Hertha Kräftner (1928-1951) gilt als eines der großen literarischen Talente der Nachkriegszeit, auch, wenn ihr Werk durch ihren frühen Freitod unvollendet geblieben ist. Vor kurzem übernahm die Österreichische Nationalbibliothek www.onb.ac.at einen wertvollen Bestand aus Privatbesitz, der das gesamte literarische Werk der Autorin umfasst. Er enthält außerdem ihre Tagebücher und Briefwechsel, sowie ein großes Konvolut mit Vorlesungsmitschriften ihres Germanistik- und Anglistikstudiums.
Bildtext: Autograf des Gedichts „An Anatol“ aus den späten 1940er Jahren . Foto: Österreichische Nationalbibliothek
Die 1928 in Wien geborene und im burgenländischen Mattersburg aufgewachsene Hertha Kräftner begann schon in ihrer Schulzeit mit dem Schreiben. Das zentrale Erlebnis ihrer Jugend war der Tod ihres Vaters, der 1945 nach einer Auseinandersetzung mit einem russischen Soldaten starb. Dieser gewaltsame Tod beeinflusste sowohl ihre psychische Verfassung, als auch ihr literarisches Schaffen nachhaltig.
Hermann Hakel erkannte ihre literarische Begabung und veröffentlichte 1948 das Gedicht „Einem Straßengeiger“ in seiner Zeitschrift „Lynkeus“. Das war Kräftners Einzug in die literarischen Kreise des Nachkriegs-Wien. 1949 begann sie, neben der Lyrik Prosatexte zu schreiben, arbeitete an ihrer Dissertation zum Thema „Die Stilprinzipien des Surrealismus, nachgewiesen an Franz Kafka“ und reiste nach Norwegen. Aus dieser Sommerreise heraus entstanden ihre ersten Tagebucheinträge, in denen das immerwährende Gefühl der Einsamkeit und der steten Traurigkeit unschwer zu erkennen sind.
1950 machte sie Viktor E. Frankl, der ebenfalls einen großen Einfluss auf sie ausübte, mit dem Kreis um Hans Weigel im Café Raimund vertraut. Hans Weigel war es auch, der sie „Selbstmörderin auf Urlaub“ nannte. In diesem literarischen Zirkel sprach und korrespondierte sie mit Schriftstellern wie H.C. Artmann, Gerhard Fritsch, Friederike Mayröcker, Jeannie Ebner und Andreas Okopenko, die in der Zeitschrift „Neue Wege“ publizierten. Im selben Jahr begann sie auch, Szenen aus dem Alltagsleben und damit die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit ins Zentrum ihrer Lyrik zu stellen. Ein Kurzbesuch in Paris veranlasste sie, das „Pariser Tagebuch“ zu schreiben, welches wenig später mit dem Prosapreis der „Neuen Wege“ ausgezeichnet wurde.
In ihrem Todesjahr 1951 entstanden hauptsächlich kürzere Prosatexte und einige Gedichte, die oft ihre schwere Depression zum Inhalt hatten. Zugleich arbeitete sie an den „Notizen zu einem Roman in Ich-Form“. Schlussendlich konnten sie aber weder ihre schriftstellerischen Erfolge, noch die Anerkennung ihrer Literaturkollegen davon abbringen, sich mit nur 23 Jahren das Leben zu nehmen: Hertha Kräftner starb an einer Überdosis des Schlafmittels Veronal.