Briefe aus der Exilkorrespondenz Stefan Herz-Kestraneks. Foto: © Österreichische Nationalbibliothek

Die noch erhaltenen Teile des schriftlichen Familiennachlasses der österreichischen Industriellenfamilien Herz und Kestranek befinden sich seit kurzem in der Österreichischen Nationalbibliothek. Der umfangreiche Nachlass wurde von Miguel Herz-Kestranek bewahrt und ergänzt nun die Bestände der Nationalbibliothek zur österreichischen Geschichte der Jahrhundertwende und der Zeit der beiden Weltkriege.

Die facettenreiche Geschichte der Familien Herz und Kestranek wird in der Sammlung von Handschriften und alten Drucken durch vielfältige Objekte wie Briefe, Fotografien, Gäste- und Tagebücher und Werke verschiedener Familienmitglieder festgehalten und erforschbar gemacht. Seit 2018 kam der Nachlass zu einem großen Teil durch Schenkungen Miguel Herz-Kestraneks etappenweise in die Österreichische Nationalbibliothek. Er umfasst inzwischen mehr als 10.000 Schriftstücke und Dokumente.
 
Der bekannte österreichische Schauspieler und Buchautor Miguel Herz-Kestranek entstammt einer Industriellen- und Künstlerfamilie des ehemaligen jüdischen Wiener Großbürgertums. Die Familie brachte zur Zeit der Jahrhundertwende neben bedeutenden österreichischen Industriellen auch Bischöfe, Kunstschaffende und Philosophen hervor.

Eugen Herz, der sich in seiner Jugend auch als Schauspieler versuchte, zeigt verschiedene Figuren. Foto: © Österreichische Nationalbibliothek


Aus dem nun in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrten Nachlass ist ein Album mit Glückwunschtelegrammen besonders hervorzuheben, welches das Ehepaar Ida und Eugen Herz, Großeltern von Miguel Herz-Kestranek, nach der Hochzeit zusammenstellte. Es umfasst über 400 Telegramme zu deren Hochzeit am 14. März 1908 in der Wiener Minoritenkirche. Das ledergebundene Album mit Goldschnitt ist Ausdruck der dauerhaften Wertschätzung des Ehepaares für die Glückwünsche aus dem Freundeskreis. Zu den Gratulanten gehörten namhafte Persönlichkeiten wie Adele und Ferdinand Bloch-Bauer, Max Devrient, Karl und Leopoldine Wittgenstein, Alfred Grünfeld und Anna Sacher.
 
Einen wichtigen Bestandteil des Familiennachlasses stellt auch die Exilkorrespondenz Stefan Herz-Kestraneks mit seinen Eltern Ida und Eugen dar, die dieser von 1938 bis zum Erliegen des Postverkehrs zwischen Südamerika und Europa im Herbst 1942 in die Heimat sandte. Wenige Monate nach der Flucht beschreibt er den Eltern in einem Brief seine neue Lebenswelt, die trotz vieler Ortswechsel für Jahre die gleiche bleiben wird, nämlich „eine Welt die niemand verstehen kann, der nicht in ihr gelebt hat, eben die Welt des Emigranten, die Welt des Heimatlosen, des ganz auf sich allein Angewiesenen.“

Album mit Glückwunschtelegrammen zur Hochzeit von Ida und Eugen Herz. Foto: © Österreichische Nationalbibliothek


Wichtiger Angelpunkt der durch den Nachlass dokumentierten Familiengeschichte ist die 1911 verstorbene jüdische Urgroßmutter Miguel Herz-Kestraneks, Caroline Frankl. Ihre beiden Söhne Wilhelm und Hans Kestranek strebten unterschiedliche Karrieren in Industrie und Kunst an, während die älteste Tochter Jenny in die berühmte Familie Kupelwieser einheiratete und die jüngste Tochter Ida Frau des Industriellen Eugen Herz wurde. Wilhelm war als Vertrauter Karl Wittgensteins dessen Nachfolger als Zentraldirektor der Prager Eisenindustrie-Gesellschaft, initiierte als Kunstmäzen unter anderem die Wiener Festwochen und gehörte zum Förderkreis zur Errichtung des Mozarteum-Gebäudes in Salzburg. Währenddessen zog es Hans Kestranek in die Kunst und zur Philosophie: er verfasste eine der ersten Interpretationen zu Ludwig Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus. Als Mitschüler und Freund Hugo von Hofmannsthals, absolvierte er eine Architektenausbildung bei Otto Wagner und verfügte als Maler über eine Kopieerlaubnis zum Beispiel im Madrider Prado.

Quelle: Österreichische Nationalbibliothek

www.onb.ac.at

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