Im niedersächsischen Verlag DIE WERKSTATT erschien, zwar bereits vor einiger Zeit, nichts desto trotz dafür aber umso interessanter, eine weitere Bibel eines großen Fußball-Vereins. Die Rede ist von der „launischen Diva vom Main“, der SG Eintracht aus Frankfurt. Dieses Werk, welches dank tatkräftiger Unterstützung von Fan und Autor Ulrich Matheja, einem Erz-Eintrachlter, entstanden ist, wurde überaus amüsant und lesenswert gestaltet. Dabei heraus kam auf 420 Din A4-Hochglanzseiten mit einem Gesamtgewicht von 2,5 Kilogramm eine schier lückenlose Vereins-Chronik die SG Eintracht Frankfurt betreffend.
Die SGE war – und ist bei näherer Betrachtung – ein Verein mit stets wiederkehrenden Österreich-Verbindungen. Immer wieder, bis in die heutige Zeit, gab es Spieler, die in die Main-Metropole gewechselt sind. Von Wilhelm Huberts, Thomas Parits, Bruno Pezzey über Stefan Lexa, Markus Weissenberger, Christoph Westerthaler, Gerd Wimmer, bis hin zu Erwin Hoffer und Ümit Korkmaz. Der letzte, der den Sprung nach Hessen gewagt hatte, war Heinz Lindner im Sommer 2015. Auch der ehemalige ÖFB-Teamchef Helmut Senekowitsch war als Trainer in Frankfurt aktiv, wenngleich sein Gastspiel jedoch nur von kurzer Dauer gewesen ist. Die Eintracht war allerdings auch jener Verein, der erstmals gegen ein österreichisches Team aus dem Europapokal ausgeschieden ist. Am 15. März 1994 gewann der SV Austria Salzburg im Waldstadion im Elfmeterschießen mit 5 : 4. 26.000 Besucher waren Zeuge dieses historischen Moments, denn nie zuvor konnte sich eine österreichische Mannschaft gegen ein deutsches Team im Zuge des Europacups behaupten.
Weiters war Eintracht – und ist es wohl auch bis in die heutige Zeit – ein Team, das seine zahlreichen Anhänger stets auf die Folter spannen konnte. Auf grandiose Siege folgten unerklärliche Niederlagen, nach einer tollen und erfolgreichen Saison kam meist eine sportlich völlig durchwachsene Spielzeit hinzu. Die Hessen zählten auch bis zum Jahre 1995/96 zu jenen vier Teams, die seit der Gründung der Bundesliga anno 1963 stets und ohne Unterbrechung in der höchsten Deutschen Spielklasse vertreten waren – neben dem Hamburger SV, dem 1. FC Köln und dem 1. FC Kaiserslautern. 1995/96 „erwischte“ es Frankfurt und Kaiserslautern mit dem Abstieg, zwei Jahre später musste auch der 1. FC Köln in die Zweitklassigkeit hinunter. Bis dato blieb lediglich der Hamburger SV als „Dinosaurier“ übrig, der seit Einführung der Bundesliga immerwährend erstklassig geblieben war.
Nach dem ersten Abstieg der Eintracht anno 1996 kehrte man 1998 ins Oberhaus zurück, hielt sich dort drei Saisonen und war 2001/02 wieder zweitklassig. 2003 erfolgte der neuerliche Aufstieg, um ein Jahr später wieder „hinunter zu gehen“. 2005 kehrten die Adler, wie die Hessen aufgrund des imposanten Greifvogels im Wappen auch immer wieder gerne genannt werden, erneut ins Oberhaus zurück, ehe es 2011 wiederum und zum vierten Mal „die Liga wechseln“ hieß. Dieses Paternoster-Syndrom ging jedoch weiter. 2011/12 stand man frühzeitig in der 2. Deutschen Bundesliga als Aufsteiger fest und stieg als Vize-Meister wieder auf. Bis zur Stunde haben es die „Rot-Schwarz-Weißen“ in der Geschichte der 53jährigen Deutschen Bundesliga auf 47 Spielzeiten im Oberhaus gebracht.
Diese ups and downs zogen sich wie ein Faden durch die letzten 20 Jahre. Die Eintracht-Fans wurden mit ihrer immensen Liebe zum Verein stets auf eine harte Probe gestellt. Im Zuge der kompletten Neugestaltung des Waldstadions in den Jahren 2002 bis 2005 für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland boomte jedoch auch die Kulisse in der nunmehrigen Commerzbank-Arena. Verfügten die Adler 1991/92 – in diesem Jahr wurde erst am letzten Spieltag der Gewinn der Meisterschaft im Rostocker Ostseestadion vergeigt – über einen Zuschauer-Schnitt von 29.026, so pilgerten beispielsweise in der Saison 2010/11 trotz einer miserablen Rückrunde im Frühjahr und dem gleichbedeutenden neuerlichen Abstieg 47.433 Anhänger durchschnittlich zu ihrer SGE. Dieser Zulauf und die unerschütterliche Liebe zum heimischen Fußballverein ist ein Deutsches Phänomen, das in anderen Ländern Vorbildwirkung haben sollte. Aktuell, 2015/16, kann man auf einen Besucherschnitt von sagenhaften 48.713 – exakt um 1.071 Zuschauer mehr, als im Jahr zuvor – treuen Stadion-Pilgern verweisen.
Die Eintracht gewann zuletzt, und bislang auch zum einzigen Male, 1959 die Deutsche Meisterschaft. Im Europapokal der Landesmeister kreuzte man im Viertelfinale mit dem Wiener Sport-Club die sportlichen Klingen. Beide Spiele im März 1960 waren das, was man heutzutage als „enge Kiste“ bezeichnen würde. Das Hinspiel am Main gewannen die Hessen mit 2 : 1. Österreichs Teamchef Karl Decker meinte damals, „dass diese Eintracht in Wien zu schlagen sein müsste“. 14 Tage später wohnten auch 45.000 Wienerinnen und Wiener bei strömenden Regen der Begegnung im nächtlichen und ohne Überdachung agierenden Prater-Oval teil und bejubelten nach einer halben Stunde das 1 : 0 durch den WSC-Primgeiger Erich Hof. Nach einer Stunde dann allerdings der 1 : 1-Ausgleich von Erwin Stein. Die SGE kam weiter, eliminierte noch die Glasgow Rangers mit einem Gesamt-Score von 12 : 4, um im Endspiel gegen Real Madrid beim 3 : 7 nicht den Funken einer Chance zu haben.
Im Deutschen Pokal ist man dafür allerdings umso erfolgreicher, denn 1974, 1975, 1981 und 1988 hieß der DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt. Anno 1980 setzte man sich auch im UEFA-Cup im deutsch-deutschen Duell zuerst im Halbfinale gegen den FC Bayern München durch (0 : 2 im Olympiastadion, 5 : 1 im Waldstadion), ehe es im Endspiel gegen den VfL Borussia Mönchengladbach ging. Die Eintracht verlor das Hinspiel am Bökelberg zwar mit 2 : 3, gewann jedoch im das Rückspiel in Frankfurt mit 1 : 0 und stand somit als UEFA Pokalsieger 1980 fest. Goldtorschütze damals war übrigens der bereits frühzeitig verstorbene Fred Schaub, der Jahre später bei Admira/Wacker im Süden von Wien und dem VfB Mödling in Österreich aktiv sein sollte. Sein Sohn Louis Schaub spielt aktuell beim SK RAPID Wien.
Die Eintracht stellt bereits auch seit vielen Jahren den Bundesliga-Rekordspieler. War es in den frühen 1980er Jahren Willi Neuberger, der mit 520 Bundesligaspielen der am längsten dienende Hesse war, so wurde er von seinem Team-Kollegen Karl-Heinz Körbel 1991 abgelöst. Der „treue Charly“ schnürte in 602 Bundesligaspielen – allesamt für Eintracht Frankfurt – die „Packeln“ für die SGE. Dies ist bis heute eine Serie für die Ewigkeit, denn weit und breit scheint kein Spieler in Sicht zu sein, der diese Marke von 602 Bundesligaspielen brechen könnte. Und diese Superlativen ließen sich endlos lange fortsetzen …
Der Autor Ulrich Matheja ist Eintracht-Anhänger durch und durch. Zuvor widmete er seiner großen Liebe bereits das Werk: Schlappekicker und Himmelsstürmer/Die Geschichte von Eintracht Frankfurt. Man spürt diese Vereins-Zuneigung und erfährt diese auch auf jeder Seite, denn die Liebe zum Detail – bestehend aus fundierten Geschichten, Abbildungen alter Fotos, Interviews, unzähliger Wimpel, Programmhefte und dergleichen, sowie die jeweiligen Spieler-Legenden-Kolumnen – ist Zeuge einer lückenlosen Chronik. Hier wurde wirklich ganze und großartige Arbeit geleistet und der gelungene Versuch gestartet, von 1899 und der Vereinsgründung bis zum Winter 2011/12 auf nichts und niemanden zu vergessen und ein bleibendes Werk für die Nachwelt erschaffen zu haben.
Entstanden ist eine Chronik und Vereins-Bibel, die auch „Nicht-Eintrachtlern“ wärmstens ans Herz gelegt werden kann, denn wer sich für Teile der deutschen Fußball-Geschichte und Traditionen interessiert, gerne alte Mannschaftsbilder betrachtet, um sich selbst dabei ein wenig der Geschichte zu besinnen, der wird hier wunderbar gesättigt und bedient.
Unsere Eintracht
Eintracht Frankfurt – Die Chronik
von Ulrich Matheja
knapp 420 Seiten, Format: 23cm breit mal 31cm hoch
zahlreich bebildert, inklusive einer großen Statistik-CD
ISBN 978-3-89533-750-5
www.werkstatt-verlag.de
www.eintracht.de
www.bundesliga.de
Diese Österreicher trugen im Laufe der Geschichte den Eintracht-Adler auf der Brust:
(in alphabetischer Reihung)
Erwin Hoffer: von 2011 bis 2013;
Wilhelm Huberts: von 1963 bis 1970;
Ümit Korkmaz: von 2008 bis 2012;
Stefan Lexa: von 2003 bis 2006;
Heinz Lindner: seit 2015
Thomas Partis: von 1971 bis 1974;
Bruno Pezzey († 1994): von 1978 bis 1983;
Helmut Senekowitsch († 2007): 1982
Georg Tutschek: von 1964 bis 1965;
Markus Weissenberger: von 2004 bis 2008;
Christoph Westerthaler: von 1997 bis 2000;
Gerd Wimmer: von 2000 bis 2002;
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