„Eine ruhmreiche Legende ging zu Ende“ – so lautete die Schlagzeile eines oepb-Artikels, erschienen am 5. Mai 1982 im seinerzeitigen „Kremstal-Bote“. Über 40 Jahren später stellen wir Auszüge dieses Fußballplatz-Nachrufs bei uns online;

Bildtext: Eines der letzten Bundesliga-Spiele am RAPID-Platz in seiner 70-jährigen Geschichte war jene Begegnung vom Samstag, 11. März 1978. Der SK Rapid Wien empfing um 15.30 Uhr den SK VÖEST Linz und gewann vor 4.000 Besuchern mit 2 : 1. Im Bild von links: Johann Pregesbauer (Rapid), Michael Lorenz (VÖEST), Helmut Kirisits (Rapid), sowie Helmut Wartinger (VÖEST). Foto: © oepb

Abschied vom alten RAPID-Platz

Ein großes Stück österreichischer Fußballgeschichte gehört ab sofort nur mehr der Vergangenheit an. Künftige Generationen werden wohl kaum mehr eine Vorstellungskraft darüber haben, welche legendäre Wettkämpfe, ruhmreiche Fußball-Duelle und grandiose Siege dort errungen wurden. Der alte RAPID-Platz in Wien XIV, die 70-jährige Hütteldorfer Pfarrwiese, existiert ab sofort nur noch in der Erinnerung. Als einstige Wettkampfstätte bereits seit längerem aus dem Verkehr gezogen – das letzte offizielle Meisterschaftsspiel datiert vom 22. April 1978, Hans Krankl zerlegte vor 6.000 Zuschauern beim 6 : 0-Erfolg des SK Rapid Wien über Admira/Wacker die Südstädter mit 5 Toren im Alleingang – fiel das Areal nun der Abrissbirne zum Opfer. Spitzhacken und Planierrauben beherrschen derzeit das Gelände, auf dem in früheren Zeiten noch echte Fußball-Kämpfe stattgefunden hatten, geprägt von einer Spannung und Dramatik, die im Laufe der Zeit komplett verloren gegangen ist. Dies hängt weniger mit dem Verlust des Platzes, sondern vielmehr mit der Entwicklung des Fußballsports zusammen, der heutzutage von der Scheu vor dem Risiko geprägt ist.

Blick auf die alte Stehrampe am RAPID-Platz. Foto: privat

Sag zum Abschied leise Servus

Der Abschied vom RAPID-Platz bedeutet für zahlreiche Fußballfreunde, die die Glanzzeit der Hütteldorfer dort erlebt hatten, wohl auch einen Abschied von der Blütezeit des österreichischen Fußballsports. Zu denen, die den Abschied wortwörtlich genommen haben, gehört auch Franz „Bimbo“ Binder, der extra hingegangen ist, um beim Begräbnis „seines“ RAPID-Platzes dabei zu sein: „Ich musste mir das einfach anschauen, denn die 20 Jahre, die ich bei diesem Verein verbracht habe, sind schließlich aus meinem Leben nicht wegzudenken.“ In diesen 20 Jahren schrieb Rapid österreichische Fußballgeschichte und die Tatsache der grün-weißen „Rekordmeister“-Bezeichnung geht auch auf jene aktiven Jahre mit Franz „Bimbo“ Binder zurück: „Rapid ließ sich auf der Hütteldorfer Pfarrwiese nur selten von einem Gegner in die Knie zwingen. Jede Mannschaft, die zu uns gekommen ist, hat Angst gehabt. Nicht, weil wir dort brutal gespielt haben – gut, hart waren wir schon – sondern weil wir eine starke Mannschaft waren, die den Heimvorteil auszunützen verstand. Es herrschte auch eine ganz besondere Atmosphäre, die bei den modernen Fußballstadien völlig abhanden gekommen ist. Auf dem Rapid-Platz waren die Zuschauerreihen dicht am Spielfeldrand, dass wir Spieler hautnah Kontakt zum Publikum hatten. Hin und wieder passierte es auch, dass ein Besucher einem Spieler vom Gegner das Haxl gestellt hatte oder dass aufgeregte Anhänger ins Feld gelaufen sind. Aber unsere Ordner haben immer gut aufgepasst und wir Spieler sind in einem solchen Fall auch gleich eingeschritten, haben die zu stürmischen Anhänger am Krawattl gepackt und sie wieder in den Zuschauerraum zurückbefördert.“ In der Tat war die Laufbahn rund um das Areal so schmal, dass in früheren Zeiten die Leichtathletiksektion bei der Klubleitung nachgefragt hatte, um eine Verbreiterung zu erreichen. Es könnten kaum zwei Läufer nebeneinander laufen, so hieß es in jenen Jahren, als Rapid auch noch über eine starke Leichtathletik-Sektion verfügte.

Auch der AC Milan gastierte am RAPID-Platz. Am Mittwoch, 7. November 1973 war vor 4.000 Besuchern um 14 Uhr Anstoß, Rapid verlor mit 0 : 2 und schied nach einem 0 : 0 vom Hinspiel im Achtelfinale aus dem Europapokal der Pokalsieger aus. Sammlung: Roland Holzinger

Siege der Kanoniere

Die Leute, Zuschauer, Besucher und Anhänger erlebten natürlich am liebsten am Rapid-Platz einen Rapid-Sieg. Aber der Erfolg durfte den Grün-Weißen dabei nicht leichtfallen. Franz „Bimbo“ Binder weiter: „Wenn wir gegen einen leichten Gegner gespielt und dem vier oder fünf Tore geschossen haben, war´s den Leuten gar nicht recht. Es hat ihnen dabei die Spannung gefehlt. Am liebsten war´s den Rapid-Anhängern, wenn wir in Rückstand geraten sind. Man konnte sich meist darauf verlassen, dass wir das Match dann noch gewinnen würden. Diese Aufholjagd war es, die die Leute begeistert hatte.“ Und die zahlreich dabei erzielten Tore ließ den SK Rapid Wien im Volksmund zu den Hütteldorfer Kanonieren werden. 

Beispiele für Aufholjagden

Franz „Bimbo“ Binder sind zwei besondere Spiele auf der Hütteldorfer Pfarrwiese in Erinnerung geblieben: „Einmal sind wir gegen Wacker Wien zur Pause 1 : 5 hinten gewesen. Das war in etwa so, als hätte der Blitz am Rapid-Platz eingeschlagen. In der Halbzeit-Ansprache meinte unser Sektionsleiter Dionys Schönecker: Was die können, können wir auch. Die haben uns in der ersten Hälfte 5 Tore geschossen, wir werden ihnen jetzt in der zweiten Halbzeit sechs Tore schießen. Na, was soll ich Ihnen sagen, wir haben die Partie noch mit 7 : 5 gewonnen und mir sind zwei Tore dabei gelungen.“ Und Binder weiter: „Ein anderes Mal, bei einem Freundschaftsspiel gegen Slavia Prag, der Rapid-Platz war mit 20.000 Zuschauern bummvoll, führten die Gäste zur Pause mit 4 : 3. Am Ende hieß es 7 : 4 für uns und mir gelangen vier Tore dabei.“ Franz „Bimbo“ Binder, der Mann der über 1.000 Tore für Rapid, wirkt dabei wehmütig und traurig. Nach einer kurzen Nachdenkpause meinte er: „Den Rapid-Platz hätte man unter Denkmalschutz stellen müssen, man hätte ihn als eine Art Fußball-Museum bewahren müssen.“

Nach den Kanonieren Franz „Bimbo“ Binder und Robert Dienst trat Hans Krankl (links) in die Fußstapfen seiner beiden schussgewaltigen Vorgänger. Der Goleador holte 1977/78, der letzten Saison auf der Hütteldorfer Pfarrwiese, mit 41 Toren als bester Torschütze Europas den „Goldenen Schuh“ nach Wien. Foto: privat

Umzug aus Fünfhaus nach Penzing

Rapid gewann die allererste Fußballmeisterschaft in Österreich. 1911/12 wurden die Hütteldorfer auf der Pfarrwiese Meister der 1. Klasse, damals noch zugehörig zum NÖ Fußballverband. Davor hatte Rapid einen Sportplatz in Fünfhaus bei der Johnstraße. Der Platz dort fiel der Stadterneuerung zum Opfer, ähnlich nun, 70 Jahre später, die Pfarrwiese. Spieler, Funktionäre und Anhänger demontierten auf dem alten Platz die Holztribüne und bauten diese aus heller Begeisterung am „neuen“ Rapid-Platz in Hütteldorf wieder auf. Dies geschah aus reiner Leidenschaft und Zuneigung zum Verein, Bezahlung für diese Tätigkeit gab es freilich keine.

Zeitzeuge Hans Hierath

Ein Zeitzeuge, der damals selbst Hand anlegte, 70 Jahre später noch lebt und trotz seiner 93 Jahre noch ein perfektes Erinnerungsvermögen besitzt, ist Hans Hierath, der dem Klub jahrzehntelang in verschiedenen Funktionen, vom Schriftführer bis hin zum Vizepräsidenten, gedient hatte. Hans Hierath in seiner Erinnerung: „Ich habe sehr gerne Fußball gespielt, aber ein Großer war ich nie. Dafür war ich läuferisch ganz gut. Unter meiner Regie wurde die Leichtathletik-Sektion von Rapid gegründet. Oft bin ich beim Training mit den Fußballern die 100 Meter gelaufen und war fast immer vorne. Als Leichtathlet war ich ganz schön schnell und so mancher Kicker lief mit mir bei Wettkämpfen mit. Durch dieses beiderseitige Training bekam ich selbst eine noch bessere Kondition.“

Von der Pfarrwiese ins Hanappi-Stadion

Hans Hierath, der seit gut 60 Jahren in einem kleinen Häuschen am Bierhäuslberg in Penzing wohnt, verfolgt vom Obergeschoß aus den neuen Betonbau Hanappi-Stadion. Wenn von dort der Torjubel zu ihm heraufschallt, dann werden bei ihm lebhafte Erinnerungen an die für ihn herrlichen Jahre mit Rapid am Rapid-Platz wach. An eine Zeit, in der der Rapid-Roar öfters als heute ertönte und das Einklatschen der Rapid-Viertelstunde wie eine drohende Gefahr vermittelnde Vorankündigung aus dem Urwald erklang. Hans Hierath war auch bereits 1922 mit dabei, als Rapid auf der Hütteldorfer Pfarrwiese eine neue Tribüne errichten ließ. Die Gebrüder Dionys und Eduard Schönecker lieferten die technischen Vorarbeiten dazu. Eine Gedenktafel, die die Köpfe der beiden Brüder Schönecker im Relief zeigt und die das Datum 29. März 1922 trägt, war bis zum Schluss ein Wahrzeichen am Rapid-Platz. „Ich habe gehört, jetzt weiß man nicht, wohin mit der Tafel …“, so ein sichtlich enttäuschter 93-jähriger Hans Hierath.

Im Gedenken an die ruhmreiche Spielstätte RAPIDs produzierten glühende Rapid-Anhänger im Jahre 1996 diese heute völlig vergriffene Postkarte. Sammlung: oepb

Anmerkung: Diese Geschichte ist über 40 Jahre alt. Franz „Bimbo“ Binder († 1989) sowohl Hans Hierath († 1984) sind längst nicht mehr am Leben. Inzwischen existiert auch das Hanappi-Stadion (1976 bis 2014) nicht mehr. Was bei Grün-Weiß existiert ist ein Rapid-Museum, eine Dionys Schönecker-Statue vor dem neuen Weststadion in der Keißlergasse, sowie die mehr und mehr verblassende Erinnerung an glorreiche Zeiten im Fußballlande Österreich. Mit Rapid, dem FK Austria Wien, dem First Vienna FC, dem Wiener Sport-Club und noch so vielen anderen Protagonisten mehr von einst. Die österreichische Fußball(er)geschichte, sie ist legendär und ruhmreich – bis in unsere heutige Zeit …

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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