Der SC Fortuna Köln, immer schon im Schatten des großen 1. FC Köln in der Domstadt am Rhein stehend, war vor 35 Jahren denkbar knapp daran, dem alten Rivalen die Stirn zu bieten. Es kam jedoch, wie meistens in solchen Fällen, ganz anders;

Die Relegationsspiele in Deutschland – so, wie man sie heute kennt – existieren bereits seit 1982. Mit Einführung der eingleisigen Zweiten Deutschen Bundesliga im Sommer 1981 wollte man dem geringen Zuschauerinteresse in den bisherigen Zweiten Ligen „Nord“ und „Süd“ entgegentreten. Spannung, Dramatik und Zuschauerinteresse versprach man sich auch am Ende der Saison. Neben dem Meister und dem Zweitplatzierten, die Fixaufsteiger waren, konnte der Drittplatzierte gegen den Drittletzten der 1. Deutschen Bundesliga in zwei so genannten Relegationsspielen im Hin- und Rückspiel-Modus ebenso die Möglichkeit am Schopf packen, eine Liga höher zu gelangen. Hier gab es im Laufe der Jahre die packendsten und spannendsten Duelle. Als wahre Mutter aller Relegationsduelle gilt aber bis heute jene Paarung vom Mai 1986, als der SC Fortuna Köln aus Liga Zwei auf BV Borussia Dortmund aus Liga Eins traf.

Das Hinspiel stieg am Dienstag, 13. Mai 1986 um 20 Uhr. Fortuna, aus dem Kölner Süden stammend, wich ins große Müngersdorfer Stadion aus, der eigentlichen Heimstätte des ruhmreichen 1. FC Köln. Das Südstadion war mit seiner Kapazität von 15.000 Plätzen schlichtweg zu klein. Und so verfolgten 44.000 Zuschauer den Kracher gegen Borussia Dortmund. Eine beachtliche Kulisse, wenn man bedenkt, dass der „große“ FC in der 1. Liga in jenem Jahr 1985/86 einen Zuschauerschnitt von 13.035 aufzuweisen hatte. Fortuna konnte in Liga 2 ohnehin lediglich 4.057 Besucher durchschnittlich begrüßen. So frohlockte an jenem Abend der Fortuna-Kassier, denn am Ende abzüglich sämtlicher Abgaben war mit gehörigen Mehreinnahmen zu rechnen.

Faksimile kicker / 15. Mai 1986

Das Spiel verlief auch ganz nach dem Geschmack des vermeintlichen „Underdogs“. Borussia Dortmund war irgendwie gar nicht auf dem Platz und der Pausenstand von 0 : 0 schmeichelte den Westfalen. Nach Seitenwechsel schlug dann die Fortuna erbarmungslos zu: Bernd Grabosch besorgte in der 53. Minute das 1 : 0, sowie Karl Richter, der in Minute 75 zum 2 : 0 den Sack zumachte. Torschütze Grabosch erinnert sich: „Es war unheimlich schön damals, vor so einer Kulisse zu spielen. Wenn 10.000e Menschen Deinen Namen schreien und rhythmisch dazu klatschen, das hat schon was. Für uns alle und den gesamten Verein ein tolles Erlebnis!“

Rückspiel in Dortmund: Pfingstmontag, 19. Mai 1986, 19 Uhr. Das Westfalenstadion war mit 54.000 Zuschauern natürlich restlos ausverkauft, mehr fanden damals darin keinen Platz. Auch diese Kulisse war gigantisch, denn durchschnittlich hatte der BVB in jenem Jahr „nur“ 22.572 Zuchauer aufzuweisen. Und Fortuna Köln legte auch hier gleich mächtig los. Es war neuerlich Bernd Grabosch, der das 0 : 1 in der 14. Minute besorgte. Unglaublich, die „kleine“ Kölner Fortuna führt gegen das „große“ Dortmund mit einem Gesamt-Score von 3 : 0. War es das gewesen für Borussia, sollte es nach 10 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur Beletage in Fußball Deutschland in die Niederrungen von Liga Zwei gehen? Der Europapokalsieger von 1966 (errungen im Pokalsiegerbewerb im Finale mit 2 : 1 gegen den FC Liverpool, gleichbedeutend mit dem ersten Final-Erfolg einer Deutschen Vereinsmannschaft) wankte gehörig … Halbzeit.

Faksimile kicker / 15. Mai 1986

Das Team von Reinhard Saftig galt in jener Phase einem zerstrittenen Haufen. Top-Torjäger Uwe Wegmann war mächtig „angefressen“. „Es ist eine Frechheit, was wir unserem Publikum zumuten.“, diktierte er den wartenden Reportern in die Notizblöcke. Und dennoch ging ein Ruck durch Schwarz-Gelb.  MichaelSusi“ Zorc verwandelte einen rechtmäßig gegebenen Elfmeter zum 1 : 1. Dies passierte in der 54. Spielminute. Der quirlige rumänische Techniker Marcel Raducanu legte 12 Minuten später nach, sein Kopfball zum 2 : 1 war für den Ex-Wiener Sportclub Torhüter Jacek Jarecki unhaltbar. Das Publikum im Dortmunder Westfalenstadion war nun hellwach. Die Stimmung dort, mitunter auch aufgrund der fehlenden Laufbahn, ist seit jeher gigantisch. Fortuna wankte, fiel aber nicht. Das 1 : 2 würde genügen. Die letzten Minuten laufen aus Sicht der Dortmunder in Windeseile ab. Fortuna ist hingegen stehend k.o. und sehnt den Schlusspfiff herbei. Dann die 90. Minute: Ingo Anderbrügge drischt den Ball mit dem Mute der Verzweiflung zur Mitte, Jarecki greift nach dem Ball, hat ihn, läßt ihn wieder aus und Uwe Wegmann, genannt auch „Die Kobra“, steht genau dort, wo ein Top-Stürmer zu stehen hat, im kleinen Strafraum auf die sich irgendwann bietende Chance lauernd. Wegmann bugsierte das Leder über die Linie in die Maschen. 3 : 1, 90 Minuten vorbei, Ende! Der Jubel im Westfalenstadion war unbeschreiblich. Die Auswärtstore galten damals noch nichts, was nun folgte, war ein drittes und entscheidendes Match auf neutralem Boden. Dortmund war so gut wie weg, rappelte sich auf und kam zurück. Fortuna, Beinahe-Aufsteiger, trat ins Leere. Es stand pari, ein drittes Spiel sollte die endgültige Entscheidung mit sich bringen.

Doch dieses Spiel ließ auf sich warten. Der ursprüngliche Termin Freitag, 23. Mai 1986, 20 Uhr fiel aus. Fortuna Köln hatte schlichtweg keine Spieler zur Verfügung, viele Leistungsträger waren verletzt oder krank. Der DFB, der zuerst einem Spielverschiebungs-Ansuchen von Fortuna-Präsident Jean Schäng“ Löring zugestimmt hatte, wischte getreu dem Motto „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!“ die causa vom Tisch und beharrte auf dem letzten Spieltermin: Freitag, 30. Mai 1986, 20 Uhr, Rheinstadion Düsseldorf. Die Zeit drängte, denn Eike Immel, Nummer 1 im Dortmunder Gehäuse, sollte mit der Nationalmannschaft als Torwart Nummer 3 bereits am Weg zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Mexiko sein. Der DFB-Tross reiste voraus, Immel stieß wenig später dazu.

Abermals bevölkern 50.000 Zuschauer diese Begegnung. Der ursprüngliche Hausherr Fortuna Düsseldorferfreute“ sich in jenem Jahr eines Besucher-Durchschnitts von 8.379 Stadion-Pilgern. F.95-Präsident Peter Förster darauf angesprochen meinte: „Da haben wir die Dortmunder in diesem Jahr zweimal geschlagen, aber wenn wir hier spielen, dann habe ich viele von den Düsseldorfer Wagen, die heute bei Borussia gegen Fortuna Köln hier waren, nicht gesehen. Warum eigentlich?“

Faksimile kicker / 29. Mai 1986

Namensvetter Fortuna Köln lief Gefahr, lediglich mit acht Leuten antreten zu können. Leistungsträger wie Karl Richter und Günter Hutwelker fielen aus. Auch Ralf Aussem musste passen. Bernd Grabosch, bisheriger Doppel-Torschütze aus Kölner Sicht, wurde rechtzeitig noch fit gespritzt. Und so kam es, wie es wohl oder übel kommen musste: In der erste Hälfte hielt Fortuna noch gut dagegen und lag zur Pause „nur“ mit 0 : 1 hinten. Dirk Hupe traf in der 31. Minute zum 1 : 0 für den BVB. In der zweiten Halbzeit allerdings brach das Kölner Werkel komplett auseinander und der BVB spielte sich in einen wahren Rausch. Michael Zorc (46.), Ingo Anderbrügge (49.), Bernd Storck (61.), Daniel Simmes (66.), Uwe Wegmann (Foulelfmeter, 84.), abermals Zorc (89.), sowie Frank Pagelsdorf (90.) zum 8 : 0-Endstand für Borussia Dortmund – so lauteten die damaligen Torschützen.

Das Rheinstadion zu Düsseldorf glich einem schwarz-gelben Dortmunder Tollhaus. Der BVB ballerte sich den ganzen aufgestauten Frust einer komplett vermurksten Saison vom Leibe und Fortuna Köln hatte gegen diese Angriffsmaschinerie absolut nichts entgegenzusetzen. Die „kleinen“ Fortunen, sie konnten einem leid tun.

Johannes Linßen, damals Trainer von Fortuna, erinnert sich: „Nach Schlusspfiff der zweiten Partie waren wir bereits verloren. Ich hatte zwei Leistungsträger verletzt und einen für das dritte Spiel gesperrt. Wer weiß was gesehen wäre, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, unsere Verletzten auszukurieren. Weiters hatte Grabosch bereits beim FC Schalke 04 und Jörg Neun beim SV Waldhof Mannheim unterschrieben. Im Falle eines Aufstieges wäre das Team zusammengeblieben. Doch so zerfiel unsere Truppe spätestens nach dem 0 : 2 im dritten Spiel und auch in der Sommerpause wechselte zahlreiche Spieler den Klub. Im Jahr darauf ging auch ich weg und Fortuna spielte die ganze Saison gegen den Abstieg. Erst zum Schluss wurde der Klassenerhalt in Liga Zwei zur Gänze gesichert.“

In Dortmund jedoch ging ein Ruck durch den Verein. Seit der triumphalen Relegation ging es mit dem Verein kontinuierlich bergauf. Im Jahr darauf wurde man Vierter, 1989 gewann man in Berlin gegen den SV Werder Bremen mit 4 : 1 den DFB-Pokal. Weitere großartige Erfolge folgten, beispielsweise 1997 der Gewinn der UEFA Champions League (3 : 1 gegen Juventus Turin). Bis heute gelten in der Braustadt diese drei Spiele gegen Fortuna Köln als Wiege und Geburtstunde der „neuen und erfolgreichen“ Borussia.

Fortuna Köln jedoch erlebte in diesen 35 Jahren eine echte sportliche Achterbahnfahrt. Nach 26 Jahren Zugehörigkeit zur Zweiten Deutschen Bundesliga führte der Weg hinab bis in die Verbandsliga Mittelrhein. Nach finanziellen Turbulenzen und einer drohenden Insolvenz ging es wieder aufwärts. Nach fünf Jahren – ab 2014/15 – in Deutschlands Dritter Liga erfolgte 2019 der Abstieg in die Regionalliga West, in der man akutell beheimatet ist.

Die Erinnerung an drei packende Relegationsduelle in Deutschland, bei denen der David den Goliath beinahe bezwingen konnte, die bleiben allerdings nach wie vor haften, an einen turbulenten Mai des Jahres 1986 …

Quelle: oepb

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