Als eine der weltweit ersten Nationalbibliotheken macht die Österreichische Nationalbibliothek ihren kompletten historischen Buchbestand vom Beginn des 16. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nun online zugänglich. Das zukunftsweisende Projekt Austrian Books Online wird seit 2010 in einer Public-Private-Partnership mit Google durchgeführt. Insgesamt werden rund 600.000 urheberrechtsfreie Werke digitalisiert. Jetzt gingen nach intensiven Vorarbeiten die ersten 100.000 Bücher online. Die Benutzer können die Werke über den Online-Katalog der Bibliothek kostenlos aufrufen, online lesen, im Volltext durchsuchen und vollständig herunterladen.
Bildtext: Abraham à Sancta Claras „Huy! und Pfuy! Der Welt“ ist jetzt online. Foto: ONB
Eigener Book-Viewer
„Es ist ein Meilenstein in der Demokratisierung des Wissens und in der Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek. Seit April 2013 stehen die ersten 100.000 digitalisierten Bücher über unseren Online-Katalog QuickSearch bereit.“, so die erfreute Generaldirektorin Dr. Johanna Rachinger. Interessierte können die Werke in dem eigens dafür entwickelten Book-Viewer per Mausklick aufrufen, im Volltext durchsuchen, lesen und auch vollständig herunterladen. Der Viewer erlaubt stufenloses Zoomen in den einzelnen Seiten, durch eine Lupen-Funktion können Details weiter hervorgehoben werden. Auch die Anbindung an das Web 2.0 ist gegeben: Jede Seite kann direkt auf Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken gepostet werden. Ein eigenes Hilfe-Menü unterstützt bei technischen Fragen, auch für Fragen zu den einzelnen Objekten gibt es Feedback-Möglichkeiten.
Herausforderung Massendigitalisierung
20 ÖNB-Mitarbeiter sind derzeit ausschließlich für Austrian Books Online eingesetzt und 50 weitere sind als Experten eingebunden, um eine reibungslose Digitalisierung des gesamten historischen Buchbestands durch Google zu ermöglichen. Insgesamt werden rund 200 Millionen Seiten digitalisiert, darunter rund 200.000 Bände des Prunksaals, sowie die mehr als 100.000 Bände umfassende Fideikommissbibliothek. Diese ehemalige Privatbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen wurde von Kaiser Franz I. gegründet und ist eine der wenigen bis heute erhaltenen historischen Familienbibliotheken Europas. Austrian Books Online trägt wesentlich zur Bestandssicherung bei. So wird jedes einzelne Buch vor der Digitalisierung durch die Restauratoren der Österreichischen Nationalbibliothek gereinigt und es werden, wenn notwendig, konservatorische Maßnahmen gesetzt. Eine sorgfältige Überprüfung nach der Digitalisierung schließt die Bearbeitung ab. Zur Bestandssicherung trägt die Digitalisierung auch insofern bei, als im Falle einer Katastrophe zumindest alle Inhalte der Werke in einer digitalen Kopie vorhanden sind.
Österreichisches Kulturgut weltweit online
Die sprachliche und thematische Vielfalt österreichischen Kulturgutes, die Dank Austrian Books Online jetzt weltweit für die Forschung und alle interessierten Nutzern zur Verfügung steht, zeigen folgende Beispiele:
Das Werk erschien 1541 in tschechischer Sprache und war bis ins 18. Jahrhundert eines der meistgelesenen Bücher zur Geschichte Böhmens: die „Kronyka Czeská“ von Jan Severýn und Ondřej Kubeš von Žepův. Sie beruht in großen Teilen auf alten Legenden und Sagen von der Landnahme durch den Urahnen Čech (644) bis zur Krönung Ferdinands I. von Habsburg im Jahre 1526, dem das Buch gewidmet ist.
Johann Wolfgang von Goethe „Leiden des jungen Werthers“, 1774
Auch zahlreiche Erstausgaben von Literaturklassikern sind jetzt online zu lesen. Zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethes „Leiden des jungen Werthers“ aus dem Jahr 1774. Der Sensationserfolg, der eine regelrechte Werther-Mode auslöste, wurde sogar explizit in jenem legendären Edikt von 1806 erwähnt, mit dem Kaiser Franz I. sämtliche „Liebesromane“ verbieten ließ.
Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 1816
Unter den für Austrian Books Online digitalisierten Werken befinden sich zahlreiche historische Zeitschriften. Ein typisches Lifestyle-Magazin des Biedermeier war die „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“, in der unter anderem Adalbert Stifter seine ersten Erzählungen veröffentlichte.
Abraham à Sancta Clara „Huy! und Pfuy! Der Welt“, 1725
Der berühmte Prediger Abraham à Sancta Clara wirkte bei den Augustiner-Barfüßern in Wien, deren Bibliothek der heutige Augustinerlesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek ist. Sein Werk „Huy! und Pfuy! Der Welt“ aus dem Jahr 1725 ist ebenfalls unter den ersten digitalisierten Werken zu finden.