Vor 50 Jahren – am Dienstag, 5. September 1972 – hielt die Welt den Atem an! In München liefen seit der Eröffnungsfeier vom 26. August die XX. Olympischen Sommerspiele und zahlreiche Sportlerinnen und Sportler aus aller Herren Länder waren zu Gast im weiß-blauen Freistaat Bayern. München wollte mit genau dieser Olympiade von 1972 die „Olympischen Spiele von Berlin 1936“, die als symbolträchtige Nazi-Propaganda rund um Adolf Hitler in die Geschichte eingegangen waren, vergessen machen.
Wichtigste Bauten des 20. Jahrhunderts samt berühmtestem Dach der Welt
Der Münchner Stadtrat beschloss im Jahre 1965 die Olympia-Bewerbung. Und München, damals als „heimliche Hauptstadt Deutschlands“ geltend – in Wahrheit war dies Bonn – setzte sich gegenüber den Mitbewerbern aus Detroit (USA), Madrid (Spanien) und Montreal (Kanada) im zweiten Wahlgang durch. Plante man nach dem Zuschlag vorerst noch mit einem Stadion für 100.000 Besucher, gingen die Überlegungen 1968 in eine architektonisch völlig andere Richtung. Der Designer und Architekt Prof. Frei Paul Otto hatte die Idee zum „berühmtesten Dach der Welt“. Die aus der Norm gefallene überdimensionale Zeltdachkonstruktion wurde gegenüber Kritikern mit den Worten verteidigt, wenn nicht ein Staate wie Deutschland hergeht und einmal ästhetisch und auch technisch völlig neue Wege beschreitet, wer bitteschön sollte es dann sonst tun? Und Architekt Prof. Günter Behnisch ergänzte: „Diese Zeltlandschaft, den gesamten Münchner Olympiapark überspannend, ist eine Geste. Die durch Ankerblöcke gesicherten Spannseile und Tragschleifen, die an Masten hängende Membrankonstruktion, legen über das Stadion die Allgegenwart einer Aufbruchstimmung in ganz Deutschland.“
Dreijährige Bauzeit für Olympia
Am 9. Juni 1969 erfolgte der Spatenstich. Das beinahe kreisrunde Olympiastadion war zu zwei Dritteln ein Erdstadion und zu einem Drittel ein Hochbau. Von den zugelassenen knapp 78.000 Plätzen befanden sich gut die Hälfte davon unter dem Zeltdach, das sich architektonisch einwandfrei auch über die Olympiahalle und die Schwimmhalle hinweg zog. Die Kosten beliefen sich auf 137 Millionen Deutsche Mark, allein 55 Millionen DM davon verschlang die aufwendige Dachkonstruktion. Die neun aneinandergereihten Acrylglas-Dachflächen hielten knapp 30 Jahre sämtlichen witterungsbedingten Stürmen stand und wurden im Jahre 2000 komplett erneuert. Der STAHLBAU LINZ der VÖEST, und damit sind wir neben den Athletinnen und Athleten beim Österreich-Bezug, lieferte für das Stadion die riesigen Rohrmaste und half anhand zahlreicher Monteure mit, den engen Zeitplan pünktlich erfüllen zu können. Mit dem Länderspiel Deutschland gegen die Sowjetunion (4 : 1) fand am 26. Mai 1972 die Olympiastadion München-Eröffnung vor knapp 80.000 Zuschauern planmäßig statt.
Sommer-Olympiade 1972 in München
Abermals 80.000 Besucher strömten drei Monate später, am 26. August 1972 zur Eröffnungsfeier ins Olympiastadion auf das Oberwiesenfeld in den Stadtteil Milbertshofen und es war beispielhaft, dass zahlreiche Straßennamen im Olympiapark ein neues und ein anderes Deutschland präsentierten. Der Kusoczinskidamm war dem im Widerstand gegen die Nationalsozialisten umgekommenen polnischen Olympiasieger über 10.000 m von 1932 gewidmet. Der Werner Seelenbinder-Ring erinnerte an den in der NS-Zeit hingerichteten Olympiaringer und kommunistischen Widerstandskämpfer. An die Fecht-Olympiasiegerin von 1928, die Halb-Jüdin Helene Mayer wurde ebenso erinnert, wie an den Läufer Rudolf Harbig und den Weitspringer Luz Long, beide gefallen im Zweiten Weltkrieg. Alles schien friedlich, bunt und heiter. München war der perfekte Gastgeber und die Sportlerinnern und Sportler fühlten sich in ihrem eigens für diese Olympiade errichteten Olympischen Dorf sehr wohl.
Die Keule des Terrors
Die Spiele verliefen planmäßig. Bis zu jenem 5. September 1972, an dem ein unvorhergesehener, abscheulicher und grausamer Akt die völkerverbindende sportliche Großveranstaltung erschütterte. Morgens, um 04:10 Uhr überfielen arabische Terroristen – sie nannten sich „Gruppe Schwarzer September“ – das Quartier der israelischen Olympiamannschaft im Olympischen Dorf, töteten dabei zwei Sportler und hielten weitere neun Aktive als Geiseln gefangen. Die Terroristen forderten die Freilassung von über 230 Gesinnungsgenossen, die als Häflinge in israelischen Gefängnissen einsaßen und drohten zugleich, alle Geiseln zu erschießen, sollte man ihren gestellten Forderungen nicht augenblicklich nachkommen. Als erstes Ultimatum setzten sie 12 Uhr Mittag an. Diese Frist wurde jedoch im Laufe des Tages immer wieder nach hinten korrigiert.
Das Spiel fällt aus
40.000 Zuschauer befanden sich tagsüber bereits im Olympiastadion und Zehntausende waren auf dem Weg dorthin, als es plötzlich am frühen Nachmittag hieß: „Das Spiel fällt aus!“ Nach dem morgendlichen Anschlag im Olympischen Dorf gab der BR / Bayerische Rundfunk bekannt: „Anreisende werden gebeten, zu beachten, dass die Olympischen Spiele nun unterbrochen sind. Das Fußballspiel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ungarn findet heute nicht statt!“ Als sich beide Teams etwa 15 Minuten vor Spielbeginn warmliefen, ertönte über die Stadion-Lautsprecher die Durchsage: „Das heutige Spiel fällt aus!“ Stumm und gesittet zogen die Zuschauer-Massen wieder ab, offenbar verständnisvoller als der stellvertretende DFB-Delegationsleiter Alwin Riemke, der meinte: „Wenn die Zuschauer bereits im Stadion sind, dann hat doch die Veranstaltung für mich bereits begonnen. Was soll denn das?“ Unterdessen versuchten Unterhändler mit den Arabern zu verhandeln. Um 22.20 Uhr hoben drei Hubschrauber, in zwei davon saßen die Geiselnehmer und die Geiseln, in München ab. Ihr Ziel war der Militärflugplatz in Fürstenfeldbruck. Von dort aus wollten die Terroristen Deutschland verlassen. Die Polizei hoffte, in Fürstenfeldbruck die Geiseln befreien zu können. Walther Tröger, damals 43-jähriger Bürgermeister des Olympischen Dorfes, erinnerte sich Jahre später noch an seine Verhandlungen mit „Issa“, dem „Sprecher“ der Terroristen: „Selbst, wenn wir Wachen gehabt hätten, diese Leute waren nicht aufzuhalten. Unterhändler Issa meinte zu mir, dass er das ohnehin nicht überleben wird, egal wie es ausgeht. Das waren damals schon die Vorgänger der späteren Selbstmordattentäter.“
Schaufenster Olympia
„Issa bestätigte mir mehr als nur einmal, dass sie (gemeint sind die Terroristen) nur das Schaufenster Olympia interessiere. Ein solches Schaufenster werde es so rasch nicht mehr geben und sie sind bereit, bis zum Äußersten zu gehen.“, so Walther Tröger weiter. Um 01.30 Uhr am 6. September 1972 am Militärflugplatz in Fürstenfeldbruck eskalierte die Lage. Präzisionsschützen der Polizei eröffneten das Feuer. Nach einem stundenlangen Schusswechsel sind alle Geiseln tot, ebenso ein Deutscher Polizist. Fünf der acht Geiselnehmer wurden ebenfalls erschossen.
Ursprung des Terrors
Bis heute gilt der 5. September 1972 von München als die Geburtsstunde des internationalen Terrors. Es war zwar nicht der erste Anschlag, aber erstmals wurde via Fernsehen und Radio live davon berichtet und man wurde Augenzeuge von sinnlosen Morden an unbeteiligten Menschen. Die Bundesrepublik Deutschland gründete noch im gleichen Monat die Antiterror-Einheit GSG 9 des Bundesgrenzschutzes, heute zugehörig zur Bundespolizei. Und sah sich von da an vermehrt mit den heimtückischen Anschlägen der RAF in den 1970er und 1980er Jahren konfrontiert. Die Olympischen Sommerspiele 1972 wurden nach einer Trauerfeier um 10 Uhr am 6. September wieder fortgesetzt. Das Olympische Komitee beschloss – im Einvernehmen mit dem Staate Israel – „The Show must go on!“ Die Spiele wurden demnach nach einer eintägigen Unterbrechung bis zu ihrem Ende am 11. September 1972 fortgesetzt. „Eine Handvoll Terroristen können nicht den Kern der internationalen Zusammenarbeit und den guten Willen, den die Olympischen Spiele verkörpern, zerstören.“, so Avery Brundage, Präsident des IOC / Internationales Olympischen Komitee.
Die Namen der getöteten Geiseln
David Mark Berger, Gewichtheber, 28 Jahre
Ze´ev Friedmann, Gewichtheber, 28 Jahre
Yossef Gutfreund, Kampfrichter, 40 Jahre
Eliezer Halfin, Ringer, 24 Jahre
Josef Romano, Gewichtheber, 32 Jahre
Amitzur Schapira, Leichtathletiktrainer, 40 Jahre
Kehat Shorr, Sportschützentrainer, 53 Jahre
Mark Slavin, Ringer, 18 Jahre
André Spitzer, Fechttrainer, 27 Jahre
Yakov Springer, Kampfrichter, 51 Jahre
Mosche Weinberg, Ringertrainer, 32 Jahre
Quelle: Redaktion www.oepb.at