Die Österreichische Fußball-Nationalmannschaft verlor gestern Abend im Wiener Ernst Happel-Stadion vor 26.700 Zuschauern gegen die Türkei einen freundschaftlichen Länder-Kampf mit 1 : 2 – Pausenstand 1 : 0. Die Gesamt-Bilanz Österreichs gegen die Türken ist somit noch knapp positiv: 8 Siege, 1 Unentschieden und 7 Niederlagen, Torverhältnis 18 : 22.
Dies alles sollte in Anbetracht des derzeit vorherrschenden Booms, der um die Nationalmannschaft bestellt ist, kein Beinbruch sein. Dennoch nützte man die gestrige Spielbeobachtung dazu, um ein wenig über den Teller-Rand zu blicken.
Im Zeitalter von Menschen auf der Flucht, sich verschiebenden Grenzen und Asylwerbern aus aller Herren Länder stellt Österreich heutzutage wieder jenen Vielvölkerstaat dar, der bereits in der Habsburger-Monarchie „Österreich-Ungarn“ gegeben war. Nur wohlweislich mit dem Unterschied versehen, dass die Bevölkerung damals stolz auf das Hause Habsburg war und mit und für ihren Kaiser durch dick und dünn gegangen ist. Das kleine und anhand unserer heutigen Grenzen bekannte „Der Rest ist Österreich / Vertrag von St. Germain“ existierende Land besteht seit 1919 und bringt für viele Menschen zwar Heimat und Wohlstand mit sich, Stolz und Frohsinn, hier leben zu können, dem Vernehmen nach jedoch nicht.
Nationalstolz – ein Begriff, der vielen Mitmenschen sauer aufstößt. Wenn unsereins in andere Länder reist und dort die jeweiligen Flaggen sieht – sei es an öffentlichen oder privaten Gebäuden, in Gärten, an Straßen und dergleichen, gefällt uns das. Wenn wir in Österreich Fahnen hissen und Schrebergärten beflaggt sind, dann gelten diejenigen, die das tun als vollkommene Idioten oder noch schlimmer, als „ewig Gestrige“. Wobei diejenigen, die dagegen sind und auch am lautesten schreien, am leisesten in der Begründung hiefür sind.
Mit dem Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren kamen die Gastarbeiter ins Land. Die ersten waren Jugoslawen, nach ihnen kamen schon die Türken. Gemeinsam wurde dieses Land wieder aufgebaut. Was jedoch nie funktioniert hatte, war der heute allgegenwärtige Begriff „Integration“. Die Fremdarbeiter fühlten sich hier nie ganz zu Hause, blieben vermehrt unter sich und schwenkten stolz ihre Fähnchen, wenn ihr Land gegen Österreich Fußball spielte.
In früheren Zeiten wäre es schier undenkbar gewesen, dass Fußballer, die nicht aus Österreich stammten, für Rot-Weiß-Rot auflaufen. Der erste, der diese Phalanx durchbrach war Ivica Vastic, ein gebürtiger Kroate aus Split, der 1991 in Wien aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg kommend beim First Vienna FC anheuerte. Der gelernte Schiffsbauer „Ivo“ Vastic machte als Fußballer Karriere und wurde als späterer Österreicher auch in die Nationalmannschaft berufen. 50mal trug er den Österreichischen Adler auf der Brust. Das, was man von ihm jedoch nie hörte, war ein Mitsingen anhand der Bundeshymne.
Verständlich!?
Was wurde hierzulande früher gejammert, als es immer wieder hieß, dass die Krankls, Prohaskas und Polsters nicht singen können. Nun, sie waren keine Sängerknaben, dafür aber Fußballer mit Leib und Seele. Und Österreicher, auf die die Nation stolz war. Für diese Generation war es selbstverständlich, anhand der Bundeshymne vor den diversen Länderspielen lauthals mitzuträllern. Die Tonlage stimmte zwar nicht immer zwingend, aber die Herren waren textsicher.
Heutzutage bildet sich ein Gruppenbild aus Stein, wenn die Hymnen vor den Länderspielen erschallen. Weniger als die Hälfte der Nationalspieler bewegte gestern Abend die Lippen. Sei es, weil man sich nicht sicher ist, ob es nun „großer Söhne / große Töchter“ – die ultimative Alternative dazu wäre „große Kinder“ – heißt, weil man sich als „nicht singen können“ geniert oder weil es einem einfach einerlei ist. Diese Frage bleibt in Anbetracht an unsere Nationalmannschaft, zum Großteil aus Aktiven mit Migrationshintergrund bestehend, im Raume stehen. Einzig und allein der gebürtige Serbe, Zlatko Junuzovic, der spätere Torschütze zum 1 : 0, sang inbrünstig die Hymne mit den hier Geborenen mit.
Die Türken standen zweimal vor Wien. Am 22. September des Jahres 1529 erschien das Hauptheer der Türken unter Sultan Süleymann II. vor Wien. 120.000 Belagerern stehen 22.000 Mann mit 100 Geschützen gegenüber. Am 14. Oktober 1529 ging eine gewaltige Mine beim Kärntner Tor hoch und riss eine 80 Meter breite Lücke in die Stadtmauer. In einem erbitterten Kampf Mann gegen Mann konnte Graf Niklas Salm, der anhand der Kämpfe schwer verwundet wurde, den Angriff der Türken abwehren. Sultan Süleymann zog unverrichteter Dinge wieder ab.
Am 14. Juli 1683 stand neuerlich ein türkisches Heer, angeführt von Großwesir Kara Mustapha vor Wien. Diesmal sind es 300.000 Mann, die am 15. Juli 1683 beginnen, das Umland von Wien zu verwüsten und somit die Versorgung der Stadt komplett abzuschneiden. Von 25. Juli bis 5. August 1683 sind 60.000 Bewohner Wiens unter Bürgermeister Andreas Liebenberg komplett von der Aussenwelt abgeschnitten. Nahrung und Munition gingen rasch zur Neige, die Ruhr brach aus und die Löwelbastei konnte nur unter größter Anstrengung gehalten werden. Am 9. September fällt Bürgermeister Liebenberg. Am 11. September 1683 hatte das Entsatzheer den Kahlenberg erreicht. Nach einer Messe in der Georgskapelle auf dem Leopoldsberg beginnt ein blutiges Gemetzel. In drei Heeressäulen stößt das Entsatzheer die Abhänge hinunter auf Wien. Besonders umkämpft ist die Türkenschanze. Die eigentliche Schlacht dauert von Mittag bis zum frühen Nachmittag. Gegen 16 Uhr blasen die Türken zum Rückzug und fliehen. Die Sichtung am 13. September 1683 ergab, dass die Türken neben 10.000 Mann auch 300 Geschütze und 15.000 Zelte verloren hatten. Unmengen an Kriegsmaterial blieben vor Wien liegen. Die verbündeten Truppen verzeichnen 2.000 Gefallene. König Johann Sobieski von Polen zieht als Befreier von Wien in der Stadt ein.
Es muss wirklich nichts bedeuten, aber Ramazan Özcan, österreichischer Teamtorhüter mit türkischen Wurzeln ist der einzige Spieler, der vor der Begegnung vom Türken-Trainer Fatih Terim per Handschlag begrüßt wird. Es bleibt nur ein sehr fader Nachgeschmack im Raume stehen, wenn genau dieser Spieler in der 56. Spielminute einen Spielentscheidenden Fehler begeht und er Arda Turan die Kugel quasi auf einem Silber-Tablett serviert, sodass dieser lediglich den Ball ins leere Tor lupfen muss. Österreich vergeigte die Partie mit 1 : 2. Eine Niederlage, die mehr als nur unnötig war.
Der polnische Schiedsrichter Pawel Gil ließ sich gestern Abend in die Suppe spucken und tolerierte das langatmige und immerwährende Spiel-Verschleppen der türkischen Elf. Er wollte partout bei diesem Freundschaftsspiel das Nicht-Spielen der Türken nicht ahnden.
Interessantes Detail am Rande war auch, dass ORF-Co-Analytiker Peter Hackmair in Gedanken von einem Nationalstadion palaverte. Damit springt er auf den fahrenden Zug der größten „kleinformatigen“ Tageszeitung des Landes auf, denn auch dort wird vom „Ressortleiter Sport“ permanent ein Österreichisches Fußball-Nationalstadion gefordert. Ideal zum derzeitigen Zeitpunkt „250 Jahre Wiener Prater“. Das 1931 erbaute Praterstadion, 1986 und 2008 generalsaniert, einfach planieren und im gleichen Atemzug auch den knapp 800jährigen „Steffl“ wegräumen. Wer braucht heute bitteschön noch einen Stephansdom? Die Christen sterben ohnehin aus und Muslime halten allerorts Einzug. Und – es ist nicht weiter verwunderlich, wenn 7.000 türkische „Schlachtenbummler“ in perfektem Österreichisch lautstark „Auf Wiedersehen“ scandieren.
Sic transit gloria mundi!