenem Abend da und erlebten einen ungefährdeten Erfolg von Didier Drogba und Co. 3 : 0 für die Ivorer lautete der Endstand.
In der Raiffeisen Arena Linz, die nun als neu erschaffene Heimspielstätte des LASK auf den alten Wurzeln des einstigen Linzer Stadions auf der Gugl steht, beginnt jetzt mit den Länderspielen in der EM-Qualifikation am Freitag, 24. März 2023 gegen Aserbaidschan und gegen Estland am Montag, 27. März 2023 eine neue Zeitrechnung. Die Geschichte allerdings bleibt lebendig und es liegt an den aktuellen Teamspielern der Gegenwart, den Versuch zu starten, an große Tage aus längst vergangenen Zeiten hier erneut anzuknüpfen.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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