„Ich habe nie Fußball nur deshalb gespielt, weil ich Fußball gern gespielt habe. Das war für mich immer nur ein Mittel zum Zweck. Ich wollte Tierarzt werden. Das habe ich schon mit sechs Jahren gewusst. Dieses Ziel hatte ich immer vor Augen und es auch erreicht. Heute kann ich sagen, dass ich meine Position nicht dem Fußball verdanke!“, so Universitätsprofessor Dr. Walter Schleger in einem oepb–Interview im September 1979 anlässlich seines 50. Geburtstages an der Tierärztlichen Hochschule in Wien, dessen Rektor der heutigen Vetmeduni Vienna er zwischen den Jahren 1983 bis 1985 war.
Und er fuhr fort: „Vielmehr hat es mir der Fußball immer schwer gemacht. Ich habe um meine Anerkennung als Wissenschafter schwer kämpfen müssen – eben weil ich Fußballer war. Ich war an der Universität in Davis (Kalifornien), in Moskau, in Leningrad (heutiges Sankt Petersburg) und was weiß ich noch wo. Und überall habe ich gehört: Ah, Sie sind der Fußballer! Überall musste ich mich erst gegen dieses Etikett durchsetzen.“
Nun, Prof. Dr. Walter Schleger hatte sich durchgesetzt. Und da er heute Geburtstag feiern würde, ist dies für und Anlass und Auftrag genug, sein Leben und Wirken bei uns zu würdigen.
Kindheit in Prag
Walter Schleger kam am 19. September 1929 in Prag zur Welt. So, wie er bereits sehr früh wusste, dass er Veterinärmediziner werden möchte, so war er auch sehr zeitig schon sportlich ambitioniert und aktiv. Die Leichtathletik und der Handballsport hatten es dem Knaben angetan, ehe er als 12-jähriger 1941 der Jugendabteilung von AC Sparta Praha (Sparta Prag) beitrat. Als sogenannte Volksdeutsche, die von den Tschechen aus ihrer angestammten Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden, kam die Familie Schleger 1945 nach Wien.
Neue Heimat Wien
Den 16-jährigen Walter Schleger verschlug es in den Prater zum Wiener Athletiksport-Club – kurz Wiener AC oder WAC genannt – der damals neben dem Fußball auch für seine Leichtathletiksektion bekannt und berühmt war. Dort herrschte ein zerrüttetes Tohuwabohu vor, sodass die Fußballsektion nach Kriegsende erst langsam aber sicher wieder aufgebaut werden konnte. Als oberstes Gebot galt dabei, gute und vor allem gesunde Kräfte zu sammeln, um konkurrenzfähig in die Meisterschaft gehen zu können. Die Verhältnisse in der Rustenschacheralle in Wien II waren dermaßen trist, sodass sich der WAC 1946 und 1947 nur sehr mühsam in der Wiener Liga (damals die höchste Spielklasse Österreichs) halten konnte, ehe 1948 dann doch der Abstieg passierte. Was den schwarz-roten Prater-Verein jedoch positiv in die Zukunft blicken ließ, war der Nachwuchs. Die WAC-Jugend A wurde hinter dem SC Wacker Wien Vizemeister, sowie die Jugend B Herbstmeister vor dem starken First Vienna FC. Mit dieser jungen Mannschaft und ihren aufstrebenden Talenten sollte die WAC-Zukunft bestritten werden. Walter Schleger, der Stürmer mit dem trickreichen Spiel, war ein großer Teil dieser WAC-Fohlen.
Von der Leopoldstadt nach Hernals – auch des Studiums wegen
Da es in der Natur des Menschen liegt, stets nach Höherem zu streben, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass der 19-jährige Walter Schleger im Sommer 1949 von der 2. Liga in die 1. Liga zum Wiener Sport-Club wechselte. Just zu einer Zeit, als hierzulande die erste österreichweite Fußballmeisterschaft eingeführt worden war. Schleger wusste, dass er beim Sportclub mehr verdienen würde und dieses Geld war für ihn auch bitter nötig, denn er finanzierte sich damit sein Studium selbst. Das Oberhaus-Debüt ging am 27. August 1949 mit einem 1 : 2 beim Floridsdorfer AC vor 4.000 Zuschauern zwar verloren, dennoch sollten bis 14. Juni 1964 und einem 2 : 2 beim 1. Schwechater SC (Schleger trug da den Dress des FAK) vor 2.000 Zuschauern in Summe 344 Bundesligaspiele folgen, mit 105 Volltreffern von Walter Schleger.
Über Brasilien zur Wiener Austria
Der FK Austria Wien brach Ende Juni 1951 zu einer Brasilien-Tournee auf. Mit dabei im Reisetross waren die beiden Leihspieler Karl Koller von der Vienna und Walter Schleger vom Sportclub. Der Südamerika-Tripp, der mit An- und Abreise knapp drei Wochen andauern sollte, wurde mit Freundschaftsspielen gegen Nacional Montevideo, CR Vasco da Gama, Sporting Lissabon und zweimal gegen Juventus Turin absolviert. Nun, Koller wurde – nach der Ankunft in Wien – wieder an die Vienna zurückgegeben und avancierte dort bei den blau-gelben Döblingern zum Urgestein, der es von 1949 bis 1966 auf 415 Bundesligaspiele mit 41 Toren brachte. Eine wahre Vienna-Legende eben. Bei Walter Schleger verhielt es sich anders. Dieser wusste natürlich, dass ihn die Austria wollte, und so wurde er auch bei der Sportclub-Vereinsführung vorstellig, um seine Wechselabsichten zu deponieren.
Zurück im Prater
Der Sportclub stimmte schließlich den Abwanderungswünschen von Walter Schleger zu und so wechselte dieser im Sommer 1951 zurück in den 2. Wiener Gemeindebezirk zu den Trainingsplätzen der Austria gleich beim Praterstadion gelegen. Und der FAK und Schleger, das passte zusammen. Viermal wurde er Meister und dreimal Cupsieger mit den Wiener Violetten, darunter 1961/62 und 1962/63 zweimal hintereinander mit dem heiß begehrten Double, also Meister und Cupsieger. Der Name Walter Schleger war damals – und ist es wohl bis heute – eng mit dem Namen AUSTRIA verbunden. Erst bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass es da auch noch andere Vereine in seiner Fußballer-Laufbahn gab.
Die silbernen 1950er Jahre
„Die schönsten Jahre unseres Lebens!“, sollte Ernst Stojaspal über jenes Jahrzehnt rückblickend gemeint haben. Und die damaligen Aktiven gehörten alle der violetten Blutgruppe an. Es gab Spieler, die trugen das Austria-Trikot, und es gab Austrianer. Die einen schlüpften in Violett, die anderen sind (oder waren) ganz einfach die Violetten. Violetter zu sein setzt nicht Berühmtheit voraus, wenngleich dies kein Hindernisgrund ist. Violett ist eine Blutgruppe. Und – Violett ist auch eine Philosophie. Verlieren können – in guten, wie in schlechten Zeiten – die Überlegenheit des Gegners anzuerkennen, wenn er schon einmal besser war. Auch dafür stand die Austria. Fußball ist Sport und Sport ist Spiel. Zum Spiel gehört verspielen und bei der Austria natürlich auch ein bisserl mehr – das Verspieltsein. Walter Schleger wusste dies und fügte sich nahtlos in den Reigen großer Austrianer, wahrer Legenden eben, ein.
Debüt in der Nationalmannschaft
Auch der Ruf der Österreichischen Fußball Nationalmannschaft ließ nicht lange auf sich warten. Am 23. September 1951, kurz nach seinem Geburtstag, debütierte der 22-jährige Schleger im A-Team. Leider verlor dabei Österreich im Wiener Praterstadion vor 65.000 Zuschauern gegen Deutschland mit 0 : 2. Kurios dabei war, dass Walter Schleger damals über keinen gültigen Österreichischen Pass verfügte, der Protest der DFB-Delegation wurde allerdings aufgrund des Sieges zurückgezogen.
WM-Dritter in der Schweiz
Walter Schleger war auch zweimal bei einer Fußball-Weltmeisterschaft mit dabei, wobei 1954 mit dem 3. Platz in der Schweiz naturgemäß stärkere Beachtung geschenkt wird. 1958 in Schweden – Österreich schied nach der Vorrunde aus – gehörte Schleger ebenso zum A-Team-Stamm. In Summe absolvierte Walter Schleger in den Jahren von 1951 bis 1962 22 Länderspiele für Österreich.
Studium stets im Kopf
Bei aller Leidenschaft, die Walter Schleger anhand seines flinken Antritts, seiner Übersicht und Technik dem Fußballsport – darüber hinaus war er bis auf die Position eines Torhüters universell im Feld einsetzbar – zuteil werden ließ, trug er stets den Gedanken im Hinterkopf, sich während der Laufbahn weiterzubilden, da er nach Beendigung der aktiven Karriere einen fertigen Beruf ausüben wollte. Infolgedessen hatte er sein Studium nie vernachlässigt und widmete sich in jeder freien Minute – auch und gerade während langer Auslands-Tourneen – stets seinen Büchern. Im April 1956 promovierte er an der Wiener Universität, erwarb das Doktorrat der Tierarznei, wurde neben dem Fußballsport, den er noch bis 1964 aktiv ausübte, Assistent an der Tierärztlichen Hochschule und im Jahre 1976 Ordinarius. Ab jenem Zeitpunkt der Promotion im Jahre 1956 sprachen die Sportreporter und die Journalisten nur mehr ehrfurchtsvoll von Dr. Walter Schleger.
Ende der Laufbahn
„Es war mir eine unglaubliche Erleichterung, als ich nach dem Cupfinale am 1. Juli 1964 gegen Admira Wien (0 : 1) meine Karriere beendet habe. Dies ist ohne jeden großen Akt vor sich gegangen, ohne Tam-Tam. Ich habe das ohnehin nie wollen. Und immerhin war ich mit Ernst Ocwirk auch 1955 beim 4 : 1-Sieg der Europaauswahl in Belfast dabei. Aber nie habe ich Fußball um des Fußballs willen gespielt.“, so Dr. Walter Schleger weiter anhand des oepb-Interviews von 1979.
Trotzdem Fussball – Trainer beim SC Eisenstadt
Trotz aller Freude am und im Beruf ließ ihn der Fußballsport doch nicht los. Quasi als Ausgleich zur medizinischen Forschung stand Dr. Walter Schleger noch fünf Saisonen lang als Trainer von Kismarton 1907, besser als SC Eisenstadt bekannt, auf dem Platz. Mit dem seinerzeitigen burgenländischen Aushängeschild in Sachen Fußballsport schaffte er als Meister der Regionalliga Ost 1966/67 den Aufstieg in die höchste österreichische Spielklasse, der Nationalliga. Im Oberhaus konnte Trainer Dr. Walter Schleger den SCE behaupten und etablieren. Nach einem 1 : 3 beim GAK am 16. Mai 1969 verabschiedete er sich jedoch endgültig von der Fußball-Bühne, nicht jedoch ohne dort das Vorbild für die späteren Jungendleistungszentren zu geben. „Nur gute Jugendarbeit kann die Zukunft des Fußballs in Österreich sichern. In den Leistungszentren gibt es, oder muss man schon sagen, gab es, die ideale Kombination von wissenschaftlicher und praxisbezogener Arbeit. Es ist nicht mehr so, dass man Talente einfach auflesen kann. Aus dem Burgenland zum Beispiel sind auch in früheren Jahren immer wieder gute Fußballer gekommen. Erst durch die Arbeit im Leistungszentrum aber haben sie im Land selbst eine Basis gefunden. Diese Vorstellungen sind dann erst verwirklich worden, als ÖFB-Präsident Karl Sekanina eingegriffen hat.“, so Dr. Walter Schleger im Jahre 1979 weiter.
Wissenschaftlicher Beirat im ÖFB
„Ich muss gestehen, Karl Sekanina zuvor nicht gekannt zu haben. Durch meine burgenländischen Fußballfreunde trat er an mich heran, ob ich im wissenschaftlichen Beirat mitarbeiten möchte. Das habe ich gerne getan. Aber ich mache nichts halb. Und heute ist das leider nicht mehr so, wie es begonnen hat. Sekaninas Wirken ist unbedankt. Die neuen Dimensionen, die vor der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 aufgezeigt wurden, sind heute wieder in einen Dornröschenschlaf verfallen.“, so Dr. Walter Schleger im Jahre 1979. Und er fuhr fort: „Große Fußballer wie Erich Obermayer, Herbert Prohaska, Hans Krankl, Willi Kreuz, Friedl Koncilia und andere hätten dem österreichischen Fußball zu neuem Ansehen verholfen. Auch mit Max Merkel war ich oft im Gespräch. Dieser zeigte sich interessiert und aufgeschlossen, ganz und gar nicht als Sprücheklopfer, als der er ja bekannt war. Auch Teamchef Karl Stotz war einmal bei mir. Aber dann ist alles wieder verpufft. Der Wissenschaftliche Beirat (Anm.: im Herbst 1979) existiert noch immer. Ich frage mich wofür.“
Der „Doktor Fußball“ zog sich zurück
Als weltweit anerkannter und renommierter Forscher am Gebiet der Veterinärmedizin eilte Univ.-Prof. Dr. Walter Schleger, nachdem er sich vom Fußballsport endgültig abgenabelt hatte, weltweit durch die Kontinente. Und es war für ihn meist eine Rückkehr zu den Wurzeln, denn da er mit dem Fußball einerseits und darüber hinaus natürlich mit der Wiener Austria andererseits quer über den Globus verstreut gekickt hatte, war er anhand seiner Fach-Vorträge kein Unbekannter mehr. Zuerst wurde natürlich über den weltweit beliebtesten Ballsport geplaudert, ehe man sich der Tierwelt und deren Heilungsmethoden zuwandte. Und dennoch gelang ihm – der in seinem Leben nie etwas nur halbherzig, sondern immer und stets mit ganzer Kraft angepackt hatte – eines nicht, nämlich den Brückenschlag zwischen ehemaligem Fußballer und späterem Universitätsabgänger herzustellen. Das teilweise negative Image, das Bild des Sportlers, der Fußballers im besonderen, in der Öffentlichkeit nämlich, ist seiner Ansicht nach nie besser geworden.
Unzählige Auszeichnungen
Es bleibt wohl jedem Leser nun selbst überlassen, diese Schleger-Ansicht zu teilen oder eben nicht, denn der „Preis der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Wien“, die „Große Goldene Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien“, das „Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“, das „Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kultur erster Klasse“, all diese Auszeichnungen und noch viele mehr für Dr. Walter Schleger sprechen doch wohl eine eigene Sprache.
Koryphäe beim Fußball u n d in der Forschung
Für den Fußballsport hatte Dr. Walter Schleger in seinen letzten Lebensjahren keine Zeit mehr. So sehr engagierte er sich in seiner zweiten Berufung, der Tiermedizin. Bis zuletzt war er aktiv und agil. Umso schockierte war man, als es via Austria Presse Agentur Mitte Dezember 1999 plötzlich hieß, dass „Univ.-Prof. und Fußball-Doktor Walter Schleger bereits am 3. Dezember 1999 im 71. Lebensjahr stehend verstorben sei.“
Der anerkannte Universitätsprofessor Dr. Walter Schleger (* 1929 in Prag, † 1999 in Wien) kam als 16-jähriger ins zerbombte Nachkriegs-Wien und galt dort zuerst als „armer Schlucker.“ Der Fußballsport verhalf ihm zu Ansehen und Wohlstand. Dieser bot ihm aber auch die Chance zu einem – seinem – späteren Studium. Und diese Chance hatte er im Stile eines Vollblutstürmers knallhart verwandelt und ergriffen.
Quelle: oepb
Lesen Sie noch mehr über Österreichs Rekord-Titelträger bei uns bitte hier;
Und noch mehr über die Österreichische Fußball-Bundesliga lesen Sie bei uns bitte hier;